Familie Dr. Norden Box 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg

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Familie Dr. Norden Box 1 – Arztroman - Patricia Vandenberg Familie Dr. Norden Box

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Sie schon morgen mit ihr telefonieren, Maxi. Haben Sie Patrick gesagt, daß Ihre Mutter in der Klinik ist?«

      »Ich habe gesagt, daß sie einen Unfall hatte. Er ist ganz vernünftig, aber er macht sich auch keine schweren Gedanken.«

      »Er wird später überhaupt nicht mehr daran denken. Kinder vergessen schnell. Ich habe diese Erfahrung auch bei Mario gemacht. Er konnte sich schon ein paar Wochen später nicht mehr erinnern, daß seine Eltern bei dem Bootsunfall ertrunken waren. Man soll Kinder auch nicht an dramatische Geschehnisse erinnern.«

      »Ich fürchte, daß er trotzdem Fragen über seinen Vater stellen wird, auch wenn er sich nicht mehr an ihn erinnern kann.«

      »Wenn der eine Bedeutung für ihn hatte, würde er jetzt schon nach ihm fragen«, meinte Anne.

      »Jetzt kommt er nicht mit Kindern zusammen, die einen Vater und auch Großeltern haben, aber wenn er zur Schule kommt, könnte das anders werden. Und ich kann doch nicht einfach sagen, daß er tot ist, wenn das gar nicht der Fall ist.«

      Wie hätte sie ahnen können, daß dies an diesem Tag schon der Fall sein würde.

      Ray Gambill war ziellos herumgeirrt und in einer Kneipe gelandet, hatte Bier und Whisky getrunken und wußte nicht, wohin er eigentlich wollte. Sein Geld ging langsam zur Neige, und er wagte nicht, irgendwo mit einer seiner Kreditkarten zu zahlen, da er doch eine Ahnung hatte, daß man ihn suchte. Nach dem Kneipenbesuch wußte er auch nicht mehr, wo er seinen Leihwagen geparkt hatte. Dann wurde es dunkel, und er landete in einer düsteren Bar, in der es schon turbulent und hitzig zuging. Er war leicht erregbar. Ihn brauchte nur ein anderer beiseite zu drücken, dann schlug er schnell zu. Er hatte damit schon Schwierigkeiten auf den Schulen gehabt und deshalb öfter auch das Internat wechseln müssen. Das hatte Maxi nie erfahren.

      Nachdem er weiter zwei Whisky getrunken hatte, gegessen hatte er fast gar nichts an diesem Tag, brauste er schon auf, als ihm ein anderer, bulliger Mann, der auch schon einiges getrunken hatte, sein Glas wegnahm. Ein paar Stöße hin und her, andere begannen zu pöbeln und schon bekam Ray einen Kinnhaken, daß er hintenüber flog, über einen Tisch hinweg. Bewegungslos blieb er am Boden liegen. Mit einem Schlag herrschte atemlose Stille.

      »Er ist hinüber«, sagte schließlich einer, der sich über ihn gebeugt hatte.

      »Das hat noch gefehlt!« knurrte der Wirt, aber er rief sofort die Polizei. Der bullige Mann hatte sich gleich verdrückt, andere starrten mit glasigen Augen auf den leblosen Körper. Jeder sagte, er sei es nicht gewesen.

      Die Funkstreife kam. »Ich will keinen Ärger mit der Polizei haben«, erklärte der Wirt. »Ich habe den Burschen schon x-mal gesagt, daß sie nicht raufen sollen. Das ist ein Fremder, der anscheinend keinen Spaß versteht, er hatte auch schon genug, als er kam.«

      Der Notarzt war jetzt eingetroffen und stellte schwache Lebenszeichen fest. Der Polizist hatte einen Paß bei dem Bewußtlosen gefunden und festgestellt, daß es ein Engländer war.

      »Das auch noch«, stöhnte der Wirt, »aber gesehen habe ich nicht, wie das passiert ist.«

      Keiner hatte es genau gesehen, darin waren alle einer Meinung. Polizisten wußten, wie das bei Raufereien war. Daß der dicke ›Paulke‹ sich verdrückt hatte, sagte keiner, den kannten die meisten schließlich. Den ›Engländer‹ kannte keiner. Es dauerte ein paar Stunden, bis man festgestellt hatte, um wen es sich bei diesem Mann handelte, weil das Kommissariat Fechner die Meldung auf den Tisch bekommen und bald festgestellt hatte, daß es sich um den polizeilich gesuchten Ray Gambill handelte. Da war dieser bereits tot, gestorben an einer Gehirnblutung, die er sich bei seinem Sturz zugezogen hatte, aber bei der Obduktion sollte dann festgestellt werden, daß er schon lange ein bedrohliches Aneurysma hatte.

      Dr. Norden erfuhr es noch vor Mitternacht.

      »Jetzt können wir wieder ruhig schlafen, mein Schätzchen«, sagte er zu Fee, und sie meinte, daß dies für Maxi erst recht zutreffen würde.

      Sie kuschelte sich in Daniels Arm und schnurrte wie ein Kätzchen. Es brachte ihn immer zum Lachen.

      »Siehst du, mein Herzallerliebster, jetzt können wir auch wieder lachen. Auf Regen folgt Sonnenschein, man muß nur optimistisch sein.«

      »Wird Maxi auch eines Tages wieder richtig lachen können?« meinte er nachdenklich. »Werden nicht immer wieder bittere Erinnerungen kommen, wenn Patrick heranwächst und sie an seinen Vater erinnert?«

      »Warum sollte er das? Er hat doch jetzt schon keine Erinnerung an ihn. Nun kann sie guten Gewissens und ohne zu lügen sagen, daß er tot ist. Sie kann ihm von seinem Großvater erzählen, der ein großherziger, vom Schicksal geschlagener Mann war und den Glauben an das Gute nicht verlieren wollte, wie Maxi auch. Es liegt in ihrer Hand, ihren Sohn in dem Glauben zu erziehen, daß er zwei große Vorbilder in seinen beiden Großvätern hat. Ich denke, daß Maxi aus ihren Erfahrungen gelernt hat. Vielleicht begegnet ihr eines Tages auch ein Mann, vor dem sie wieder Achtung haben kann, der ihr ein verständnisvoller Freund werden könnte. Sie ist noch so jung, und das, was sie erlebt hat, ließ sie reifen. Wenn sie vor der Ehe schon Erfahrungen gesammelt hätte, wäre sicher alles anders gekommen.«

      »Ich weiß aber nicht, ob es so gut ist, negative Erfahrungen vor der Ehe zu sammeln. Es kommt immer auf die Menschen selbst an. Man soll Kinder nicht zu sehr behüten und abschirmen. Sie sollten beizeiten lernen, daß sie mit den unterschiedlichsten Menschen auskommen und auch abschätzen müssen, wie man Gefahren erkennt.«

      »Ich meine, daß die Schulen schon ein breites Feld dafür bieten, daß Geld und Designer-Kleidung kein Freibrief und ganz gewiß keine Empfehlung sind. Das haben unsere Kinder ja hoffentlich schon begriffen, wenn sie manches auch sehr gern haben würden.«

      »Zum Beispiel ein Cabrio am achtzehnten Geburtstag«, sagte Fee mit leisem Lachen. »Felix hat wenigstens schon eingesehen, daß er nicht das teuerste Fahrrad bekommen wird. Man darf jetzt nämlich auch handeln.«

      »Du wirst doch nicht handeln?« staunte Daniel.

      »Warum denn nicht, es ist sowieso alles viel teurer geworden, seit wir den Euro haben. Da können sie uns sonst was erzählen, ich vergleiche die Preise, und andere tun es auch. Sag nur, daß das nicht in Ordnung sei.«

      »Es ist in Ordnung. Merkst du, daß wir uns jetzt auch wieder ganz normal unterhalten können, daß nicht immer dieser schwarze Schatten namens Gambill uns beunruhigt?«

      »Er wird in der Hölle schmoren. Er ist so unwürdig gestorben, wie er gelebt hat. Wie viele Menschen mögen sich hinter einer Maske verbergen und manchmal gar nicht zu durchschauen sein?«

      »Es ist wie mit manchen Krankheiten, mein Liebes. Es gibt irreführende Symptome, und dahinter verbirgt sich etwas ganz anderes. Morgen früh müssen wir gleich Anne anrufen, damit Maxi einen neuen Lebensabschnitt beginnen kann.«

      »Hätten wir das nicht gleich tun sollen?«

      »Auf der Insel schlafen sie doch längst«, meinte er lächelnd. »Nächtliche Anrufe bedeuten meistens nichts Gutes. Außerdem hat schon der neue Tag begonnen. Es ist gut, daß wir ausschlafen können.«

      Fee gab ihm einen zärtlichen Kuß. »Wir werden den Tag genießen, mein Liebster.«

      Es sollte ein strahlender Tag werden. Die Sonne schien vom wolkenlosen Himmel herab, und die Luft war mild und voller Blütenduft.

      Fee war früh auf den Beinen, obgleich sie hätte ausschlafen

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