Familie Dr. Norden Box 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Familie Dr. Norden Box 1 – Arztroman - Patricia Vandenberg страница 19
Er machte sich schon so viele Gedanken, daß Maxi tief gerührt war. Sie nahm ihn in die Arme und blickte ihm tief in die Augen, die das Blaugrau mit dem dunklen Ring ihrer Augen hatten. Vielleicht hatte Ray das gestört, auch von ihm so angesehen zu werden.
Warum hatte sie ihn nur geheiratet? Hatte sie ihn denn wirklich so geliebt? Aber sie hatte ja keinen anderen Mann kennengelernt, und Ray konnte seine Gefühle auf den Augenblick, auf den es ankam, programmieren. Auch das hatte sie inzwischen begriffen. Er hatte jeweils die Rolle gespielt, die ihm angebracht schien, die die Wirkung erzielte, die er beabsichtigte. Und sie hatte sich von ihm formen lassen, wie er sie brauchte, solange er sie brauchte, vor allem, um bei seinem Vater den Eindruck zu erwecken, daß er sich geändert hatte. Aber wodurch hatte James Gambill ihn dann doch durchschaut, daß er sein Testament geändert hatte?
»Jetzt bist du wieder ernst, Mami«, stellte Patrick besorgt fest.
»Ich denke nur nach. Nächste Woche werde ich zu Muni fahren, und vielleicht geht es ihr dann bald so gut, daß ich sie mitbringen kann.«
»Und hier kann sie sich erholen, hier wird sie ganz gesund«, erklärte er in voller Überzeugung.
»Ja, hier wird sie ganz gesund«, bestätigte Maxi mit einem weichen Lächeln.
»Und wir können sehr gut ohne einen Dad auskommen.« Er wußte es ja nicht anders. Für ein Kind war es schlimmer, wenn es einen lieben, fürsorglichen Vater verlor.
Maxi konnte es nicht verhindern, daß sie über ihre Ehe nachdachte und über sich selbst. Eigentlich hatte sie sich ja nie Gedanken gemacht, wenn Ray auf Gesellschaften mit anderen Frauen flirtete. Ihm wurden ja auch genug Avancen gemacht, wie ihr allerdings auch, aber sie hatte andere Prinzipien, da ihre Mutter ihr diese als verheiratete Frau vorgelebt hatte. Sie meinte, daß es wohl das Recht der Männer sei, Kontakte zu pflegen, weil es ihr Vater auch getan hatte.
Es war ihr nie zu Ohren gekommen, daß Ray eine Affäre gehabt hatte, man hatte sie damit verschont, aber sie fragte sich, welchen Einfluß Bess auf ihn hatte, daß er ihr regelrecht hörig geworden sein mußte. Er hatte doch immer der Bestimmende sein wollen, das stünde ihm zu, aber Bess hatte den Ton bestimmt, als sie James pflegte. Sie war Maxi gegenüber distanziert höflich gewesen, aber auch sehr konsequent. Maxi hatte öfter gehört, daß sie im Befehlston mit Ray sprach. War das auch James aufgefallen, obgleich er schon die meiste Zeit lethargisch war?
Es nützte wirklich nichts, sich immer wieder den Kopf darüber zu zerbrechen, sie würde Patrick damit nur irritieren. Für ihn war das Nachdenken vorbei. Sein Vater war Vergangenheit, er war tot. Patrick wußte, daß Tote in ihren Gräbern auf dem Friedhof lagen. Er hatte mit seiner Mami die Gräber seiner Großväter besucht, eins in England, eins in München, aber das in München hatte ihm besser gefallen, weil viele Blumen darauf blühten und das in England sich in einer dunklen Gruft befand. Er wollte gar nicht wissen, wo das Grab seines Vaters war, das war kein Dad, das war nur Ray gewesen.
*
In der Behnisch-Klinik gab es auch andere Patienten als Monika Dannenberg, und somit auch andere Schicksale. Man überließ es Torsten Werling gern, mit Monika zu sprechen, wenn sie ansprechbar war. Sie war noch immer schwach, wußte scheinbar auch nicht, was sie schon gesagt haben könnte, denn sie schien geistesabwesend zu sein, wenn sich Worte von ihren Lippen lösten. An Torsten hatte sie sich schon gewöhnt, ihn erkannte sie sofort, wenn er sich an ihr Bett setzte, während sie sich bei den Schwestern noch hart tat und sich die Namen nicht merken konnte. Allzuviel hatte Torsten noch nicht von ihr erfahren, denn was sie bisher gesagt hatte, war anscheinend nur traumhafte Erinnerung.
»Ihre Tochter hat angerufen, Frau Dannenberg. Sie wird Sie bald besuchen«, erklärte Torsten bedächtig.
»Sie soll bei Patrick bleiben und ihn nicht herbringen. Er soll nicht erfahren, daß Ray mich so zugerichtet hat.«
Es war der erste zusammenhängende Satz, den sie sagte.
»Sie sind ganz sicher, daß er es war?« fragte Torsten.
»Natürlich, er hat es doch erst wieder auf die schleimige Tour versucht. Er konnte ja so charmant sein – alles gespielt. Er wurde auch gleich aggressiv, als ich sagte, daß er verschwinden soll. Ich war so wütend, ich habe mich gewehrt, aber er hat Kräfte, die man ihm gar nicht zutraut. Er konnte alle Menschen täuschen, und meine arme Maxi war so naiv. Ich wollte ja auch nicht glauben, wie gemein Ray sein kann.« Sie hielt erschöpft inne.
»Es ist genug, Frau Dannenberg, Sie dürfen sich nicht anstrengen und erst recht nicht so aufregen. Es war alles schlimm genug für Sie.«
»Doch erst recht für meine Kleine. Ich habe sie immer behütet und nicht daran gedacht, wie hart die Wirklichkeit sein kann. Sie war unser Prinzeßchen, und wir dachten, sie hätte ihren Prinzen bekommen.« Ein paar Tränen stahlen sich jetzt aus ihren Augen. Sie war eine Frau, die nicht so leicht weinte und ihren Gefühlen nicht freien Lauf ließ. Aber es war gut so, daß sie weinen konnte, daß sie sich nicht selbst verleugnete. Torsten hatte durch seine lange Krankheit ein feines Gespür für die innersten Regungen anderer Menschen bekommen, und das Schicksal von Mutter und Tochter Dannenberg weckte sein ganzes Mitgefühl.
Monika hatte ihre Hand nach ihm ausgestreckt, und er hielt sie jetzt fest, bis sie wieder einschlief. Morgen wollte er ihr sagen, daß auch Maxi sich nicht mehr vor Ray Gambill fürchten mußte.
*
Daniel Norden hatte Ray Gambill identifiziert. Es hatte sich niemand sonst gefunden, der ihn persönlich gekannt hatte. Maxi sollte deshalb nicht nach München gerufen werden. Das hatte er verhindern können, und für ihn war es tatsächlich eine Beruhigung, Ray tot zu sehen, mit einem verwunderten Ausdruck in dem Gesicht. Daniel hatte schon viele Tote gesehen, friedliche Gesichter und auch welche mit grimmigem Ausdruck. Er hatte auch in toten Gesichtern lesen gelernt und war zu der Überzeugung gekommen, daß die letzten Gedanken sie geprägt hatten.
Konnte man einem Toten alles verzeihen, was er Unrecht getan hatte? Nein, wenn man ehrlich mit sich selbst war, konnte man es nicht, wenn es solche Wunden geschlagen hatte. Aber vielleicht gelang es Maxi doch zu vergessen, um Patricks willen. Es würde ihr zumindest innere Ruhe geben, daß er nicht mehr lebte und sie das dem Jungen gutes Gewissens sagen konnte, ohne ihn einmal mit Ausreden abspeisen zu müssen.
Daniel konnte sich diesen Mann aber auch nicht mehr in der Rolle des glücklichen Ehemannes vorstellen, den er zumindest an seinem Hochzeitstag so perfekt gespielt hatte.
Mit dem Gedanken, daß Ray Gambill keinem anderen mehr etwas zuleide tun konnte, fuhr Dr. Norden heim, zu seiner Frau und seinen Kindern. Lenni wartete schon mit frischgebackenem Kuchen, und der Kaffeeduft zog durchs Haus.
»Jetzt wissen wir es genau, Feelein. Ich werde Maxi fragen, ob er nach England überführt werden soll.«
Aber darüber hatte Maxi schon nachgedacht. Ihre Gedanken trafen sich, und sie rief wenig später an. Sie wollte ihren Anwalt damit beauftragen, alles für die Überführung in die Wege zu leiten. Es ist besser so, da sie nie nach England zurückkehren würde, aber in der Familiengruft solle er auch nicht beigesetzt werden, um James’ Ruhe nicht zu stören.
»Sie meint wohl, daß Rays Seele keine Ruhe findet und die seines Vaters stören könnte«, meinte Fee nachdenklich.
»Ich frage mich, ob er eine Seele hatte.«