Flusenflug. Peter Maria Löw
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Jäh wurden wir aus unseren Träumen gerissen. Die Böllerschützen feuerten eine Breitseite und selbst die Ameisen schienen sich zu erschrecken. »Ja, und was kaufen wir eigentlich genau und vor allen Dingen, wovon?«, fragte ich schüchtern. »Das geht schon«, meinte Martin, der erfahrene Firmenkäufer, »irgendwie. Wenn man erstmal eine gute Firma am Haken und ein gutes Konzept in der Tasche hat, dann klappt das auch mit der Finanzierung.« »Und was kaufen wir?«, insistierte ich. »Büromaschinenhändler natürlich,K o p i e r e r h ä n d l e r«, donnerte es mir entgegen. »Ich habe noch eine Liste kleinerer Kandidaten, die für die IMM uninteressant waren. Die wären doch was für uns, zum Einstieg.«
Wie lange das denn dauern würde? Martin, der zukünftige Familienvater, wurde ein wenig nachdenklich. »Es kann schon etwas dauern. Man müsste halt auch intensiv suchen, hmm … Ich müsste natürlich bei der IMM kündigen, auch wegen der Interessenkonflikte. Und dann noch vier Monate oder ein Jahr oder mehr, wer weiß?« »Aber wie willst du denn dann überleben und deine Familie ernähren?« Ich dachte kurz nach und hatte die Lösung: »Wir machen es so. Du kündigst bei der IMM und ich gebe dir einfach die Hälfte meines Gehalts. Dann hast du Zeit, so schnell wie möglich ein Target zu finden, und ich verdiene eben für uns beide.« Das war doch ein Deal!
Ohne je ein Unternehmen auf eigene Rechnung gekauft zu haben, ohne irgendwelche Erfahrung im Management kleinerer Gesellschaften, ohne irgendwelche Finanzmittel oder Geldgeber im Rücken, ganz auf uns gestellt, aber mit viel Optimismus und einer großen Risikobereitschaft hatten wir uns geeinigt. Wir waren entschlossen, unsere sicheren Existenzen aufs Spiel zu setzen, auch wenn objektiv betrachtet das Risiko und die Opferbereitschaft bei Martin deutlich höher waren. Aber, es würde schon gut gehen. Wo ein Wille ist …
Dann kam die vierte Maß und beseelt von unserem Entschluss wurde es wieder sehr lustig.
4Johann Wolfgang von Goethe, Faust. Der Tragödie erster Teil, 1808. Vor dem Tor.
5Koran, Sure 27 Vers 18 f.
6Term (engl.): Studienabschnitt von ca. zwei Monaten.
7M&A: mergers and acquisitions (engl.), Firmenübernahmen und Zusammenschlüsse; Boutique: Jargon für kleine Gesellschaft.
8Eine Due-Diligence-Prüfung, entsprechend dem englischen Rechtsund Geschäftsjargon oft verkürzt zu Due Diligence, bezeichnet eine sorgfältige Prüfung, die – im Regelfall durch den Käufer veranlasst – beim Kauf von Unternehmensbeteiligungen oder Immobilien sowie bei einem Börsengang erfolgt (Wikipedia).
9Signing und Closing (engl.): Abschluss des obligatorischen Vertrages und dingliche Übereignung.
10Eine Maß entspricht ca. einem Liter.
11Unter einem Cashflow versteht man in der Wirtschaft eine betriebswirtschaftliche Kennzahl, bei der Einzahlungen und Auszahlungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums einander gegenübergestellt werden und dadurch Aussagen zur Innenfinanzierung oder Liquidität eines Wirtschaftssubjektes möglich werden (Wikipedia), hier: Liquiditätszuflüsse.
Teil 1
Das 1. Abenteuer Im Niemandsland (Ostwestfalen)
Inzwischen waren mehr als sechs Monate vergangen. Martin hatte tatsächlich bei seiner Firma gekündigt und streifte seitdem wie ein einsamer Wolf durch die Lande, immer auf der Suche nach Beute. Natürlich ging er dabei nicht planlos vor, sondern hatte jene kleine, feine und geheime Liste aus seiner alten Firma mitgenommen, eine Liste von Unternehmen, die möglicherweise zum Verkauf standen. Diese hatte er in seiner Zeit als Akquisiteur bei der IMM für sich erstellt, mit Firmen, die nicht unbedingt in das Beuteschema der IMM fielen, jedoch uns als kleine Einsteiger durchaus interessant erschienen. Und natürlich waren alle diese Unternehmen Büromaschinenhändler, denn mit nichts anderem hatte Martin sich im vergangenen Jahr beschäftigt. Seine Frau war natürlich ob dieser Entwicklung nicht sehr glücklich. Bereits seit einigen Monaten schwanger12 war es für sie alles andere als eine Traumvorstellung, dass ihr Mann den wohldotierten und langfristig garantierten Job verließ, um ohne konkrete Aussicht auf ein gesichertes Einkommen und ohne festen Arbeitsplatz rastlos umherzuziehen, bei wildfremden Firmen anzuklopfen und nur noch selten zu Hause zu sein. Doch derart kleinkrämerische Gedanken ließen wir nicht gelten.
Ich zahlte Martin, wie vereinbart, die Hälfte meines McKinsey-Gehalts und Martin fuhr mit dem klapprigen und ausrangierten Mercedes seines Vaters, der bestimmt seine fünfzehn, zwanzig Jahre auf dem Buckel hatte, in die Welt hinaus. Ich selbst hatte dabei zugegebenermaßen den weitaus angenehmeren Job. Ich blieb auf meiner tollen Position bei McKinsey, genoss weiterhin die Erste-Klasse-Flüge und die 5-Sterne-Hotels. Zweimal umkreiste ich auf diese kommode Art den gesamten Erdball, von München nach Boston, über Denver nach Los Angeles, von Hawaii (natürlich) nach Japan, nach Hongkong und nach München zurück, um als doch reichlich unerfahrener Berater den großen, internationalen Consultant zu mimen.
Ende 1992 war es dann so weit. Nach vielen Absagen durch potentielle Verkäufer, aber auch nach vielen Absagen durch uns nach Analyse der Firmenzahlen, hatte Martin scheinbar das ideale Unternehmen gefunden. Geld hatten wir ja keines und so war ich doch ein wenig überrascht, als Martin mir mit strahlenden Augen unseren ersten Deal präsentierte. Ein kleiner Büromaschinenhändler in Espelkamp mit gerade einmal DM 7,9 Mio. Umsatz sollte es sein. Er werde von zwei älteren Herren geführt, die aus Altersgründen die Firma verkaufen wollten, sich aber bereit erklärt hätten für ein, zwei weitere Jahre als Geschäftsführer in der Firma zu verbleiben. Der Kaufpreis sollte »nur« DM 7 Mio. betragen und entsprach damit fast einmal dem Umsatz. Einen in Relation zum Umsatz derart hohen Kaufpreis würden wir in der Zukunft übrigens nie mehr zahlen, aber noch waren wir die Unerfahrenen. Martin schwärmte von den Vorzügen dieser Firma. Die A + L Bürocenter GmbH13 sei der Platzhirsch und habe mit Minolta einen zuverlässigen Lieferanten. Allerlei stille Reserven hatte Martin außerdem in den Jahresabschlüssen ausgemacht, die nach seiner Meinung innerhalb kürzester Zeit gehoben werden könnten und damit unweigerlich zu einer raschen Rückführung des gesamten Kaufpreises führen müssten. Das hörte sich doch ganz gut an.
Die A + L Bürocenter GmbH war ein Büromaschinenhändler, der auf mehreren Geschäftsfeldern aktiv war. Die Gesellschaft verkaufte mit 27 Mitarbeitern nicht nur Kopiergeräte und andere Büromaschinen, sie unterhielt auch einen eigenen Leasingdienst, der Kopiergeräte an Endkunden, meist gewerbliche oder industrielle, verleaste, außerdem einen Wartungs- und Reparaturdienst. Alleine in der Werkstatt arbeiteten circa 11 Mann und nicht zuletzt gab es auch noch eine Abteilung