Das Science Fiction Jahr 2020. Группа авторов

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Das Science Fiction Jahr 2020 - Группа авторов

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in denen schwarze Soldaten mehr oder weniger freiwillig für die Ideale der Vereinigten Staaten ihren Kopf hinhalten mussten.

      Wichtige moderne Vertreter des Afrofuturismus sind Nisi Shawl (vor allem mit dem Alternativweltroman Everfair), Nalo Hopkinson, Tade Thompson, Deji Bryce Olukotun, Dilman Dila, Minister Faust, Helen Oyeyemi, Colson Whitehead und Nnedi Okorafor. Nicht alle der genannten Autoren sind übrigens US-Amerikaner, was nichts anderes bedeutet, als dass Afrofuturismus längst zu einer globalen Bewegung geworden ist. Ebenfalls interessant dürfte die Tatsache sein, dass nicht alle der genannten Autoren sich selbst als Afrofuturisten sehen dürften. So verfasste etwa Colson Whitehead mit The Underground Railroad (2016, dt. Underground Railroad) einen Roman, der sich auf phantastisch verfremdende Weise mit der Rettung und der Flucht schwarzer Sklaven und Sklavinnen in der Zeit vor dem Bürgerkrieg auseinandersetzt, was sicher als wichtiges Thema des Afrofuturismus bezeichnet werden kann. Doch als Mainstream-Autor, der sehr unterschiedliche Texte produziert, werden seine Romane selten diesem Genre zugordnet. Ohnehin sollte man sicherlich eine zu enge Genreeinordnung mit Vorsicht genießen.

      Wie dem auch sei – auch einige Anthologien versammeln Erzählungen von ausschließlich afrikanischstämmigen Autoren, die zumindest zu einem großen Teil thematisch als Afrofuturismus gelten können. Herausragend sind hierbei Dark Matters (Hrsg. Sheree R. Thomas), Mothership (Hrsg. Bill Campbell und Edward Austin Hall), New Suns (Hrsg. Nisi Shawl) sowie die Ausgabe 42/1-2 der Zeitschrift Obsidian, die sich mit »Speculating Futures: Black Imagination & the Arts« beschäftigt.

      Sehr gute Einblicke in die Geschichte und viele andere Aspekte des Afrofuturismus bieten die Sachbücher Afrofuturism von Ytasha L. Womack, Afrofuturism 2.0, herausgegeben von Reynaldo Anderson und Charles E. Jones und Afrofuturism Rising von Isiah Lavernder III. Mit der faszinierenden Geschichte schwarzen Nationalismus, schwarzer und afrikanischer Utopien und des Afrofuturismus befasst sich Black Utopia von Alex Zamalin.

      Dass Afrofuturismus kein rein literarisches Phänomen darstellt, zeigen die Werke zahlreicher Musiker*innen, deren wohl frühester und bekanntester Vertreter der Jazz-/Funk-/Experimentalmusiker Sun Ra (vermutlich 1914–1993) sein dürfte. Sun Ra, der sich selbst als Vertreter einer Alienspezies inszenierte, vermengte in seiner Musik, die er mit dem ständig wechselnden bzw. sich erweiternden Ensembles seines Arkestras erschuf, afrikanische (oft ägyptische) Ästhetik und Mystik, Sozialkritik, schrägen Humor und SF-Themen. In dem bizarren Film Space is the Place von John Coney aus dem Jahr 1974 stellt Sun Ra sich und seine Welt auf ungewöhnliche und sicherlich gewöhnungsbedürftige Art dar.

      Andere Musiker*innen, die als Vorläufer*innen oder »echte« Vertreter*innen des Afrofuturismus gelten können, sind Parliament/Funkadelic, Jonzun Crew, Deltron 3030, George Clinton, Grace Jones, Poly Styrene sowie – vielleicht mit Einschränkungen – Rihanna, Missy Elliot und sogar Michael Jackson mit seinem »Moonwalk«. Und dass Jimi Hendrix ein großer SF-Fan war, kann man anhand vieler entsprechender Songtexte nachvollziehen. Die wohl wichtigste und bekannteste heutige Vertreterin des musikalischen Afrofuturismus ist mit Sicherheit Janelle Monáe, die auf ihren Alben Metropolis, The ArchAndroid, The Electric Lady und Dirty Computer immer wieder Themen der SF behandelt. Dabei beschäftigt sich Monáe auf verfremdende Weise besonders mit ihrer eigenen Rolle als schwarze, queere Frau in einer von weißen Männern dominierten Welt. Vor allem in einigen ihrer Videos verwendet sie afrikanische und afroamerikanische Symbolik und stellt sie inhumaner moderner Technik und der von Kapitalismus beherrschten, westlich geprägten Gesellschaft gegenüber.

      Ähnliche Ansätze liefern Filme wie John Sayles’ »ernste« Komödie The Brother from Another Planet (dt. Der Typ vom anderen Stern) von 1984, in der ein stummer Schwarzer, der in Wirklichkeit Angehöriger einer Alienspezies ist, in Harlem landet und sich in unserer Welt durchschlagen muss. Ebenfalls bemerkenswert und weitaus düsterer ist Get Out (dt. Get Out) von Jordan Peele aus dem Jahr 2017. Hier gerät ein Schwarzer an eine scheinbar aufgeklärte, tatsächlich jedoch zutiefst rassistische weiße Gesellschaft, die ihn im wahrsten Sinne des Wortes seiner Identität berauben will.

      In der bildenden Kunst werden manchmal die Werke von Jean-Michel Basquiat (1960–1988) – der vielleicht erste schwarze Künstler, der in der weiß dominierten Kunstwelt den Durchbruch schaffte – als frühe Beispiele für Afrofuturismus angesehen. Dies mag daran liegen, dass er in seinen Bildern teilweise afrikanische Volkskunst mit den verschiedensten Techniken und Themen der modernen Welt verband. Wie so oft sollte man aber vorsichtig damit sein, Künstler für bestimmte Bewegungen zu vereinnahmen. Im Falle von Basquiat bedeutet aufgrund seiner immensen Vielseitigkeit und der nicht minder großen Vielfalt seiner Werke eine derartige Vereinnahmung eine große Versuchung. Andere heutige bildende Künstler, die oft in die Nähe des Afrofuturismus gerückt werden, sind beispielsweise der Graffitikünstler und Rapper Rammellzee, der Fotograf Renée Cox und die experimentierfreudige Wangechi Mutu, die mit Rauminstallationen und Collagen bekannt wurde.

      Manchmal werden Werke afrikanischer Autoren und Künstler, die zur SF oder auch zur Phantastik gezählt werden können, automatisch dem Afrofuturismus zugeschlagen. Dies ist in manchen Fällen sicher nicht falsch, jedoch sollte man bedenken, dass afrikanische Literaturen und Kunstformen eigenständige Traditionen haben und die Lebenswirklichkeiten ihrer Vertreter*innen nicht mit denen von Menschen mit afrikanischem Hintergrund gleichzusetzen sind, die ihren Lebensmittelpunkt in westlich geprägten Ländern haben. Dennoch konzentrieren sich viele Afrikaner*innen, die auf dem Kontinent oder in der Diaspora leben, auf zumindest dem Afrofuturismus »verwandte« Themen, wurden und werden sie doch mit ähnlichen historischen und gegenwärtigen Problemen wie Afroamerikaner*innen konfrontiert. Dazu zählen etwa versteckter und offener Rassismus, die Folgen der Kolonialherrschaft durch die Europäer sowie moderne Formen der Abhängigkeit durch nichtafrikanische Mächte, aber auch das afrikanische kulturelle Erbe und alternative Zukunftsmodelle.

      Im Grunde erscheint es mir nicht allzu wichtig, den Begriff »Afrofuturismus« aufs Genaueste auszuloten und zu ergründen. Obwohl sicherlich einige »typische« Motive und Stilmittel zu finden sind, die seine eigenständige Ästhetik und seine thematische Brisanz ausmachen, handelt es sich um ein kulturelles und gesellschaftspolitisches Phänomen, das sich einer allzu strikten Einordnung oder gar einer genauen Definition entzieht. Das soll allerdings nicht heißen, dass Diskussionen und wissenschaftliche Arbeiten zu dem Thema zu nichts führen – gerade sie sind wichtig, um die historisch gewachsenen gesellschaftlichen und politischen Hintergründe sowie die künstlerischen Ausformungen des Afrofuturismus besser verstehen zu können.

      Abgesehen davon lohnt sich natürlich gerade für an SF und Phantastik interessierte Menschen die Beschäftigung mit den Werken des Afrofuturismus, bieten sie doch sehr oft ungewohnte und bereichernde Sichtweisen auf unsere Welt.

      [1] Ich benutze diesen oft als problematisch empfundenen Begriff, da er auch von Afroamerikanern selbst verwendet wird.

      [2] In der Anthologie Dark Matter, herausgegeben von Sheree R. Thomas, 2000.

      Hardy Kettlitz

      KAPSEL: Chinesische Science Fiction

      Interview mit Lukas Dubro (Herausgeber) und Felix Meyer zu Venne (Chefredakteur)

      KAPSEL

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