Das Science Fiction Jahr 2020. Группа авторов

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Das Science Fiction Jahr 2020 - Группа авторов

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schreiben lassen. Anna Wu und Baoshu sind dabei! Und aus Deutschland Anja Kümmel und Tim Holland. Wir brauchen dringend alternative Zukunftsentwürfe, und das nicht erst seit heute!

      Lena Richter

      Queer denken.

      Erzählstrukturen und Weltenbau aus queerfeministischer Perspektive

      Inhaltliche Hinweise: Dieser Artikel behandelt und thematisiert systemische Ungleichbehandlung, Leiden queerer Menschen, Cis-Sexismus, Misogynie, Ableismus (bezogen auf Neurodiversität) und beschreibt Body-Horror-Aspekte eines Computerspiels.

      In der Diskussion um queere Geschichten geht es oft um Repräsentation und Diversität der Figuren. Doch Repräsentation ist nur ein Aspekt des Strebens nach queeren Erzählungen; der Wunsch nach diversen Figuren ist wichtig, bewegt sich aber nur an der Oberfläche. Auf der Suche nach queerfeministischen Perspektiven müssen wir tiefer blicken.

      Zuerst möchte ich kurz die in diesem Beitrag verwendeten Begriffe erläutern. Ich wähle hier queer als Oberbegriff statt LGBTQ oder ähnliche Abkürzungen, weil die konkrete Benennung von queeren Identitäten durch die Buchstabenfolge nicht alle Personengruppen umfasst und dadurch ausschließend wirken kann. Queer meint hier alle Menschen, die bezüglich Geschlechterrollen, sexueller Orientierung oder ähnlichem auf irgendeine Weise von der deklarierten Norm unserer Gesellschaft abweichen. Die Betrachtungen in diesem Essay sind außerdem queerfeministisch. Damit ist gemeint, dass es einerseits darum geht, heteronormative Sichtweisen und die binären Kategorien von männlich und weiblich aufzubrechen, aber eben auch darum, die Ungleichbehandlung von weiblich gelesenen Personen zu kritisieren. Auf den Begriff der Heteronormativität gehe ich später noch ausführlich ein.

      Queere Repräsentation, das sei noch einmal bekräftigt, ist ein wichtiger Aspekt, denn noch immer ist es in der Phantastik nicht selbstverständlich, dass z. B. homo-, bi- und pansexuelle Figuren, trans und nicht-binäre Figuren, asexuelle und aromantische Figuren als Protagonist*innen, Antagonist*innen oder zumindest Nebenfiguren vorkommen und hierbei angemessen repräsentiert statt auf ihre Sexualität oder Genderrolle reduziert werden. Auch werden Bücher, Filme oder Serien mit queeren Inhalten oft noch in eine Nische geschoben, und es wird angenommen, dass nur queere Menschen ein Interesse an ihnen haben, während Geschichten, in denen nur cis-heterosexuelle Beziehungen vorkommen, als normal und für alle gemacht gelten. Dennoch geht die Diskussion bei Weitem nicht tief genug, wenn wir nur über die Figuren einer Erzählung sprechen. Um wahrhaft Geschichten zu erzählen, die geeignet sind, die Strukturen der Gesellschaft aufzubrechen, müssen wir umgekehrt erst einmal verstehen, wie diese Strukturen unsere Erzählungen seit Jahrhunderten beeinflussen. Dieser Einfluss erstreckt sich bis in die Grundlagen unserer Erzähltraditionen und der fiktiven Welten, die wir erschaffen.

      Was uns die Heldenreise lehrt

      Deutlich wird dies beispielsweise bei der Heldenreise nach Campbell. Diese diente zahllosen Büchern, Filmen und Serien als Schablone und ist immer noch als Erfolgsrezept bekannt, nach dem Geschichten funktionieren. Aber auch darüber hinaus wird sie in Selbsthilfebüchern und Coachings verwendet. Der Protagonist der Heldenreise hört den Ruf des Abenteuers, folgt ihm nach erster Verweigerung, besteht Gefahren und Prüfungen und stellt sich schließlich dem Endgegner, der größten Gefahr, ehe er transformiert und mit Schätzen oder Belohnungen versehen, den Weg zurück in sein altes Leben antritt, wo Anerkennung und oft auch Liebe auf ihn warten. Dieser Monomythos ist Grundlage unendlich vieler Geschichten. Damit trifft er gleichzeitig eine Aussage darüber, was von der Mehrheitsgesellschaft als Grundlage von Geschichten angesehen wird und was nicht. Immer wieder wird argumentiert, jede Geschichte ließe sich auf wenige kurze Grundformeln herunterbrechen und eigentlich sei alles schon einmal erzählt worden. Doch dies sagt lediglich aus, dass jene bestimmten Grundformeln gesellschaftlich etabliert sind und als die Norm angesehen werden. Wie jede andere Norm ist auch diese geprägt von den Grundpfeilern unserer Gesellschaft, zu denen Patriarchat und Heteronormativität ebenso gehören wie kapitalistisches und oft auch noch kolonialistisches Denken. Welche Werke Einzug in den Literaturkanon und die immer neu aufgelegte Reihe der Klassiker gefunden haben, hing schon immer davon ab, welche Personen die Macht hatten, darüber zu entscheiden, und es gab seit der Erfindung der Druckerpresse niemals eine Zeit, in der das nicht beinahe ausschließlich weiße, wohlhabende, heterosexuelle cis-Männer waren. Wenn wir also von der Heldenreise als Monomythos sprechen, müssen wir zumindest in Betracht ziehen, das andere Erzählstrukturen auch in der Vergangenheit existiert haben und lediglich nicht ausreichend verbreitet und archiviert wurden, um sie heute noch zu kennen.

      Doch zurück zur Heldenreise. Dieser soll zuallererst nicht ihre Funktion und Wirkungsweise abgesprochen werden, die selbstverständlich als Grundlage einer spannenden Erzählung ihren Wert hat und nicht umsonst bis heute immer wieder reproduziert wird. Dennoch kommen wir an einer kritischen Betrachtung des Monomythos nicht vorbei, wenn es darum geht, aufzuzeigen, wie Heteronormativität Grundlage unserer Geschichten ist. In ihrem Artikel I Don’t Want to Be the Strong Female Lead in der NEW YORK TIMES machte die Filmemacherin Brit Marling eine bemerkenswerte Aussage über die Heldenreise. »Manchmal habe ich das Gefühl, sie greifen zu können. Eine wahrhaft freie Frau. Aber wenn ich versuche, sie in die Heldenreise zu pressen, dann weicht sie aus dem Bild wie eine Fata Morgana. Sie sagt mir: ›Brit, die Heldenreise besteht aus jahrhundertelang erzählten Präzedenzfällen, geschrieben von Männern, die andere Männer mythologisieren. Ihr Muster ist ein aufstachelndes Ereignis, gefolgt von steigender Spannung, einem explosiven Höhepunkt und Auflösung. Woran erinnert dich das?‹ Und ich sage, an einen männlichen Orgasmus.« Marling kommt in dem Artikel zu dem Schluss, dass neue Geschichten nicht erzählt werden können, wenn man lediglich den Helden in der Heldenreise durch eine Heldin austauscht, durch die oft angepriesene starke Frau, die sich genauso verhält wie ihr männliches Gegenstück. Solange die Eigenschaften, die unsere Gesellschaft in ihrem binären Geschlechterdenken als weiblich ansieht (siehe hierzu auch den Artikel von Judith Vogt in diesem Buch), nicht als solche angesehen werden, die zur Lösung von Problemen beitragen können, ist es unerheblich, welche Art von Figur die Heldenreise durchläuft. Diese ist schon in sich die geschichtengewordene Zementierung von patriarchalen, kapitalistischen und heteronormativen Strukturen.

      Obwohl der Schwerpunkt dieses Artikels auf der Heteronormativität liegt, soll kurz auch auf die anderen Bereiche eingegangen werden. Beispielsweise fungiert in vielen Geschichten, die der Heldenreise folgen, die sexuell-romantische Beziehung zu einer Frau als Belohnung und Anreiz für den männlichen Protagonisten. Oft muss der Protagonist sich erst beweisen, seinen Wert zeigen, Ruhm oder Schätze erlangen oder sich in bewaffneten Auseinandersetzungen als der Stärkere erweisen, ehe sein Interesse von der Frau erwidert wird. Damit fördert die Heldenreise das patriarchalische Anspruchsdenken, das Recht des Helden auf die ihn liebende Frau. Kapitalistisch geprägt ist hingegen die Vorstellung, dass kein klassischer Held von seiner Heldenreise ärmer zurückkehrt als er aufgebrochen ist. Sei es Gold, das magische Schwert, das eigene Raumschiff oder gleich der Anspruch auf den Thron – die Reise muss sich am Ende gelohnt haben. Selbst wenn der Held gutherzig ist und anderen ohne das Versprechen einer Gegenleistung hilft, so erhält er diese am Ende doch. Nicht von ungefähr wird die Heldenreise auch in jenen Geschichten verankert, die in der Realität spielen – der American Dream, der verspricht, dass es jeder vom Tellerwäscher zum Millionär schaffen kann, ist nichts anderes als das. Dadurch wird der einzelnen Person das Heldentum und die Verantwortung für ihr eigenes Schicksal aufgebürdet und jegliche strukturelle Benachteiligung ausgeblendet.

      Wie sich Heteronormativität in Erzählungen zeigt

      Heteronormativität ist ein Begriff aus der Queer Theory, der bezeichnet, dass Heterosexualität und binäre Geschlechtszuordnung als soziale Norm angenommen wird. Daraus folgt, dass heterosexuelle Personen die privilegierte Stellung genießen, dass die Gesellschaft mit ihren Gesetzen, Gepflogenheiten und eben auch ihren Geschichten auf sie zugeschnitten ist. Ein Beispiel hierfür ist die immer noch präsente Benachteiligung und Diskriminierung von queeren Familienmodellen, in denen beispielsweise ein Elternteil

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