Das Science Fiction Jahr 2020. Группа авторов

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Das Science Fiction Jahr 2020 - Группа авторов

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Breitenwirkung zu erreichen, das blieb einer anderen Schriftstellerin vorbehalten, die in den USA stets zu den bedeutendsten Autorinnen der Gegenwart gezählt wurde – und nicht nur der Science Fiction: Ursula K. Le Guin. Ihr umfangreiches Werk, das in deutscher Übersetzung nur sehr bedingt erschlossen wurde, umfasst Lyrik, realistische Geschichten, literatur- und kulturkritische Schriften, Kinder- und Jugendbücher, aber ihre bedeutendsten Leistungen liegen auf dem Gebiet der Science Fiction und Fantasy, wo sie sich als Vordenkerin in mancherlei Hinsicht erwies – so rückte sie etwa in ihrem Kurzroman The Word for World is Forest (1972, deutsch: Das Wort für Welt ist Wald) Ökologie und Umweltschutz in den Mittelpunkt, lange bevor eine breite Öffentlichkeit für die Thematik sensibilisiert war.

      Nach Hortense Calisher, aber noch vor Joanna Russ setzte sie sich mit Feminismus und Gender-Thematiken auseinander; dies am eindrucksvollsten in dem 1969 veröffentlichten Roman The Left Hand of Darkness (deutsch Winterplanet, später Die linke Hand der Dunkelheit), einem mehrfach preisgekrönten Best- und Dauerseller, der sie als eine der wichtigsten Stimmen des Genres etablierte.

      Der Roman erzählt die Geschichte von Genly Ai, der als Abgesandter der Ökumene (einer Föderation von Planeten) mit dem Auftrag zu dem Planeten Gethen geschickt wird, dessen Nationen für einen Beitritt zu der Föderation zu begeistern. Es ist aber von Anfang an klar, dass er die dortige Kultur nicht versteht. Die Gether sind ambisexuell, was bedeutet, sie kennen kein festgelegtes Geschlecht. Nur einmal im Jahr erleben sie eine Art Paarungszeit, in der sich dann entscheidet, welches Geschlecht der jeweilige Partner annimmt. Ai, der »auf Mann geeicht« ist und nur sein männliches Rollenverhalten kennt, fühlt sich recht unbehaglich in dieser Gesellschaft, besonders in Gegenwart des Gethers Estraven, mit dem er eine lange Reise unternehmen muss. Er nimmt Extraven als Mann wahr und stört sich an dessen Verhalten, das er häufig als »weibisch« empfindet, rückt jedoch im Lauf der gemeinsamen Flucht zunehmend von seinem männlichen Standpunkt ab und geht offener und entspannter mit der sexuellen Ambivalenz um.

      Der Roman geht in weiten Teilen der Frage nach, inwieweit Sexualität und Geschlecht Einfluss auf die Gesellschaft haben, wobei Le Guin besonders die Androgynität der Gether nutzt, um die Beziehungen zwischen den Geschlechtern in irdischen Sozialsystemen zu analysieren. (Genly Ai, der sein Geschlecht nicht wechseln kann, sondern immer männlich ist, gilt den Gethern als Irrtum der Natur und »Perverser«, eine ironische Umkehr unserer Gesellschaft, in der sexuelle Ambivalenz und Inkohärenz häufig noch mit Vorurteilen befrachtet sind.)

      Neben The Left Hand of Darkness ist Ursula K. Le Guins Roman The Dispossessed (1974, deutsch unter den Titeln Planet der Habenichtse, Die Enteigneten und zuletzt Freie Geister erschienen) ihr eigentliches Hauptwerk und bis heute bekanntestes und berühmtestes Buch. Der Roman, die letzte große Sozialutopie des zwanzigsten Jahrhunderts, wägt am Beispiel des Planeten Urras und seines Trabanten Anarres die politischen Systeme Kapitalismus und Anarchismus gegeneinander ab. Die Beziehungen zwischen den Geschlechtern spielen hier nur eine untergeordnete Rolle insofern, als man sich im anarchistischen System von Anarres sehr viel mehr um die Gleichstellung der Frau bemüht als in dem des kapitalistischen und deutlich patriarchalischen Staates A-Jo, einer der beiden Supermächte des Planeten Urras.

      Der Roman erlangte weit über die Grenzen der Science Fiction hinaus Berühmtheit, und viele Kritiker haben Le Guin vorgeworfen, dass sie danach keinen weiteren so kühnen utopischen Entwurf mehr vorgelegt hat. Diese teils recht schroff formulierte Kritik greift indessen zu kurz und zeugt im günstigsten Fall von einer unzureichenden Beschäftigung mit dem späteren Werk der Autorin. Dass sie keinen weiteren derart gewichtigen Science-Fiction-Roman mehr veröffentlicht hat, mag man so sehen, obwohl spätere Romane wie das sehr umfangreiche Always Coming Home (1985) oder The Telling (2000) durchaus lesenswert sind. Unberücksichtigt bleibt bei dieser Kritik aber das umfangreiche Kurzgeschichtenwerk, das die Autorin danach vorgelegt hat.

      Le Guin gab ihrem Roman The Dispossessed den Untertitel »An Ambigous Utopia«, was man mit »eine ambivalente« oder »eine fragwürdige« Utopie eindeutschen könnte. Man kann diesen Untertitel einerseits auf den Inhalt des Romans beziehen, denn obwohl die Verfasserin das anarchistische System favorisiert (das bei ihr allerdings einige durchaus verklärende romantische Züge trägt), äußert sie Bedenken an der realen Umsetzung beider Systeme, die in der Theorie gut und schön sein mögen, in der Praxis jedoch nicht immer funktionieren. (Diese Zweifel, als kurze Abschweifung, kannten die klassischen utopischen Entwürfe wie etwa Thomas Morus’ Utopia oder Campanallas Civitas Solis nicht – für deren Verfasser waren die von ihnen entworfenen Staatengebilde stets das von allen anerkannte Ideal; erst H. G. Wells trug 1905 in seinem Buch A Modern Utopia, einer Mischung aus essayistischer Abhandlung und romanhafter Spielhandlung, der Tatsache Rechnung, dass es in jedem politischen System, ganz gleich, wie ideal es in der Theorie entworfen wurde, Zweifler und Gegner nicht nur geben wird, sondern zwangsläufig geben muss). Letztendlich mögen Le Guins Zweifel aber auch aus der Erkenntnis herrühren, dass – wie in der Realität des Planeten Erde zu sehen – »ideale« politische Systeme auf gesellschaftlicher Ebene in der Praxis nur schwer zu realisieren sind.

      Stattdessen legte Ursula K. Le Guin nach The Dispossessed, wie schon erwähnt, ein umfangreiches Kurzgeschichtenwerk vor, und in diesen Geschichten erforschte sie viele kleine, private Mikrokosmen, wie etwa in »Unchosen Love« (1994), worin eine Ehe zwischen vier Personen geschildert wird, oder »Solitude« (1994) über eine Gemeinschaft, in der Männer und Frauen streng getrennt leben. In »Mountain Ways« (1996) kehrt die Autorin an den Schauplatz von »Unchosen Love« zurück, den Planeten O; in dieser Story können zwei Frauen, die sich lieben, erst eine Viererehe eingehen, als eine sich als Mann verkleidet – vielleicht auch ein Kommentar zu Scheinheiligkeit und Doppelmoral, die auch in unserer vorgeblich so »aufgeklärten« Gesellschaft heute noch existieren. Alle drei Geschichten finden sich übrigens in dem Sammelband The Birthday of the World and Other Stories (2002).

      Gerade in diesen späteren Kurzgeschichten sehen wir die Autorin, allen kritischen Stimmen zum Trotz, in Bestform. Sie präsentiert eine Vielzahl möglicher Zukunftsentwürfe, die zeigen, dass die Vielfalt menschlichen (Zusammen)Lebens keine Grenzen kennt … und die große, ersehnte gesellschaftliche Utopie eines friedlichen Zusammenlebens gleich welcher Hautfarbe oder sexuellen Orientierung erst dann – und nur dann – möglich sein wird, wenn jeder Einzelne seine eigene, private Utopie lebt und andere leben lässt.

      Der Sänger Udo Lindenberg übrigens, sah sich – abschließend – schon deutlich früher veranlasst, einen Kommentar zu den sozialen, politischen und vor allem sexuellen Umwälzungen der Zeit abzugeben – im Gegensatz zu seinem Kollegen Grönemeyer allerdings deutlich entspannter. Er nahm keinen Anstoß an David Bowie, »der seinen Gitarristen auf der Bühne küsst«, sondern

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