Im freien Feld. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Im freien Feld - Группа авторов страница 5

Im freien Feld - Группа авторов

Скачать книгу

sie fort waren, fehlten sie den andern Vögeln sehr, und die, denen das Vorgehen des kleinen Seetauchers vorher Spaß gemacht hatte, schalten ihn jetzt wegen seiner Unverschämtheit aus.

      Der Junge ging wieder dem Lande zu. Hier angekommen hielt er bei den Strandläufern an und schaute ihrem Spiel zu. Sie standen in einer langen Reihe am Strand und sahen wie winzige Kraniche aus; wie diese hatten sie auch kleine Körper, hohe Beine, lange Hälse und leichte, schwebende Bewegungen, aber sie waren nicht grau, sondern braun. Da standen sie in einer langen Reihe an dem von den Wellen bespülten Uferrand. Sobald eine Woge daherrauschte, sprang die ganze Reihe rückwärts, wenn die Welle aber wieder zurückwich, liefen sie ihr nach. Und so ging es stundenlang fort.

      August Strindberg (1849–1912)

      An einem Sommerabend ging der Lehrer mit Johannes durch den Klee und hörte ein Geräusch, es klang in etwa wie crex crex. – Was ist das? fragte der Lehrer. – Der Wachtelkönig, natürlich. – Hast du den Wachtelkönig schon gesehen? – Nee. – Kennst du jemanden, der ihn gesehen hat? – Nee. – Woher weißt du denn, daß er es ist? – Man sagt es! – Siehst du! Wenn ich nun aber einen Stein werfe, fliegt er dann auf? – Nein, er kann nicht fliegen bzw. nur sehr schlecht. – Im Herbst fliegt er aber nach Italien; wie macht er denn das? – Weiß ich nicht. – Was sagen die Zoologen? – Nichts. – Glauben die, er fliegt über den Öresund, geht durch Deutschland, marschiert über die Alpen oder durch den Sankt Gotthard Tunnel? – Sie sagen nichts. – Na, schön; Brehm rechnet auf jedem Morgen Acker oder Wiese mit ein paar Lerchen; wenn wir nun auf jedem Hektar mit ein paar Wachtelkönigen rechnen, hat unser Land im Frühling fünf Millionen Wachtelkönige, und nachdem sie im Sommer sieben bis zwölf Eier legen, gibt es im Herbst hierzulande fünfunddreißig Millionen Wachtelkönige. Würde man die nicht sehen, wenn sie über den Öresund fliegen oder marschieren? – Kann’s nicht erklären. – Ein schlechter Flieger kommt nicht über den Öresund; möglicherweise läuft er um den Bottnischen Meerbusen herum? – Nein, dann müßte er Flüsse durchqueren, und der Vogelzug wäre so sichtbar wie die Lemminge. Außerdem gibt es in England jeden Herbst siebzig Millionen Wachtelkönige, die können nicht herumrennen. – Dann geschieht doch ein Wunder? – Was ist ein Wunder? – Was man nicht erklären kann, und zu leugnen kein Recht hat. – Dann ist der Flug des Wachtelkönigs ein Wunder und muß nach unbekannten Naturgesetzen vor sich gehen, oder übernatürlich sein.

      Brigitte Kronauer (1940–2019)

      Nachtigallen (»Mund der Nacht«, »Wald-Ton«), Finken, Lerchen tirilierten und flöteten aus Waldinnerem und Moosgrund. »Wir kommen, wir kommen!« Die Sophie preßte beide Hände auf ihr Herz und schloß die Augen. An so viel Vorfreude kam keiner heran. Wie schwarz, wie weich, wie sie glänzte an der Oberfläche. Statt des Mahls im Wintergarten spendierte Zara mir diesmal Leo, statt der Schuhsammlung die Vögel! Und wirklich: Ähnlich den tollen Pumps und Sandaletten in Velours und Seide, mit Schuppen beklebt, funkengleich, stoben sie, als wir den beinahe leeren Raum betraten, davon, in das Grün ihrer Gebüsche und das Wurzelwerk hinter der gläsernen Außenwand. Nein, dort waren sie die ganze Zeit über, die Glasbarriere hielt sie ja auf. Sie sahen von draußen in den Raum, aus ihren Verstecken hervor, in diesen Salon, in dem wir uns zusammen mit einer Kollektion von Samtsesselchen in den Farben von Kapuzinerkressen, befanden. Zwischen uns und dem Garten also die Vögel in ihrem durchsichtigen Tunnel. Es mußte irgendwo aber Öffnungen geben, weil ihre Stimmen so quinkilierend um uns herum waren. Auch ein Zischen und Plustern, es dröhnte ja wie vergrößert durch einen Trick an mein Ohr, wohl nur, weil es so viele waren.

      »Rote Tangare«, sagte der Ingenieur, griff meinen Arm und zog mich vor ein rot-schwarzes Feuergeschöpfchen mit weißem Fleck rechts und links vom Schnabel. »Ich habe ihn im Südosten von Brasilien in freier Natur gesehen. Da flatterte er plötzlich. Das ist, mit Verlaub, noch aufregender als hier, zwischen, na, was wird es sein, Ginster, Birke, Hagebutte usw.« Das Tierchen ruckte mit dem Kopf, die Iris umrundete so rot wie das Gefieder seine große Pupille. Es sah mich mit dem einen Auge an, dann mit dem anderen, öffnete den Schnabel zu einer blanken Silbe, blieb jedoch lautlos. »Dort, die gelben, die Webervögel, die gibts in Tansania in Massen, machten immer viel Lärm.« Der Ingenieur verströmte warm brummend in gemäßigter Eitelkeit sein Wissen. Zara aber, vom Braun und Gold ihres Satinkleides umschlossen, lehnte an der Volierenwand und wurde auf einmal selbst ein schlanker Webervogel mit schimmernden Rundungen. Beim ersten Besuch war sie, für ein paar Stunden, in der Mauser, dachte ich, aber offengestanden dachte ich nicht viel, sah auch das meiste nicht richtig an. Ich hörte zwar: »Ach, der rote Kardinal, ein Edel-, ein Karfunkelstein, ein Juwel, ah, ah, ein wunderbarer Sänger, die virginische Nachtigall!« Das war Frau Korf. »Ehemalige Tierpflegerin. Auch in diesem Punkt assistiert sie Zara«, sagte Leo leise hinter mir, und ohne das kostbare Exemplar mit dem wütend zu Berge stehenden Schopf zu beachten und ohne zu erkennen, ob er in dem Stimmengewirr jubilierend oder lamentierend einen piependen Beitrag leistete, herrjeh, lehnte ich um zwei Zentimeter höchstens heimlich den Kopf nach hinten und horchte der mir zugesenkten Stimme nach, dieser verhaltenen, zögernden, ihre Kraft nicht verausgabenden, die jetzt schwieg. Der Mund aber blieb atmend in meiner Nähe, ich schloß die Augen, schwirr, für mich, für mich, mehr war nicht erlaubt: zwei weitere Frauen im Raum!

      »Im Dschungel, in den Urwäldern Südamerikas«, strömte und rollte der Ingenieur gegen die zuckenden, wispernden Laute an. »Ah, der Indigofink!« Sophie ging vor der Glaswand in die Knie und reckte sich dann wieder bis zum Äußersten, weil sie um jeden Preis die sein wollte, die mit den Vögeln zu sprechen verstand, stieß unentwegt Töne aus und ließ dabei ihre Zunge sehen. »Animalische Schauer«, bemerkte Leo mit leisem Lachen an meinem Nacken, ein sehr kleines Stolpern in seiner Stimme, ein Hüpfer, ein Schnauben, kaum hörbarer Seufzer, kein vorgeschriebenes Wort. Vielleicht wurde es so nur von ihm hervorgebracht, auf der gesamten restlichen Welt nie wieder, es kam mir vor, als sähe ich bei diesem kurzen Geräusch aus seiner Kehle zwischen zwei bekannten, von allen benutzten Wörtern einen Schnitt in seiner bleichen Haut, als eine Art Vertrauensbeweis einen messerschmalen blutigen Riß.

      Im Braun mit goldenen Glanzlichtern saß Zara auf dunkelrotem Samt. Sie hatte uns alle im Blick, besonders die auf- und niederwogende Sophie, die schnäbelte und schnalzte, jedes einzelne der grün-gelben, gold-violetten, grün aufflatternden Vögelchen anrief und beschwor, mit Kosenamen pries und sich zwischendurch die eigenen Brüste drückte in hohem Entzücken. Tief hinunter war ihre Haut ohne Absätze gebräunt. Wie ein Federtierchen hielt Zara jetzt einen ihrer Pumps in der Hand, streichelte darüber, bevor sie ihn zurück an den wippenden Fuß steckte. Wollte sie mit diesem Intermezzo das Geturtel der fanatischen Gehilfin äffen? Zara: »Die Vögel haben häßliche Füße, die Schuhe können nicht fliegen.« Der Ingenieur machte unterdessen Vorschläge zur Steigerung der Urwaldillusion, eine Sache auch der raffinierten Beleuchtung! Den Vögeln würde es behagen und zugute kommen. Er schleppte einen Sessel für Sophie heran, der Wichtige, in zimtfarbenem Überzug. Verblüfft nahm sie in ihrer Schwärze darauf Platz. Nun war sie zusammen mit dem Möbelstück ein einziger Riesentukan oder weiß der Teufel was. Damit hatte ich für eine Weile der Gesellschaft und Gemeinschaft der schwätzenden, pfeifenden Vögel – Töne wie gefärbt, wie gelbe, grüne Inselgruppen im Zimmer stehend und zerberstend, wir alle wurden kaleidoskopartig durcheinandergewirbelt, standen, Muster bildend, still und trennten uns als bunte Partikel – genug Aufmerksamkeit gewidmet. Ich sah noch, daß der Abenteurer sich beim Erklären recht tief über Sophies Ausschnitt beugte und die den Oberkörper aufbäumend zurückwarf in empörter oder begeisterter Erwiderung. Die Zeichen: nicht eindeutig, aber großartig.

      »Ich will Ihnen«, murmelte Leo hinter mir, niemand konnte mir vorwerfen, ich würde den Blick nicht von ihm wenden, ich bewegte mich nicht, blickte geradeaus in die Volieren mit den zuckenden Federleibchen, den Farbtupfern und Gesangsmeistern, »ich will Ihnen, auch wenn ich diese Tierhalterei eigentlich verabscheue, warum bleibt sie nicht bei ihren Schuhen und Büchern« – ich gab vor, animiert in die Käfige zu schauen – »Ich will Ihnen« fing Leo wieder an, machte eine

Скачать книгу