Im freien Feld. Группа авторов
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Er führte mich zu einem Vogel, grün glänzend, als läge Abendsonne auf seinen Federn, und dort, wo sein Gesicht gegen den Körper abgegrenzt war, lief ein goldener Schein herum, stand dort wie zwischen dem grünen Gartenabend und schwarzer Nacht, denn Gesicht, Augen, Schnabel prangten in Sophienschwarz. Nur unterhalb des Schnabels rahmten ihn zwei Indigoflecken, am Flügelansatz blitzte Türkis, als trüge er unter den Flügeln ein noch imposanteres Kleid. Den langen spitzen Schnabel preßte er zusammen. »Himalaja. Ein Goldstirnblattvogel.« Zwei kleine braune Kollegen einer anderen Sorte flitzten vorbei. »Singt sehr schön.« – »Ziküth, ziküth«, flüsterte ich ihm vor, »idudidu«. Der Vogel drehte so abrupt den Kopf von mir weg, daß ich mich vor Leo schämte wegen meiner Ungeschicklichkeit. »Der andere Nachsprecher ist der Hirtenstar, Trauermainastar.« Dunkelbraunrosig saß er auf einem Ast und hielt ebenfalls das gelbe Schnäbelchen eisern geschlossen. Alle Vögel lärmten, nur diese beiden blieben feindselig stumm.
Sei Shōnagon (um 966–1025)
Der Kakadu ist zwar ein Vogel aus dem fernen Ausland, aber sehr interessant. Er soll nämlich nachsprechen können, was wir Menschen sagen.
Nachtigall, Ralle, Schnepfe, Lachmöwe, Zeisig, Schnäpper.
Wenn ein Fasan auf Partnersuche geht, genügt es angeblich, ihm einen Spiegel vorzuhalten. Eine solche Einfalt ist wirklich rührend! Mir tun die Fasanen schon leid, wenn Männchen und Weibchen einmal durch ein Tal voneinander getrennt sind.
Der Kranich ist von imposanter Gestalt, und sein Ruf soll bis zu den Wolken empordringen. Höchst eindrucksvoll!
Sperlinge mit rotem Kopf, Kernbeißermännchen, Zaunkönig.
Reiher sind kein schöner Anblick. Schon ihre Augen blicken so unheimlich drein, das macht sie mir unsympathisch. Aber schön ist das Gedicht von den streitenden Reihern im Walde Yurugi, die nicht partnerlos schlafen wollen.
Bei den Wasservögeln finde ich die Mandarinenten besonders ergreifend. Sie sollen einander im Schlafnest den Reif vom Gefieder streifen.
Regenpfeifer sind ausgesprochen niedlich.
Über den Buschsänger werden wunderschöne Gedichte verfasst. Sein Gesang ist ebenso nobel und hübsch wie sein Gefieder. Es ist jammerschade, dass man ihn im Kaiserpalast niemals singen hört. Als mir das einmal jemand sagte, dachte ich, das sei doch gar nicht möglich, aber während der ganzen zehn Jahre, in denen ich dort Dienst tat, habe ich seinen Ruf tatsächlich nicht ein einziges Mal vernommen, obwohl ich immer gut darauf achtgegeben habe. Wirklich! Dabei wäre der Rotpflaumenbaum nahe dem Bambus doch ein geeigneter Ort, zu dem der Buschsänger ohne Weiteres kommen könnte. Verlässt man den Palastbezirk, kann man ihn selbst in den kümmerlichsten Pflaumenbäumen bei ganz schäbigen Hütten bis zum Überdruss singen hören. Dass er nachts nicht singt, lässt auf Langschläferei schließen, ist aber leider nicht zu ändern.
Den Sommer hindurch und bis in den Spätherbst singt er mit heiserer Stimme; dann bezeichnen ihn die Leute aus dem niederen Volk mit anderen Namen, »Wurmfresser« zum Beispiel. Ich finde das bedauerlich und seltsam. Wenn es sich um gewöhnliche Vögel wie Spatzen handeln würde, hätte ich nicht viel dagegen einzuwenden. Aber weil der Buschsänger nur im Frühling schön singt, rühmt man ihn in Liedern und Gedichten mit poetischen Worten wie in dem Vers »Wenn das Jahr sich wendet«. Würde er ausschließlich zur Frühlingszeit singen, wie würde man ihn dann erst lieben! Würde man denn einen Menschen, der nach Verlust seiner Stellung in den Augen der Öffentlichkeit beginnt, an Ansehen einzubüßen, gleich derartig schmähen? Es gibt gewiss keinen Menschen auf der Welt, der sich nach Habichten oder Krähen umdrehen oder ihrem Geschrei lauschen möchte. Deshalb wünschte ich mir, der Buschsänger würde immerzu wunderbar singen, denn mit solch einer Geringschätzung kann ich mich einfach nicht abfinden.
Als ich den Wagen vor den Palästen Urin-In und Chisoktu-In halten ließ, um mir die Rückkehr der Schreinprinzessin anzusehen, schlug gerade eine Nachtigall an, die den Sommer wohl nicht erwarten konnte. Gleich darauf antwortete der Buschsänger, ihren Ruf geschickt imitierend. Es war wirklich faszinierend, beide Vögel in ihren hohen Bäumen gleichzeitig singen zu hören.
Wie schön die Nachtigall klingt, brauche ich nicht eigens zu betonen. Wenn sie schlägt, hört es sich immer so an, als sei sie sich ihrer Kunstfertigkeit durchaus bewusst. Sie hält sich bevorzugt zwischen Deutzien- und Mandarinenblüten auf, und es ist geradezu ärgerlich, wie gut es ihr dabei gelingt, sich zu verstecken. Wenn ich in den kurzen Nächten der Regenzeit wach bleibe und lausche, um ihr Lied als Allererste zu vernehmen, und sie dann, tief in der Nacht, tatsächlich ruft, rührt ihr melodischer, liebreizender Gesang mit unfassbarer Gewalt zutiefst an mein Herz. Überflüssig, eigens zu erwähnen, dass ihr Ruf im 6. Monat wieder verstummt.
Alles, was zur Nachtzeit ertönt und ruft, liebe ich sehr. Mit einer einzigen Ausnahme: plärrende Säuglinge.
Bruno Schulz (1892–1942)
Es begann mit dem Ausbrüten von Vogeleiern.
Mit großem Aufwand an Mühe und Geld ließ sich mein Vater aus Hamburg, aus Holland, aus afrikanischen zoologischen Stationen befruchtete Vogeleier kommen, die er riesigen belgischen Hühnern zum Ausbrüten unterlegte. Es war dies auch für mich eine höchst spannende Prozedur – dieses Ausschlüpfen der kleinen Vögel, wahrer Scheusale an Gestalt und Gefieder. Man konnte in diesen Monstren mit den riesigen, phantastischen Schnäbeln, die sie sofort nach ihrer Geburt weit aufrissen, um in den Tiefen ihrer Schlünde gefräßig zu zischen, in diesen Echsen mit den schwächlichen, nackten Körpern von Buckligen keine zukünftigen Pfauen, Fasanen, Häher und Kondore erkennen. In Körben und in Watte untergebracht, reckte diese Drachenbrut auf dünnen Hälsen die blinden, mit dünnem Flaum bedeckten Köpfe und quakte lautlos aus stummen Kehlen. Mein Vater ging in einer grünen Schürze an den Regalen entlang wie ein Gärtner an seinen Kakteenbeeten und erlöste diese blinden, von Leben pulsierenden Bälge, diese unbeholfenen und unersättlichen Bäuche, welche die Außenwelt nur in der Form von Futter aufnahmen, diese Auswüchse des Lebens, die sich im Finstern tappend ans Licht drängten, aus ihrem Elend. Ein paar Wochen später, als diese blinden Knospen des Lebens ins Licht geborsten waren, füllten sich die Zimmer mit der bunten Geschwätzigkeit und dem flirrenden Zwitschern ihrer neuen Bewohner. Sie besetzten die Vorhangstangen der Fenster, die Gesimse der Schränke und nisteten im Dickicht der zinnernen Zweige und Arabesken der vielarmigen Hängelampen.
Während mein Vater große ornithologische Kompendien studierte und in bunten Tafeln blätterte, schienen die gefiederten Phantasmen aus ihnen zu entfliehen und das Zimmer mit buntem Geflatter, mit Purpurlappen, mit Scherben aus Saphir, Grünspan und Silber zu erfüllen. Während des Fütterns bildeten sie auf dem Fußboden ein buntes wogendes Beet, einen lebenden Teppich, der – wenn jemand unbedacht eintrat – zerfiel, in bewegliche Blumen zerstob, die in der Luft flatterten, um sich schließlich in den oberen Regionen des Zimmers niederzulassen. Im Gedächtnis blieb mir besonders ein Kondor, ein riesiger Vogel mit nacktem Hals, zerfurchtem Gesicht und üppigen Auswüchsen. Es war ein magerer Asket, ein buddhistischer Lama, voll unerschütterlicher Würde in seinem ganzen Verhalten, das sich nach dem eisernen Zeremoniell seines großen Geschlechts richtete. Wenn er meinem Vater gegenübersaß, reglos in der monumentalen Haltung uralter ägyptischer Gottheiten, das Auge mit einem weißen Häutchen überzogen, das er seitlich über die Pupillen schob, um sich ganz in die Kontemplation seiner vornehmen Einsamkeit zu versenken, schien er mit seinem steinernen Profil ein älterer Bruder meines Vaters zu sein. Die gleiche Materie des Körpers, der Sehnen und der gerunzelten harten Haut, das gleiche trockene und knochige Gesicht, die gleichen hornartigen, tiefen