Im freien Feld. Группа авторов

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in den Krallen des Kondors. Ich konnte mich, wenn er so schlief, nicht dem Eindruck entziehen, eine Mumie vor mir zu haben – die ausgetrocknete und deshalb kleiner gewordene Mumie meines Vaters. Ich glaube, daß auch der Aufmerksamkeit meiner Mutter diese sonderbare Ähnlichkeit nicht entgangen war, obwohl wir niemals dieses Thema berührten. Charakteristisch war, daß der Kondor das gleiche Nachtgeschirr wie mein Vater benutzte. Sich mit dem Ausbrüten immer neuer Exemplare nicht zufriedengebend, veranstaltete mein Vater auf dem Dachboden Vogelhochzeiten, schickte Brautwerber aus, band in den Luken und Löchern des Dachbodens anmutige und sehnsuchtsvolle Bräute fest und brachte es tatsächlich fertig, daß der Dachboden unseres Hauses – eine gewaltige schindelgedeckte Mansarde – eine richtige Vogelherberge, eine Arche Noah wurde, in die Geflügelte jeglicher Art aus fernen Ländern geflogen kamen. Noch lange nach der Liquidierung dieser Vogelwirtschaft wurde in der Vogelwelt die Tradition unseres Hauses aufrechterhalten, und zur Zeit der Frühlingszüge ließen sich manchmal auf unserem Dach ganze Schwärme Kraniche, Pelikane, Pfauen und allerhand anderer Vögel nieder.

      Richard Powers (*1957)

      Kraniche landen in der Dämmerung. Sie schweben in lockeren Ketten vom Himmel. Zu Dutzenden streben sie aus allen Richtungen herbei und sinken mit der Dunkelheit herab. Hunderte von Grus canadensis rasten an dem noch halb gefrorenen Fluss. Sie sammeln sich auf den Inseln im seichten Wasser, wo sie grasen und unter Flügelschlagen ihre Trompetenrufe ertönen lassen: die Vorhut einer gewaltigen Wanderung. Von Minute zu Minute werden es mehr, und die Luft färbt sich rot von ihren Schreien.

      Ein Hals reckt sich lang, die Beine baumeln herab. Flügel wölben sich nach vorn, ihre Spannweite so groß wie ein Mensch. Die Schwungfedern wie Finger gespreizt, legt er sich schräg in den Wind. Der blutrote Kopf macht eine Verbeugung, und die Flügel berühren sich – ein lang gewandeter Priester spendet den Segen. Die Schwanzfedern richten sich auf, und der Leib sackt nach unten, dem plötzlich näher kommenden Boden entgegen. Beine strampeln; mit den nach hinten abgewinkelten Knien sehen sie aus wie das gebrochene Fahrgestell eines Flugzeugs. Ein weiterer Vogel im Sinkflug findet strauchelnd einen Platz auf der dicht bevölkerten Landebahn an diesem wenige Meilen langen Ufer, wo der Fluss noch sauber und breit genug ist, dass er ihnen Sicherheit bietet.

      Die Dunkelheit kommt früh, und so wird es noch einige Wochen lang bleiben. Der Himmel, eisblau hinter den Wipfeln der Weiden und Pappeln, flammt für kurze Zeit rosenrot auf, dann verglüht er zu Indigo. Ende Februar am Platte River; der kalte Nachtdunst hängt über dem Fluss und überzieht die Stoppelfelder des vergangenen Herbsts mit weißem Raureif. Die aufgeregten Vögel, groß wie Kinder, stehen dicht gedrängt, Flügel an Flügel, an diesem Abschnitt des Flusses, den die Erinnerung sie zu finden gelehrt hat.

      Wie seit Urzeiten versammeln sie sich zum Ende des Winters hier am Ufer, bedecken wie ein Teppich das Sumpfland. In diesem Licht erinnern sie fast noch an Saurier: die ältesten Flugtiere der Erde, nur einen zaghaften Schritt entfernt vom Pterodaktylus. Als es endgültig dunkel wird, ist es wieder eine Welt der Anfänge, der gleiche Abend wie damals, als vor sechzig Millionen Jahren diese Wanderung begann.

      Eine halbe Million Vögel – vier Fünftel aller Kanadakraniche auf der Erde – versammeln sich an diesem Fluss. Sie folgen dem Central Flyway, der Zugroute, die sich einer riesigen Eieruhr gleich über den gesamten Kontinent legt. Sie kommen aus Neumexiko, Texas und Mexiko, legen Tag für Tag Hunderte von Meilen zurück und haben noch Tausende vor sich, ehe sie ihre in der Erinnerung eingeprägten Nistplätze erreichen. Für einige Wochen beherbergt dieser Flussabschnitt den meilenlangen Vogelschwarm. Doch wenn der Frühling beginnt, erheben sie sich in die Lüfte und verschwinden, folgen ihrem inneren Kompass bis hinauf nach Saskatchewan, Alaska oder noch darüber hinaus.

      Dieser Flug steht außerhalb der Zeit. Etwas lässt diese Vögel einer Route folgen, die schon Jahrhunderte alt war, als sie sie von ihren Eltern erlernten. Und jeder Kranich erinnert sich an den Weg, der noch in der Zukunft liegt.

      Auch heute Abend kreisen sie wieder über dem verzweigten Wasserlauf. Noch für eine Stunde ertönen ihre Rufe, bis der Himmel sich leert. Die Vögel schlagen nervös mit den Flügeln, unruhig von der Wanderung. Einige zupfen bereifte Halme aus dem Boden und schleudern sie in die Luft. Sie sind so gereizt, dass sie anfangen zu kämpfen. Doch schließlich kommen sie zur Ruhe und schlafen, auf einem Bein stehend und immer noch wachsam, die meisten im Wasser, einige wenige weiter oben auf den Stoppelfeldern.

      Quietschende Bremsen, das Kreischen von Metall auf Asphalt, ein erstickter Schrei, dann ein zweiter wecken den Schwarm. Der Truck fliegt im hohen Bogen durch die Luft und bohrt sich in das Feld. Ein Schwall von Erde prasselt auf die Vögel nieder. Sie schrecken auf und schlagen mit den Flügeln. Der Teppich erhebt sich verstört in die Lüfte, kreist über dem Fluss und landet wieder. Schreie wie von Kreaturen, scheinbar doppelt so groß wie sie, sind meilenweit zu hören, doch schließlich verhallen sie.

      Als der Morgen anbricht, hat es diese Laute nie gegeben. Wieder herrscht nur das Hier und Jetzt, das geflochtene Band des Flusses, ein Festmahl aus verstreuten Körnern, das diese Vögel nach Norden tragen wird, bis über den Polarkreis hinaus. Beim ersten Lichtstrahl erwachen die lebenden Fossilien wieder zum Leben, noch unsicher auf den Beinen schmecken sie die frostige Luft, springen in die Höhe, die Schnäbel gen Himmel gereckt, die Kehle weit aufgerissen. Und als hätte die Nacht nichts genommen, vergessen die Kraniche alles außer diesem Moment in der Morgendämmerung und beginnen zu tanzen.

      Henry David Thoreau (1817–1862)

      Wenn uns der poetische Wahnsinn packt, dann hasten und kratzen wir mit unserer Feder, ergötzen uns, wie es der Hahn mit dem seinen tut, an dem von uns aufgewirbelten Staub, aber entdecken nicht, wo das Juwel liegt, das wir inzwischen vielleicht weit weggeschleudert oder wieder ganz bedeckt haben.

      Teresa Präauer (*1979)

      Um Tiere anzulocken, hilft es aber auch, sich auf die Lauer zu legen und ihre Rufe und Laute nachzuahmen oder diese einfach als Tonaufnahmen abzuspielen. Für den Vogelfang gibt es allerlei Vogelflöten aus dem Jagdbedarf. Imitieren, anlocken, fangen und töten geraten hier in eine gemeinsame begriffliche Nähe, als hätten Neugier, Wissensdurst und Sammelleidenschaft sich mit einer Art von Vernichtungswillen gepaart, von dem die naturhistorischen Museen, die Menagerien, die Kunst- und Wunderkammern bis heute Zeugnis ablegen. Von John James Audubon ist bekannt, dass er im Furor des Anspruchs, für The Birds of America jede Vogelart des Landes abzubilden, auf seinen Reisen mit feinem Schrot Tausende von Vögeln geschossen hat. Er fixierte die Vögel danach mit Drähten und Schnüren, um sie in lebensähnlichen Posen, wie beim Jagen oder Fressen, zeigen zu können. Audubon malte mit wasserlöslichen Farben, Pastellkreiden und Tusche, die Kupferstiche samt Kolorierung wurden danach von einer Werkstatt angefertigt und in den Jahren von 1827 bis 1839 als Serie von je fünf losen Blättern für Subskribenten, vorerst ohne erläuternden Text, herausgebracht. Die so entstandene erste Ausgabe dieser Enzyklopädie der Vögel Amerikas hat das Format »double elephant folio« und misst in der Höhe fast einen Meter. Damit können die Vögel in Lebensgröße gezeigt werden, im Bildhintergrund dabei vereinzelt die natürliche Umgebung von Landschaft, Himmel und Wasser, die in ihrer Farbgebung selbst wieder etwas Dramatisch-Artifizielles bekommt. Auch wenn der Anspruch, die Tiere möglichst naturgetreu abzubilden, sich in der präzisen, fast sachlich anmutenden bildnerischen Gestaltung hier weitestgehend erfüllt, bleibt doch etwas, das zuvorderst künstlerisch-ästhetischen Gesetzmäßigkeiten folgt und damit eine innerbildliche Wirklichkeit erschafft: Auswahl, Bilddiagonalen, Ornamentierung, Farbkontraste, alles das baut auch mit an der Welt, wie wir sie später wahrnehmen. Zwei weiße Gerfalken mit schwarzen Flecken im Gefieder stecken bei Audubon ihre aufgerissenen Schnäbel aneinander, dahinter ist der Himmel diffus-schwarzblau wie vor einem unwirklichen Gewitter. Linné beschrieb aufgrund der variablen Gefiederfarbe noch Unterarten des Gerfalken, die heute nicht mehr voneinander

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