Der kleine Eheretter. Monika Röder

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Der kleine Eheretter - Monika Röder Carl-Auer Ratgeber

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aus der Partnerschaftskrise geht es immer wieder darum, das eigene innere Geschehen bewusst zu machen, um später gezielt regulierend eingreifen zu können und damit endlich zu wirklicher Bedürfnisbefriedigung zu finden.

      In dieser Übung können Sie also weitere Aspekte des Konfliktgeschehens bewusst werden lassen. Stressen Sie sich nicht, wenn Sie zunächst nur wenige Wahrnehmungen finden. Am besten betrachten Sie diese Übung als »Kickoff«, als erste Gehversuche, um sich selbst und Ihren Partner zukünftig in Konfliktsituationen besser zu beobachten und dadurch bewusster handeln zu können. Hier sind einige Beobachtungskriterien dafür:

      Wie verändert sich die Sprache meines Partners im Konflikt und wie verändert sich meine eigene Art zu sprechen?

      Werden die Worte schneller, lauter oder langsamer, leiser?

      Wie viel (Nach-)Druck liegt in meiner Sprache versus wie energielos klingt sie?

      Verändert sich die Tonhöhe? Wird sie eher höher oder tiefer?

       Partner/Partnerin:

       Ich selbst:

      Wie verändert sich die Sprache inhaltlich? Wird sie schärfer, bedrohlicher? Wird sie hoffnungsloser, resignierter?

      Kommt es vermehrt zur Formulierung von Superlativen (z. B. etwas ist »extrem«, »schrecklich«, »unfassbar« …)? Oder zu Verallgemeinerungen (»nie«, »dauernd«, »alles« …)?

       Partner/Partnerin:

       Ich selbst:

      Lenken Sie Ihre Wahrnehmung nun auf Ihren Körper. Welches sind Ihre persönlichen Reaktionen auf gefühlte Angriffe, auf Druck und Vorwürfe etc.? Scannen Sie Ihren Körper dabei nach Zeichen von Anspannung, Druckgefühlen, Unwohlsein, Zittern, Schweiß, Schmerz, Übelkeit, Schwächegefühlen etc. Wo und wie spüren Sie den ausgelösten Alarm in Ihrem Körper? Zeichnen Sie Ihre Körperwahrnehmungen in die Skizze ein.

      Was im Inneren des Körpers Ihres Partners oder Ihrer Partnerin abgeht, wissen Sie nicht. Aber wir können meist umso besser die äußerlich erkennbaren Signale ablesen. Nehmen Sie darum die andere Skizze, um die Körperzeichen des anderen einzuzeichnen.

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       Nutzen dieser Übung:

      Viele Menschen fühlen sich besonders in Streitsituationen und Eskalationen ohnmächtig dem Geschehen ausgeliefert. Es fühlt sich an wie »Es geschieht mit mir … etwas geht mit mir durch … mir sind die Sicherungen durchgebrannt …«. Durch die Selbstreflexion und Schärfung der Wahrnehmung eigener Prozesse und Handlungen gewinnen wir an Handlungsfähigkeit und damit am Vermögen, das Konfliktgeschehen zu steuern.

      Warum Streit nichts bringt

      Wir haben oben gesehen, wie das Gehirn funktioniert, um zu überleben und sich vor Gefahren zu schützen. Es gibt einen Mechanismus, der es dem Menschen ermöglicht, sich in Gefahrensituationen auf das Wesentliche, nämlich den Angriff oder die Flucht, zu konzentrieren: Die Hirnfunktionen, die fürs Überleben gerade nicht nötig sind, werden ausgeschaltet. Was sich evolutionsbiologisch bottom-up aufgebaut hat, wird nun top-down deaktiviert.

      Wenn sich das Gehirn schrittweise abschaltet

      Was passiert bei dieser Deaktivierung? Auf der somatischen Ebene wird im Kampf- oder Fluchtmodus beispielsweise die Verdauungstätigkeit runtergefahren. Auch die Sinnesaktivitäten werden stufenweise eingestellt, damit wir nicht durch die Blümchen auf der Wiese von der wahrgenommenen Gefahr abgelenkt werden.

      So bewirkt das Umschalten auf den Kampf- oder Fluchtmodus, dass wir nicht mehr alles mit weitem Blick sehen, sondern fokussiert auf die Gefahr schauen und andere Dinge übersehen. Auch das Hörvermögen ist nachweislich so verändert, dass wir im wahrsten Sinne des Wortes Dinge überhören. Das bedeutet, dass wir im getriggerten Modus freundliche Worte oder Gesten des Partners bzw. der Partnerin nicht wahrnehmen, sondern dass unser Sinnessystem suchend darauf ausgerichtet ist, den nächsten Angriff, die nächste Gemeinheit oder die nächste Bestätigung für unsere Bedrohungshypothese zu finden.

      Doch es geht noch weiter. Wir haben gehört, dass unsere menschlichen Fähigkeiten der Selbstreflexion und Kreativität, unser Humor und auch unsere Empathiefähigkeit maßgeblich im Bereich des Neokortex vernetzt sind. Dieser Bereich wird im Angriffsstress zuerst deaktiviert. Wir können heute einen Menschen mit massivem Stress in den Hirnscanner schieben und über bildgebende Verfahren sehen, wie dort beispielsweise im Bereich, in dem die Empathiefähigkeit oder das Sprachzentrum vernetzt sind, aufgrund nachlassender Aktivität weiße Stellen sichtbar werden.

      Unser aufs Überleben ausgerichtetes System fokussiert sich im vermeintlichen Angriffsfall auf seine Selbstverteidigungs- bzw. Selbstschutzfähigkeiten. Überflüssiger kognitiver Luxus wird deaktiviert. So bitter es klingt: Das bedeutet, dass unser Gehirn nicht mehr vollständig funktioniert. Wir sind nicht mehr im Vollbesitz unserer geistigen Kräfte.

      Unwillkürliche Reaktion bei Angriff

      Im vorigen Abschnitt haben Sie die Neurozeption, den Gefahrenscanner unseres Nervensystems, kennengelernt. Auch beim Gegenüber kommt diese Eskalationsdynamik in Gang: Das Nervensystem des Partners scannt noch unter der Bewusstseinsebene den anderen und erkennt subtilste Angriffe und Stimmungswechsel. Manchmal sind es gar keine Angriffe, aber ein bestimmtes Verhalten trifft ohne böse Absicht auf einen alten wunden Punkt beim Gegenüber. Dieser ist damit ganz schnell getriggert und schlägt zurück oder verbarrikadiert sich – was umgekehrt wiederum den anderen triggern kann.

      Überspitzt gesagt büßen jetzt beide Gehirne allmählich oder schlagartig einen Teil ihrer Funktionsfähigkeit ein. Sie sind nicht mehr in der Lage, die Dinge vollständig zu überblicken. Die Betroffenen können in dieser Verfassung keine Verantwortung mehr übernehmen und schaffen es nicht, sich in den anderen einzufühlen, sondern sind nur noch darauf fokussiert, den eigenen Kragen zu retten oder den eigenen Schmerz zu lindern.

      An diesem Punkt ist eine Lösungsfindung nicht mehr möglich – Verbundenheit und Beziehung gehen verloren. Für wirklichen Kontakt braucht es zwei Menschen, die sich im Modus des sozialen Kontaktsystems befinden. Manchmal gelingt es einem Paar, den Schlagabtausch noch auf einem einigermaßen akzeptablen Niveau zu halten oder die Interaktion schnell zu stoppen. So lässt sich der Schaden gering halten. Je weiter beide Systeme aber getriggert sind, umso weniger sind kreative Lösungen und Verbundenheit zu erwarten.

       Alles Wissenswerte in Kürze

      Wenn wir streiten – also ein Defensivsystem unseres autonomen Nervensystems aktiviert ist –, werden wichtige Bereiche des Gehirns top-down, also von vorne oben nach hinten unten, deaktiviert. Unser Gehirn funktioniert dann nicht mehr vollständig. Das, was wir in der entsprechenden Situation eigentlich brauchen, nämlich Verständnis, Überblick oder kreative Lösungen, ist in einem solchen Zustand nicht zu bekommen. Alles, was in diesem

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