Krimi Sammelband 7010: 7 Action Thriller November 2019. A. F. Morland
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Leila Khalef lag auf einem Hügelkamm inmitten von Geröll und Sträuchern. Zum Strand waren es schätzungsweise tausend Meter. Die Hügel an der Küste fielen ziemlich steil ab. Unten erstreckte sich ein riesiges Gelände, das mit hohem Stacheldraht umgeben war. Provisorische Baracken reihten sich aneinander.
Das merkwürdigste aber war eine Art schwimmende Insel dicht vor der Küste. Zuerst hatte sie geglaubt, es sei eine Bohrinsel, aber bei näherem Hinschauen hatte sie doch gemerkt, dass es sich um etwas Besonderes handelte.
Leila tastete zur Seite, bis sie ihren Leinenbeutel näher heranziehen konnte. Sie öffnete ihn und kramte ihre Fotoausrüstung heraus. Mit schnellen Bewegungen schraubte sie das Teleobjektiv auf und sah durch den Sucher. Das Licht würde für den hochempfindlichen Film gerade noch reichen. Es klickte leise, als sie den Auslöser betätigte.
Sie war so in ihrer Arbeit vertieft, dass sie die Schritte in der Nähe überhaupt nicht bemerkte. Deshalb erschrak sie, als eine schneidende Stimme über ihr ertönte: „Was haben wir denn da für ein Täubchen?“
Die Spionin drehte sich langsam um und richtete sich auf. Kaum drei Schritte entfernt stand ein Offizier mit zwei Soldaten, die Gewehre auf sie richteten.
Ihre Gedanken rasten fieberhaft, aber da gab es kein Entkommen – die Situation war eindeutig. Leila stand langsam auf und klopfte sich den Staub von dem kurzen Rock. Dann sah sie den Offizier trotzig an.
Die Soldaten folgten mit ihren Gewehrläufen jede Bewegung, und der Offizier trat einen Schritt näher. Lässig tippte er ihr gegen die Schulter, sodass das Mädchen unwillkürlich zurückwich. Dann bückte er sich und hob die Kamera auf. Er drehte sie in den Händen und betrachtete sie interessiert. „Eine amerikanische Kamera. Die sind hier schwer zu bekommen.“ Er sah sie fragend an.
Leila biss sich auf die Lippen, antwortete aber nicht.
Der Offizier wühlte in dem Leinenbeutel und holte die anderen Gegenstände heraus. Dann nahm er das Nachtglas in die Hand. „Auch ein amerikanisches Fabrikat. Sind Sie Amerikanerin?“
Leila schüttelte den Kopf, aber er beachtete sie nicht, sondern blätterte in ihrem Pass, den er gerade gefunden hatte.
„Sieh mal an“, sagte er leise. „Das Spionieren liegt wohl in der Familie.“
Er hob den Kopf. „Oder war Yassir Khalef nicht Ihr Vater?“
Leila nickte nur kurz und konzentrierte sich auf die beiden jungen Soldaten, aber da war nichts zu machen. Ihre Gewehre rührten sich keinen Millimeter, und einer von ihnen grinste sie frech an.
Der Offizier trat dicht an sie heran und tastete sie mit flinken Fingern ab. Die Berührung war ihr so widerwärtig, dass sie zitterte. Der Mann roch nach Knoblauch und Alkohol. Seine dunklen Augen glühten, er ließ den Blick wohlgefällig über ihre Figur gleiten.
„Also?“, fragte er. „Was tun Sie hier?“
Leila antwortete stockend. „Ich bin durch Zufall hier und wusste nicht, dass das militärisches Gelände ist. Es hat mich einfach interessiert.“
Er klopfte mit ihrem Pass leicht auf seine linke Handfläche. „Komisch, die Ausreden sind immer wieder die gleichen. Dass euch nicht mal was Neues einfällt!“
Er winkte seinen Leuten. „Nehmt alles mit! Wir bringen sie ins Lager. Dort werden wir schon erfahren, was wir wissen wollen.“ Er lächelte Leila hintergründig an.
Dann packte er mit hartem Griff ihr Handgelenk und zwang sie vorwärts. Die Soldaten nahmen ihre Sachen auf und folgten.
Inzwischen war es dunkel geworden, sodass sie auf den Weg achten musste. Der Steilhang war eine Qual, aber der Offizier nahm keine Rücksicht. Leila spürte, wie ihre Strümpfe zerrissen, und spitze Dornen sich ins Fleisch krallten.
Unten sah sie zum ersten Mal die Anlage aus der Nähe. Es wirkte alles provisorisch und wie aus dem Boden gestampft. Trotzdem war ein Eindringen nicht ohne Weiteres möglich. Der Stacheldrahtzaun war ziemlich hoch, und in regelmäßigen Abständen gab es bewaffnete Posten. Die Spionin kam sich vor wie beim Spießrutenlauf. Tränen rannen ihre Wangen hinunter.
Sie hielten vor einer größeren Baracke, die von zwei Soldaten bewacht war. Hinter den Fenstern brannte Licht. Leila erkannte das Schild neben der Tür: Sicherheitszentrale.
Der Offizier verschwand für einen Augenblick und kehrte mit einem zweiten Offizier zurück. Es war ein Major. Er trug eine peinlich gepflegte Uniform und blank geputzte Stiefel. Er war groß und schlank und hatte einen dünnen Oberlippenbart. Der Major ging um Leila herum und starrte sie neugierig an. Dann lächelte er amüsiert. „Bringt sie hinein und sperrt sie erst mal ein! Wir werden uns später mit ihr befassen.“
Die Soldaten stießen sie vorwärts, und mit hängendem Kopf wankte Leila Khalef in die Baracke. Zwei weitere Soldaten nahmen sie dort in Empfang und schoben sie in eine winzige Kammer, die sie abschlossen.
Die Einrichtung bestand aus einer Holzpritsche mit einer schmutzigen Wolldecke. Die gefangene Spionin warf sich darauf und überdachte ihre kritische Situation.
5.
Steve McCoy betrat die Gangway, und die Hitze traf ihn wie ein Faustschlag. Obwohl er heiße Länder kannte, hatte er immer wieder Schwierigkeiten, sich an das Klima zu gewöhnen.
Der Amerikaner war über Beirut geflogen, das war die schnellste Verbindung. Er ging langsam die Treppe hinunter, seine Jacke hatte er über den Arm gelegt. Die ganze Ausrüstung sowie seine Waffe befanden sich in seinem Spezial-Koffer – in einem abgeschirmten doppelten Boden, der bei einer durchschnittlichen Kontrolle kaum zu entdecken war.
Er blinzelte und setzte seine Sonnenbrille auf. Feine Schweißtropfen perlten ihm von der Stirn. Er hatte Verlangen nach einem eisgekühlten Drink.
Im Flughafengebäude war es angenehmer. Anstandslos passierte er die syrische Passkontrolle. Sein Visum war echt – man hatte so viel Zeit gehabt, dass es nicht gefälscht zu werden brauchte.
Mit den Koffern ließ sich das Bodenpersonal Zeit. Steve McCoy rauchte eine seiner seltenen Zigaretten, bis sich endlich das altersschwache Gepäckband mit verdächtigem Knirschen in Bewegung setzte. Ein Poltern von draußen verriet, dass mit dem Gepäck nicht gerade sanft umgegangen wurde. Sein Koffer war der letzte. Der Agent stemmte ihn vom Band und schleppte ihn zur Zollkontrolle.
Der Zöllner deutete auf den Koffer und sagte in gebrochenem Englisch: „Bitte, öffnen Sie!“
Steve ließ die Schlösser aufschnappen und klappte den Deckel auf. Seine Augen zogen sich zusammen, und eine steile Falte bildete sich auf seiner Stirn.
Der Inhalt seines Koffers war durchwühlt worden. Das war offenbar unter Zeitdruck geschehen, sodass der unbekannte Kontrolleur nicht alles so sorgfältig packen konnte, wie es