Der Schuh. Gabriela Bock
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der Schuh - Gabriela Bock страница 6
Auf dem Rückweg legten wir einen Stopp in Hamburg ein. Dabei tönte ich rum, wie sehr ich Hamburg mögen würde und dass es ›meine‹ Stadt wäre. Früher hatte ich in den Ferien oft meine Tante Gertrud dort besucht. Als ich fünfzehn war, war ich meiner Tante nachts heimlich abgehauen und auf die Reeperbahn gefahren. Ich fand es schon immer aufregend, etwas zu machen, was meine Eltern nie erlaubt hätten und was mir sehr gefährlich vorkam. Dabei war mir nichts Schlimmes passiert und ich hatte meine heimlichen, nächtlichen Ausflüge in den folgenden Ferien öfter wiederholt.
Wir parkten den Bus auf einem Parkplatz unten an den Landungsbrücken. Ich gab mir besonders viel Mühe mit meinem Äußeren, drehte und wand mich vor dem langen, schmalen Spiegel im Innern des Busses. Leider sah man sich nicht ganz in dem Spiegel. Wahrscheinlich sah ich gut aus in dem knappen schwarzen Rock und den hohen Stiefeln. An dem Abend war es etwas frisch draußen und deshalb stülpte ich mir noch einen hüftlangen Wollponcho über das kleine rückenfreie Hemdchen. Natürlich war alles schwarz, ich trug nun mal gern schwarz. Das passte zu mir. Auch meine leuchtend blauen Augen umrandete ich schwarz. Das harmonierte mit meinen schwarzen Locken und dem blassen, sommersprossigen Teint, der jetzt von der Sonne leicht gebräunt war.
»Nicht die Lippen«, meinte Robert, der mich während der ganzen Zeit beobachtet hatte, »es reicht an Schminke, du siehst auch so traumhaft schön aus.«
Robert trug mal wieder Jeans und Hemd von einer teuren Markenfirma. Seine langen blonden Haare hatte er in der Mitte gescheitelt und hinten zu einem Zopf geflochten. Robert war auf eine zurückhaltende Art eitel und ein wahnsinnig gut aussehender Mann. Er lächelte verstohlen, als ich ihm das sagte.
Ich fühlte mich so, als würde ich mich auf der Reeperbahn auskennen, dabei war ich das erste Mal in dieser Diskothek, in der ich mit Robert gelandet war. Nach dem zweiten Drink tanzte ich sofort, während Robert das machte, was er am liebsten tat: Menschen beobachten.
Nach einer ganzen Weile und dem vierten Drink sah ich, wie Robert sich mit einer sehr jungen Frau unterhielt. Die Musik war laut, und im Flackerlicht sah ich die beiden da stehen. Ich ging auf Robert zu und küsste ihn provokativ. Dann schrie ich der Frau ins Ohr, so dass er es auch hören musste.
»Er gehört mir zwar nicht, aber wenn du ihn haben willst!«
Robert brüllte mich an: »Hör auf mit dem Blödsinn!«
Die junge Frau warf mir einen wütenden Blick zu, bevor sie sich auf die Tanzfläche begab. Sie war ein kleines, zartes Geschöpf mit Schmollmund und einem äußerst puppenhaften Äußeren. Eigentlich so gar nicht Roberts Typ.
Warum starrte er sie dann so an?
An der Bar genehmigte ich mir noch einige Drinks. Wieder stand die junge Frau neben Robert. Ich schätzte ihr Alter auf höchstens siebzehn und entschloss mich, die Kleine ›Puppe‹ zu nennen. Das war zwar albern, aber der einzige Begriff, der mir dazu einfiel.
»Puppe, lass dich mal von ihm fotografieren!«, brüllte ich ihr ins Ohr. »Er macht super Fotos!«
»Ist er Fotograf?«, fragte die Puppe.
»Und was für einer!«, schrie ich.
»Bezahlt er für die Fotos?«, wollte sie wissen.
»Frag ihn doch selber!«
Inzwischen war mir das Ganze zu blöd. Er wollte keine Familie, also waren wir frei. Warum sollte Robert dann nicht mit anderen Frauen neben mir zusammen sein? Mit so vielen und so lange und so oft er nur wollte. Und ich auch. Mit so vielen anderen Männern, wie ich nur wollte. Alles in mir sträubte sich gegen diese Vorstellung, aber es war die ehrliche Version von dem, was bisher zwischen uns gelaufen war. Wir brauchten nicht mehr so zu tun, als würde sich aus unserer Beziehung noch mal was Ernstes entwickeln.
Während ich Robert umarmte, schrie ich ihm ins Ohr: »Ich gehe dann mal, wir treffen uns hier oder am Auto!«
»Spinnst du«, brüllte er zurück. »Wo willst du denn jetzt so alleine hin!?«
Kapitel 3
Schnell, mit großen Schritten, war ich nach draußen gestürmt. In der frischen Luft merkte ich erst, wie betrunken ich war. Es gab da einen Himmel über mir. Trotz des klaren, frischen Sommerabends vermisste ich die Sterne. Ich glaubte, mich dort auszukennen, aber plötzlich kam mir das alles sehr unbekannt vor und ich schlug einfach eine Richtung ein, irgendwo würde ich schon rauskommen. Ich wusste ja noch nicht einmal, wo ich hinwollte.
Erst kam da ein versteckter Winkel zwischen zwei Häuserfronten, als aber einige betrunkene Männer die Straße entlang kamen, entschloss ich mich, doch nicht dort zu pinkeln, sondern noch ein Stück weiter zu gehen. Ich merkte, dass ich leicht torkelte. Endlich fand ich eine Bar ohne Türsteher davor. Drinnen herrschte so eine plüschige Atmosphäre und die üblichen Figuren saßen an der Theke. Ich wollte nichts trinken, suchte nur das Klo. Ich ging in den Vorraum, von dort führte ein schmaler Gang zu einer Treppe, die runter zu den Toiletten führte. Auf dem Weg dorthin begegneten mir zwei Personen, die sich lebhaft unterhielten. Um die Treppen herunter zu kommen, brauchte ich das Geländer. Die meisten Türen von den Toilettenkabinen ließen sich nicht abschließen, und so versuchte ich, mit der Hand die Tür zuzuhalten, als ich in der Hocke über dem Klo pinkelte. Auf solche Klos setzte ich mich nie, wer weiß, wer da vorher drauf gesessen hatte. Draußen hörte ich Schritte, zielsichere Schritte.
Mit voller Wucht stießen zwei Männer die Tür meiner Kabine auf. Einer der beiden fasste mich mit einem schmerzhaften Griff, der so fest war, dass mir sofort klar wurde, wie ernst es war, ins Genick und presste meinen Kopf nach unten, gegen die Kabinenwand. Der andere zerrte meinen Rock hoch und zerriss die Unterhose. Er griff in meine Lenden und schob sein Glied in meine Scheide. Es wurde immer heftiger. Der Andere machte die Bewegung mit, mein Kopf schlug, genauso rhythmisch wie schmerzhaft, gegen die Wand. Es kam mir sinnlos vor, zu schreien. Ein Überfall! Ich hatte schon mal eine ähnliche Situation überlebt, weil ich nicht geschrien hatte.
Vernünftig sein, dachte ich, keinen Fehler machen. Sie werden gehen, wenn es vorbei ist.
Er war brutal mit seinen Händen und es hörte erst auf, als er, qualvoll für mich, in die hintere Öffnung meines schmalen Körpers eingedrungen war.
Hoffentlich gehen sie einfach so.
Ich hielt meinen Kopf extra nach unten, um zu demonstrieren, dass ich die Personen nicht gesehen hatte. Kühl bleiben. Nichts Hysterisches. Zumindest den Einen hatte ich genau gesehen, aber das brauchten sie nicht zu wissen.
Sie zerrten mich an den Haaren hoch. Mit einem Ruck wurde der Poncho nach unten gezogen, er saß jetzt wie ein zweiter Rock auf meinen Hüften. Ich zitterte, aber nicht, weil mir kalt war. Sie rissen die Kabinentür auf und führten mich, von beiden Seiten untergehakt, die Treppe hoch. Ein Mann kam die Treppe runter und guckte uninteressiert.
Nicht schreien! Ist es hier normal, was gerade passiert?
Sicher war ich das Opfer einer Verwechslung geworden. Schwarze Hose, schwarze Schuhe, rechts von mir der Mann. Groß, stabil. Lederjacke. Normal aussehend. Ein ehemaliger Nachbar von uns fiel mir ein, der hatte Ähnlichkeit mit ihm.
Wo wollten sie mit mir hin? Bekam ich überhaupt