Der Schuh. Gabriela Bock

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Der Schuh - Gabriela Bock

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schob mich von sich weg und sah mich genau an.

      »Du siehst furchtbar aus, Emi. Was ist mit dir passiert?«

      »Ich bin mit so einem Typ mitgefahren und dann in einer Sportschule aufgewacht.«

      »Ach ja, das soll ich dir glauben? Bekommt man davon blaue Flecken und ein Hörnchen an der Stirn?«

      Ein Blick in den Spiegel. Tatsächlich hatte ich über der rechten Augenbraue einen stark angeschwollenen Bluterguss sitzen. Bauchschmerzen ohne Ende. Ich zog mich um. Robert taxierte meinen Körper.

      Ich wusste, dass ich für alle Frauen, die noch nach mir auf diese Männer stoßen würden, zur Polizei gehen musste. Aber lief ich da nicht Gefahr, mein Baby zu verlieren?

      »Was ist mit ihr?«, fragte ich, »hast du mit ihr? Geht mich ja eigentlich nichts an.«

      Robert schwieg, schob dann einen Ärmel des weißen Rollkragenpullovers hoch, den das Mädchen trug. Ihre Arme waren total zerstochen.

      »Wir müssen sie mitnehmen. Ich habe versprochen sie nicht alleine zu lassen«, meinte Robert. Also fuhren wir mit dem Mädchen, das hinten im VW Bus auf dem Bett schlief, zurück.

      »Ich will nach Hause, nur noch nach Hause«, sagte ich.

      »Hat das Schwein einen Namen? Weißt du, wer er ist?«, fragte Robert. »Ich bringe den auf der Stelle um.«

      »Robert, eine Frage«, ich zögerte, »hältst du mich für gefühlskalt? Bin ich eine kalte Person?«

      »Du? Du bist die wärmste Person, die ich kenne. Die zärtlichste, mit den schmalsten Schultern, die ich jemals an einer Frau gesehen habe.«

      »Ich bin kein Opfer!«, fuhr ich ihn an. Ich hasste es, wenn man mich als zarte, schwache Frau ansah. Ich, das behütete Einzelkind, wollte schon immer verwegener und robuster als die anderen sein. Dafür hatte ich viel im Leben in Kauf genommen und war vor keinem aberwitzigen Abenteuer zurückgeschreckt.

      »Du bist zu schade für die Welt und eigentlich viel zu schön, um frei rumzulaufen. Du brauchst wen mit besonders breiten Schultern, der auf dich aufpasst. Aber, wo wir schon mal beim Thema sind: Bitte, lass mich ein Opfer aus dem Schwein machen und erzähle mir endlich, was mit dir passiert ist.«

      »Schon gut«, log ich, » lässt mich völlig kalt.«

      Wir schwiegen.

      »Wenn jemand Niclas was antun würde, den könnte ich töten«, sagte ich nach einer gewissen Zeit, »oder Eva.« Tatsächlich hätte ich jeden umgebracht, der meiner jüngeren Cousine Eva so was angetan hätte. So was, was mir gerade passiert war. Ich liebte Eva. Sie war vier Jahre jünger als ich und ich hatte sie immer als Schwester betrachtet.

      »Du könntest niemanden töten. Du laberst doch auch nur rum. Wir wissen beide nicht, wovon wir sprechen«, fauchte ich Robert an. Seine Züge verfinsterten sich.

      »Du weißt zum Glück gar nichts von mir. Ich weiß nicht, ob das gut oder schlecht ist. Glaub mir, ich könnte es, ich könnte töten. Ich habe schon ernsthaft überlegt, ob die RAF für mich Verwendung hat.« Sein Blick wurde arrogant. »Aber du weißt ja noch nicht mal, wer das ist, oder?«

      »Natürlich weiß ich das. Für wie blöd hältst du mich eigentlich?«

      »Politisch für äußerst blöd.«

      Ich hatte keine Lust zu streiten.

      »Ich weiß, was Hass ist. Vor Jahren wollte ich mal meinen Vater töten«, sagte Robert.

      »Warum?«

      Es war das Letzte, was ich nachempfinden konnte.

      Roberts Augen funkelten, als er mich ansah.

      »Ich empfinde nur Hass für ihn. Er hat dieses sackartige, formlose Etwas aus meiner Mutter gemacht, dabei war sie so eine schöne, lebenslustige Frau. Aber er fühlt sich nur groß, wenn er andere kleinmachen kann. Er lässt auch Größe zu bei anderen, aber nur, wenn er sein Werk darin sieht. Wenn er sie manipulieren kann, verbiegen nach seinen kranken Vorstellungen. Er hat es mit uns allen versucht. Bei meiner Mutter hat er es geschafft. Sie besitzt kein Selbstwertgefühl mehr, geht kaum noch aus dem Haus. Seine Mutter ist die Größte, die wird von ihm vergöttert, und es ist selbstverständlich, dass sie alles benutzt und besitzt, was ihr Leben erleichtert. Sie steht nämlich auf dem Sockel, der auf diesem Fundament steht. Und weißt du, wie dieses Fundament heißt? Hagedorn! Eine große, selbstherrliche Sippe. Sie bestimmen, wer auf diesem Sockel steht, oder wer, wie meine Mutter, davor liegenbleibt. Du bekommst das Kotzen, wenn du dich da reindenkst. Er hält meine Mutter kurz, obwohl er als Bäderarzt und Privatdozent gutes Geld verdient. Arbeiten darf sie auch nicht, Frauen gehören ja ins Haus oder haben einen akademischen Beruf, dann aber bitte keine Kinder. Sie putzt und schrubbt und duckt sich. Äußerlichkeiten sind ja nicht alles, aber sie, sie besitzt seit Jahren nur einen Mantel, den sie im Sommer wie im Winter trägt. Er betrügt und quält sie.«

      »Hast du noch Geschwister?«

      Ich wunderte mich, dass ich noch nie mit Robert darüber gesprochen hatte.

      »Ja, zwei ältere Schwestern. Ich mag sie auch ganz gern. Die sind schon eine Weile von zu Hause weg. Stell dir das vor, selbst während der schweren Krebserkrankung meiner Mutter war er zu geizig, eine Putzfrau einzustellen. Meine Schwestern schickten meiner Mutter dann heimlich das Geld dafür. Und sie tat ihm gegenüber so, als hätte sie sich das Geld von ihrem mickrigen Haushaltsgeld abgespart. Ich sag dir doch, der verdient ein Schweinegeld. Mir bläst er ja auch alles in den Arsch, weil ich ja angeblich inzwischen nach seinen Vorstellungen geraten bin. Wenn der wüsste. Deshalb will ich auch so schnell wie möglich zu Geld kommen, schon um meine Mutter freizukaufen, dann wird sie auch wieder völlig gesund.«

      »Es muss doch einen Grund geben, warum sie bei ihm bleibt. Vielleicht ist da ja was zwischen den beiden, wovon du nichts mitbekommst, und sie will gar nicht von ihm weg.«

      »Wenn du wüsstest, Emi. Nicht nur, dass er ein sadistisches Schwein ist, das Schlimmste ist sein Gleichmut und seine Gedankenlosigkeit anderen Menschen gegenüber. Wenn einer das Potenzial hat, anderen etwas zu geben, was sie glücklich machen könnte und er sie damit quält, es ihnen nicht zu geben. Ist das was anderes als Sadismus für dich? Ich versuche es erst gar nicht Emi, nachher werde ich noch genauso wie er. Er tötet meine Mutter mit seiner Lieblosigkeit. Das ist ein grässlicher Tod. Meine Schwestern und ich sind ihm entkommen, aber solche wie er verdienen auch nichts anderes als den Tod.«

      »Du hast Recht«, sagte ich und überlegte, ob der von letzter Nacht auch den Tod verdiente, aber das war ja ein völlig anderer Fall.

      Auf halber Strecke, Raststätte Brunautal, mussten wir anhalten, weil das Mädchen hinten im Bus rumrandalierte und unbedingt aussteigen wollte. Ich gab ihr erst mal zwei Kopfschmerztabletten und nahm selbst eine ein.

      »Was machst du sonst so tagsüber?«, fragte Robert.

      »Das geht euch einen Scheißdreck an, ihr verlogenen Arschgesichter!«, schrie das Mädchen.

      Sie wirkte gar nicht mehr so puppenhaft, obwohl sie einen Kopf kleiner war als ich. Und ich bin schon nicht riesig mit meinen ein Meter siebzig. Die Kleine sah Robert wutentbrannt an.

      »Ein toller Fotograf bist du!«

      »Hast du das

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