Der Schuh. Gabriela Bock

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Der Schuh - Gabriela Bock

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Vergewaltigung spielen, beruhigte ich mich. Ich musste meine Rolle weiterspielen, welche Wahl blieb mir sonst noch?

      Die Tür, die Straße, Autos, Menschen. Niemand schien sich zu wundern. Für einen Augenblick glaubte ich, Robert zwischen den Menschen erkannt zu haben.

      »Hau bloß ab hier!«, rief ich ihm in Gedanken zu. Ein Wunsch, das alles. Der Wunsch, Robert zu sehen. Ich bekam Angst um ihn. Er durfte sich nicht einmischen. Hoffnung war jetzt das Zauberwort.

      Sie zerrten mich zu einem Auto. Ein Reflex, ich wollte nicht einsteigen. Wie eine Reisetasche schob man mich auf die Rückbank. Eine Hand in meinen Locken drückte meinen Kopf an die Lehne des Vordersitzes. Turnschuhe und Jeans. Die schwarze Hose und die schwarzen Schuhe fuhren. Ich saß mit meinem Vergewaltiger auf der Rücksitzbank des Autos. Was hatten sie mit mir vor? Warum war´s das noch nicht gewesen? Ich musste ruhig bleiben. Niclas brauchte mich, ich musste ihn wieder sehen. Was mit mir passierte, war egal, Hauptsache, ich kam wieder nach Hause.

       Welche Sprache sprachen diese Männer? Wer waren sie?

      Am besten, ich würde es nie erfahren und sie würden mich einfach gehen lassen. Es gab ja Menschen, die mich gesehen hatten, also würden sie mich nicht einfach umbringen.

       Ruhe bewahren, das Spiel mitspielen.

      Das Auto hielt. Jetzt spürte ich den Zangengriff an meinem Arm. Raus aus dem Auto. Einen kurzen Schlag aufs Dach. Das Auto war schwarz, wie die Hose und die Schuhe, und fuhr weiter. Ich vermied, den Mann direkt anzusehen, aber er sah aus wie ein Durchschnittssportler. Vielleicht konnte er aggressiv aussehen, wenn er ein Spiel verlor. Aber nicht so, nicht im wirklichen Leben.

      Er schloss das Tor eines eingezäunten Grundstücks auf, ich stand frei neben ihm. Für einen kurzen Augenblick dachte ich an Weglaufen.

      Der Griff am Oberarm. Das Tor wurde von innen verschlossen. Von einer kräftigen Hand, ein Silberring am Mittelfinger. Wieder eine Tür und ein Schlüssel. Ich wurde jetzt nur noch geführt, nicht gezerrt. Wie ein willenloses Lamm, dachte ich.

      Von drinnen sah das Haus aus wie eine Schule. Ein langer Flur mit Türen. Der Sportler öffnete eine Tür. Es gab hier offensichtlich noch andere Menschen, was mich etwas beruhigte. In Etagenbetten schliefen junge Männer. Einer war wach, machte sich hoch und gab dem Sportler einen Schlüssel.

      »Verschwinde rechtzeitig mit ihr von hier«, flüsterte er, »du bist ja völlig wahnsinnig.«

      Der Sportler schloss eine der Türen auf, ging mit mir in den Raum und knipste eine Stehlampe an. Die Wände des Zimmers waren weiß, ein Bett vor der Wand, ein Tischchen mit einem Sessel davor. Das Bett war mit einer Überdecke abgedeckt, blau mit groß gemusterten Mohnblumen, currygelbe Vorhänge vor den Fenstern.

      Es war nur ein Knopf an dem Hemdchen, der in meinem schmerzenden Genick zu öffnen war. Er sprach meine Sprache. Keine unsympathische Stimme sagte zu mir auf Hochdeutsch: »Zieh den Rock und die Stiefel aus!«

      Was sollte ich machen? Ich benahm mich weiterhin wie ein Lämmchen.

      Er hatte eine extrem sportliche Figur und ein unauffälliges, etwas kantiges Gesicht. Die Adern an seinen Armen waren deutlich auf seinen Muskeln zu sehen. Eine silberne Uhr am Handgelenk, mit silbernem Armband. Er sah nicht aggressiv aus, wie nach einem verlorenen Spiel, aber sein Gesicht zeigte auch nicht, dass ihm das Spiel besonders viel Spaß machte. Ich empfand keine Scham, keine Wut und auch sonst nichts. War nur erschrocken über meine Gefühllosigkeit und meine Kälte. Ab und zu rammte er mir mit voller Wucht das Knie in den Schambereich. Dann sah er aus, als hätte er das Spiel verloren. Er zog mich heftig an den Haaren, ich versuchte in Panik, das Kopfkissen von meinem Gesicht fernzuhalten, damit er meinen Kopf nicht dort hineindrücken konnte.

      Ich musste hier dringend wieder wegkommen. Alles andere war egal. Hauptsache, ich kam hier weg.

      Ich legte mich zum letzten Mal auf den Bauch und er rammte sein Knie zwischen mein Gesäß, bevor er in mich eindrang. Ich hielt wieder verzweifelt das Kissen von meinem Gesicht fern, während er in meine Locken griff. Dann lagen wir nebeneinander in dem schmalen Bett.

      »Warum machst du das?«, fragte ich.

      »Weil ich Frauen suche, die für mich arbeiten.«

      Er klang so normal, wie er aussah.

      »Als Nutte?«, fragte ich.

      Damit kannte ich mich absolut nicht aus, hatte aber nichts gegen Prostituierte. Aber wie kam er da drauf?

      »Als was sonst?« Er grinste belustigt. »Das hier ist so ‘ne Art Sportschule. So was will ich mal selber haben. Und zwar bald. Dafür brauche ich Geld.«

      »Ich habe ein sehr kleines Kind und arbeite als Krankenschwester«, sagte ich. »Was ich verdiene, genügt mir. Wirst du mich hier wieder rauslassen?«

      »Was glaubst du denn, ich werde dich zu nichts zwingen. Du solltest aber besser nicht um diese Zeit im Dunkeln auf der Straße rumlaufen.«

      Er stand auf, zog sich an und verließ das Zimmer. Ich wurde eingeschlossen. Schnell zog ich meine Sachen über und ging zum Vorhang. Nach draußen führte eine Terrassentür. Sie war verschlossen. Auch jetzt vermisste ich die Sterne am Himmel, die mich wenigstens etwas hätten trösten können.

      Ich legte mich zurück aufs Bett. Es konnte alles nicht wahr sein. Was für ein kaltes Monster musste ich sein, dass ich das alles so einfach über mich ergehen ließ?

      War ich die geborene Prostituierte? Gewisse Männer animierte ich wahrscheinlich mit meinem weichen, leidensfähigen Gesicht. Es wirkte wie ein Signal. Dabei war ich doch eine starke Person. Oder?

      Ich lag wach, bis es draußen dämmerte. Hoffentlich entließ mich dieser Mann bald. Ich saß im Bett, als er die Tür aufschloss.

      »Los, komm her!«, sagte er, als wäre ich seine Komplizin.

      Er ließ mich auf das einzige normale Klo in einem Raum voller Pissoirs, weil ich nötig musste. Es brannte beim Pinkeln.

      »Sei leise!«, befahl er mir, als wir den Flur mit den vielen Türen entlanggingen. Er schloss die große Tür auf und schob mich raus.

      »Alles Gute für dich und dein Kind«, sagte er.

      »Danke«, antwortete ich.

      Vorne stand ein großes Tor auf. Ich ging schnell. Möglichst unauffällig sah ich auf die Hausnummer. Nirgends war ein Schild, auf dem Sportschule oder so stand, zu sehen. Sogar der gehäkelte Beutel mit meinem Geld hing noch an dem Gürtel meines Rockes. Zur Not befand sich auch noch etwas Geld in dem kaputten Futter meiner Stiefel. Hatte ich das wirklich erlebt? Mein Kopf schmerzte vom Alkohol und den Schlägen gegen die Kabinenwand. Ich hatte nichts weiter in mir als den Wunsch, nach Hause und zu Niclas zu kommen. Ich ging auf den nächsten Taxistand zu. Die Stadt war inzwischen wach.

      Der Bulli stand noch da, wo er am Abend zuvor gestanden hatte. Entschlossen riss ich die Schiebetür auf. Robert hatte wohl nicht geschlafen, er sah völlig übermüdet aus. Er lag mit dem Mädchen aus der Diskothek zugedeckt auf dem Fell des Bettes. Augenblicklich machte er sich hoch und zog sich seine Hose über.

      »Wo

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