Die Fahrt der Steampunk Queen. Группа авторов

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Die Fahrt der Steampunk Queen - Группа авторов

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März 1920, Palmsonntag

      Greenock/Grianaig:

      Werft »Scotts Shipbuilding

      and Engineering Company«

      19:13 Uhr

      Lady Summer mochte ihr Büro nicht. Zwar war sie dankbar, dass ihr Scotts, die Inhaber einer der Werften von Greenock, die Räumlichkeit zur Verfügung stellten, aber das Warten auf den Stapellauf der Queen zehrte an ihren Nerven. Die Ingenieure hatten die beeindruckende Maschine beinahe komplett installiert, aber je näher der Stapellauf rückte, desto unruhiger fühlte sie sich.

      Das Büro erlaubte keine direkte Sicht auf das Boot – das mochte der Grund für ihre Unzufriedenheit sein. Draußen war es bereits dunkel. Sie hörte den Regen aufs Dach der großen Halle prasseln, in der die Queen lag, eher an einen gestrandeten Wal erinnernd, als an das stolze Boot, das sie bald sein würde.

      Es klopfte.

      »Herein!«, sagte Lady Summer resolut. Sie wusste, dass sie in dieser Umgebung, keine Schwäche zeigen durfte. Handwerker, Ingenieure und Bootsbauer überhaupt, praktizierten ausgeprägtes Revierverhalten. Dass sie hier residierte, war für viele eine Zumutung; neue Zeit hin oder her.

      Ein Mann trat ein.

      Wenigstens ist er pünktlich!, dachte sie.

      Der Ultraspeed-Telegraf hatte sie vor etwa drei Stunden beim Tee gestört. Der Mann, ein gewisser Alan Stevenson, hatte dringend um einen Termin gebeten, ansonsten aber kaum etwas verraten. Der Ingenieur stammte aus einer Familie von Leuchtturmbauern, die einen guten Ruf besaß. Er selbst sah kein bisschen danach aus.

      Lady Summer musterte ihn kritisch. Er war klein, untersetzt und zeigte eine gewisse Pausbäckigkeit. Der üppige Schnauzbart kompensierte das nicht. Die kurzen Haare glänzten geölt, bedeckten den Kopf graubraun und dicht.

      Ihr fiel das bläuliche Halstuch auf, über und über bedeckt mit technischen Zeichen.

      Nichts vom automatischen Webstuhl!, dachte sie. Das ist teure Handarbeit. Also kein Bittsteller im herkömmlichen Sinn.

      »Alan Stevenson«, stellte sich der Besucher vor, verbeugte sich militärisch knapp, dass Lady Summer unwillkürlich erwartete, er werde die Hacken zusammenschlagen. Dabei wirkte er ansonsten nicht wie ein Soldat.

      »Sie telegrafierten, Sie hätten einen interessanten Vorschlag«, sagte sie und kam damit sofort zum Kern der Sache.

      Stevenson stutzte, dann lächelte er zufrieden. »Sie sagen es, Lady Summer. Wenn Sie sich diese Pläne ansehen wollen … ich bin sicher, sie werden begeistert sein.«

      Lady Summer hob kurz zustimmend die Hand. Sofort begann Alan Stevenson mit unglaublicher Geschwindigkeit, mehrere Blaupausen aus einer mitgebrachten Kartonrolle zu ziehen und an ein großes Klemmbrett zu heften, das an der linken Seite des Büros auf einem Dreibein stand. Lady Summer hatte im Lauf der Zeit, und während die Arbeiten an der Queen fortschritten, ein Gespür für technische Feinheiten entwickelt, wie sie sich selbst das niemals zugetraut hatte. Sie hatte viel gelernt. Sie bemerkte also sehr schnell, wie außergewöhnlich das Konzept war, das der Ingenieur ihr präsentierte.

      »Es ist ein fortschrittliches Navigationssystem, wenn Sie so wollen«, sagte Stevenson.

      »Es ist … elektrisch?«, fragte Lady Summer fasziniert. »Ist das richtig?«

      Stevenson nickte beinahe euphorisch. »Sie haben das Prinzip verstanden? Das ist großartig. See- und Küstenkarten könnten überflüssig werden, stellen Sie sich das vor.«

      Lady Summer betrachtete intensiv die Konstruktion, die Stevenson ihr präsentierte. Im Zentrum eines komplexen Netzwerks elektrischer Leitungen, die sich aus vier Stromabnehmern oder Blitzableitern speisten, saß eine Glasbirne, in der wohl ein Vakuum herrschte. Darin formten unzählige haarfeine Drähte ein derart kompliziertes Geflecht, dass sie nicht einmal im Ansatz ahnte, wie man so etwas herstellen konnte.

      »James Brown Lindsay brachte mich auf die Idee«, sagte Stevenson. »Ich habe seine Aufzeichnungen aus dem Jahre 1835 intensiv studiert.«

      Lady Summer erinnerte sich sehr diffus.

      »Ein schottischer Ingenieur, nicht?«, fragte sie. »Aber das eigenartige Geflecht …«

      »Sie haben von Santiago Felipe Ramón y Cajal gehört, nehme ich an?«, fragte Stevenson. Er hatte ihren etwas ratlosen Blick offenbar bemerkt.

      Der Name kam Lady Summer tatsächlich bekannt vor, aber sie wusste ihn nicht zuzuordnen.

      Stevenson lächelte nachsichtig. »Ein spanischer Arzt, der sich mit dem Aufbau des menschlichen Gehirns aus Nervenzellen beschäftigte. Er färbte die Einzelzellen mit einer Silbernitrat-Lösung ein und konnte so die Struktur entschlüsseln. Ein sehr renommierter Mann, der völlig zurecht den Nobelpreis für Medizin erhielt. Das war 1906. Seit 1909 ist er Mitglied mehrerer Akademien der Wissenschaften, darunter Göttingen und Paris. Dieses Jahr steht seine Aufnahme in die National Academy of Sciences an. Seine Arbeit ist für mich die reinste Inspiration. Mein System basiert auf der Ähnlichkeit der neu entdeckten Nervenzellen, die man im menschlichen Gehirn entdeckt hat – und der Art ihrer Vernetzung. Dieses System imitiert die Gedankentätigkeit. Für den Steuermann ist das ein enormer Vorteil. Er benötigt keine gedruckten oder gezeichneten Karten mehr.«

      Lady Summer dachte nach. Noch blieb genug Zeit, obwohl der Stapellauf näher rückte. »Wie lange würde die Installation dauern?«, fragte sie deshalb.

      »Einen, maximal zwei Tage«, sagte Stevenson erwartungsvoll.

      Lady Summer zögerte kurz, dann entschied sie sich. »Gut. Ich werde Kapitän Van Royen und den Steuermann kontaktieren. Stimmen die zu, dann können Sie Ihr Projekt starten. Welche Kosten kämen in diesem Fall auf mich zu?«

      Stevenson strahlte. »Lediglich der Materialwert für die vier Stromabnehmer. Die übrigen Teile der Konstruktion wurden auf meine Kosten bereits hergestellt. Es geht mir lediglich darum, das System zu testen.«

      »Das ist ausgezeichnet«, sagte Lady Summer. »Wo kann ich Sie telegrafisch erreichen?«

      Zufrieden hatte Stevenson bereits damit begonnen, die Pläne wieder zusammenzurollen, bis auf eine deutlich kleinere Kopie.

      »Zeigen Sie die Blaupause ihrem Steuermann und am besten auch gleich dem Maschinisten«, sagte er. »Ich logiere im Tontine an der Union Street. Dort erreichen Sie mich jederzeit.«

      Er nickte Lady Summer freundlich zu und verließ das Büro ohne weiteres Wort.

      Lady Summer nahm Verbindung mit Kapitän Klaas van Royen und Steuermann Jan de Breukelen auf. Sie trafen sich am nächsten Morgen. Die Arbeiten an der Queen gingen weiter, und da sich bisher keine Schwierigkeiten andeuteten, waren beide Männer bereit, dem Experiment zuzustimmen. De Breukelen zeigte sich skeptischer als der Kapitän, aber seine Vorbehalte bezogen sich nicht auf Stevensons Konstruktion.

      »Der Maschinist Gruber wird sich dem nicht in den Weg stellen«, sagte er. »Seine Maschinen sind von all dem nicht betroffen. Er freut sich über seine schrägliegende Zweifachexpansionsdampfmaschine und die exzentergesteuerten Radschaufeln ein Loch in den Bauch. Darin verschwindet momentan jede Menge Whisky aus der lokalen Destillerie. Wenn er beim Stapellauf

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