Die Fahrt der Steampunk Queen. Группа авторов

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Die Fahrt der Steampunk Queen - Группа авторов

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den mechanischen Würfel heraus. Er ist kaum größer als meine Faust, aber schwer. Fein gearbeitete Platten zeichnen sich unter den Verzierungen ab, ein komplexer Schließmechanismus hält den Würfel in seiner Form.

      »Hallo, Thalassa«, flüstere ich.

      Der Würfel ist mehr als ein mechanisches Kunstwerk. Er ist ein Behältnis. Vielleicht eher ein Gefängnis. Dort drin ist das Meer selbst. Die mediterrane See, ihr Geist, ihre Seele. Thalassa.

      Zwischen den feinen Platten des Würfels quillt ein Tropfen hervor. Es ist eine ihrer salzigen Tränen. Mit dem Daumen streiche ich sie weg und führe ihn zu den Lippen. Koste die Träne. Schließe die Augen bei diesem salzigen Geschmack. Schließe die Augen, um ihre Bilder in mich aufzunehmen.

      20. Mai

      Ich war für wenige Minuten an Deck, doch wurde von der Geschwätzigkeit einer älteren Dame ins Innere verjagt. Die Sonne verursachte ohnehin Kopfschmerzen und von der Reling aufs Meer zu blicken, war nicht sonderlich erbauend.

      Mir ist jedoch klar geworden, dass ich mich hier an Bord der Steampunk Queen unauffällig einfügen kann. Meine verschrobene Persönlichkeit und meine Unkenntnis sozialer Gepflogenheiten fallen hier nicht ins Gewicht. Ein Blick auf die Passagiere und die Mannschaft hat mir diese Erkenntnis gebracht.

      Am Morgen ist die Leiche der Schiffseignerin von Bord gebracht worden. Der erste Tod, bevor die Überfahrt überhaupt beginnt. Zu kümmern scheint das keinen. An Bord wird ausschweifend die Freizeit genossen und einige der Passagiere unternehmen einen Ausflug zur Île d’If in die alte Gefängnisanlage.

      Ich nehme den Würfel zur Hand, wische die hervorquellende Träne ab und koste ihren Geschmack. Ein Gefängnis für das Meer. Ja, ein Gefängnis, so muss ich es wohl nennen.

      Ich habe sie eingesperrt. Es war eine lange Suche, bis ich sie fand. Thalassa mir nach all den Mühen in die Falle ging. Nicht weit von hier, in der Stadt Marseille, im Delta der Rhone stieg sie aus einem der Etang der Camargue, der Marschlandschaft zum Mittelmeer. Halb durchsichtig, den gehörnten Kopf stolz erhoben, angstfrei auf mich blickend. Und dann war da der Würfel, entfaltet zu ihren Füßen, auf den sie trat, der sich schloss, sie in sich aufnahm und einsperrte. Die unbestechliche Mechanik arbeitete wie vorgesehen.

      Jetzt ist sie hier, meine Thalassa, und reist einmal über das Meer, über sich selbst. Von Nord nach Süd, von West nach Ost. Der Weg, um sie zu bändigen. Mich ihrer Macht zu bedienen.

      Ich höre das Ausflugsboot, diesen leicht stotternden Dampfmotor. Die Ausflügler haben die Gefängnisinsel verlassen und kehren zurück.

      »Du musst nicht auf einem kargen Felsen ausharren«, flüstere ich und weiß, dass ihr Dasein in dieser Kabine, in diesem Würfel, so nah dem Meer, wenige Meter über der Oberfläche, vergleichbar mit einem Ausharren auf der Felseninsel ist. Ein lichtloser Kerker, das Geräusch schlagender Wellen.

      21. Mai

      Wir erreichen Genua und ich blicke aus dem Bullauge auf die historienreiche italienische Stadt. Demonstranten brüllen uns lautstark ihre Parolen entgegen. Es liegt der widerliche Gestank eines politischen Umsturzes in der Luft.

      Die Regeln ändern sich, der Rahmen ändert sich. »Das gilt auch für dich.« Ich habe den Würfel in der Hand und stelle mir Thalassa vor, ihre ungreifbare Form, nun eingeschlossen. Nur ihre Tränen treten hervor, langsam, aber stetig. Ich trinke sie, jede einzelne, und die Bilder gehen mir nicht mehr aus dem Kopf. Und mehr noch.

      Das Bullauge ist geschlossen, und doch nehme ich jedes einzelne Wort der Faschisten dort im Hafen wahr. Ich rieche den Rauch, der auf und über der Stadt liegt, höre die Dampfwagen, wie sie durch die Straßen stampfen.

      Das Schiff selbst hat sich verändert, auch hier gibt es neue Regeln, eine neue Situation. Diebe, die durch die Flure schleichen, Spione und Mörder, Ermittler und solche, die sich dafür halten. Ich höre sie alle in der Nacht, neben dem Rauschen der Postzylinder in den Rohren, das Stampfen der Kolben der Maschinen, das Zischen entweichenden Dampfs. Und das Umpflügen des Meeres durch die Schaufelräder, rhythmisch, aber nicht weniger aufwühlend.

      Es ändert sich alles, im Kleinen wie im Großen. Draußen sind die italienischen Faschisten und greifen alsbald nach der Macht. Auf dem Schiff wird der Dekadenz gefrönt, auf den Tod angestoßen und deutlich gemacht, dass auch hier auf der Steampunk Queen etwas unter der Oberfläche brodelt. Es schreit nach Umsturz. Die Dampftechnik schützt nicht, sie blendet.

      »Altes vergeht«, flüstere ich dem Würfel zu und Thalassa vergießt eine weitere Träne. Mein Umsturz wird kommen, der der anderen wird dagegen klein sein.

      22. Mai

      Eine weitere italienische Stadt ist erreicht. Faschistische Demonstranten bleiben uns in Neapel erspart. Ich bleibe an Bord, bleibe in meiner Kabine an der Seite Thalassas, und doch erkenne ich mit einem Blick, wie anders Neapel im Vergleich zu Genua ist.

      Die Stadt hängt Jahrzehnte hinterher, der Fortschritt hat kaum Einzug gehalten. Da verwundert es nicht, dass heute ein Ausflug nach Pompeji geplant ist. Dort ist das Alte konserviert, frühere Leben, eingeschlossen in Asche.

      »Das Alte vergeht«, wiederhole ich. Aber es verschwindet nie vollständig.

      Ich nehme den Würfel und betrachte ihn von allen Seiten. Er ist für die Ewigkeit konstruiert. Thalassa wird in ihm konserviert. Doch im Gegensatz zu den veraschten Bewohnern Pompejis ist Thalassa noch sehr lebendig. Sie kann um ihr Schicksal weinen.

      Ich warte mittlerweile auf jede Träne, die zwischen den Platten hervorquillt, kann es nicht mehr erwarten, sie auf der Zunge zu schmecken. Ihr Bild steht klar vor meinen Augen. Sie ist nicht länger durchsichtig, sondern hat eine klare Kontur. Ihre Form zeichnet sich gegen die anderen Elemente ab. Sie steht vor dem Himmel, sie steht vor der Erde, sie steht vor dem Feuer.

      Sie steht vor dem Feuer.

      25. Mai

      Die Passagiere und die Mannschaft nehmen mich nicht mehr wahr. Sie sehen mich nicht, wenn ich mich zwischen ihnen bewege. Sie hören meine Worte nicht, doch ich spreche sowieso wenig. Ich fließe unsichtbar wie teilnahmslos zwischen ihnen, in den wenigen Momenten, wenn ich meine Kabine verlasse.

      Nur der mechanische Mann sieht mich noch, blickt mich mal traurig, mal gehetzt an. Aber wir sprechen nicht, halten nicht voreinander inne.

      Wir liegen vor Tunis, Nordafrika, und einige der Passagiere haben sich zu den Ausgrabungsstätten von Karthago aufgemacht. Die mythische Stadt, hingeschlachtet und verschlissen.

      Eine Sagenstadt. Und an Bord der Steampunk Queen Sagengestalten. Thalassa in ihrem Würfel ist dagegen normal. Die Technik hat die Magie abgelöst, aber das Sagenhafte ist geblieben.

      Das Schiff schwebt über dem Wasser, die Dampftechnik lässt uns immer schneller die Welt erobern und sogar künstliches Leben erschaffen. Der mechanische Mann lässt mich darüber nachdenken, wie echt ich selbst eigentlich noch bin.

      Ich scheine mich in der Realität zu verzerren. Thalassa, die Sagengestalt, gefangen in der sagenhaften Technik des Würfels. Es ist eine Veränderung, eine Umkehrung gar.

      Ich nehme es an, dieses Opfer, jetzt nach der ersten Nord-Süd-Passage. Seit heute weine ich selbst.

      28. Mai

      Wo,

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