Operation Werwolf - Ehrensold. Uwe Klausner

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Operation Werwolf - Ehrensold - Uwe Klausner

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wie sie die Freitreppe hinunterging, die Schritte auf dem Kiesweg vor dem Herrenhaus am Neuruppiner See, das herumwirbelnde Herbstlaub, bleifarben und vermodert, die Abfahrt des Taxis vor der Toreinfahrt, das mit aufheulendem Motor davonraste, als befände sich die Insassin auf der Flucht, all das würde er nie vergessen.

      »Sieht wirklich schlimm aus, Herr Doktor, keine Frage.« Vor fünf Jahren, als er zur Kripo ging, war es dann zum Bruch zwischen ihm und seinem alten Herrn gekommen. Sydows Weigerung, die Tradition des Hauses fortzuführen und wie sein Vater in den diplomatischen Dienst einzutreten hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. An Versuchen, den Riss zwischen ihm und dem Chef des Hauses zu kitten, hatte es zwar nicht gemangelt. Doch selbst seine Schwester, bei seinen Eltern schon seit Kindertagen die Nummer eins, hatte es nicht geschafft, den Disput zwischen Vater und Sohn zu beenden. Sein alter Herr machte ihm zum Vorwurf, dass er zur Kripo gegangen war, unter anderem, weil er die Meinung vertrat, für einen von Sydow zieme sich so was nicht. Wie nicht anders zu erwarten, hatte der so Gescholtene die Kritik nicht auf sich sitzen lassen und argumentiert, als Ministerialdirigent im Außenministerium mache sein Vater mit den Nazis gemeinsame Sache. Für Letzteren Grund genug, den Filius in hohem Bogen vor die Tür zu befördern und sämtliche Leinen, die Sydow mit ihm verbanden, abrupt und unwiderruflich zu kappen. Er selbst ließ es geschehen – und dachte trotz aller Wehmut nicht im Traum daran, den Kontakt zu seiner Familie wieder aufzunehmen.

      »Stur wie ein Preuße«, wenn es jemanden gab, auf den der Vergleich zutraf, dann war es Tom Sydow, Kommissar bei der Kriminalinspektion Berlin. »Wie Sie bereits sagten, Herr Doktor: Die Rekonvaleszenz der Patientin geht vor.«

      »Aber?«

      Sydow gab ein ratloses Schnauben von sich, gestikulierte ziellos mit der Hand und dachte kurz nach, bevor er weitersprach: »Sie sagten doch, das Mädchen sei übern Berg, oder verstehe ich Sie da falsch?«

      »Keineswegs«, gab Wilmers mit entschiedener Miene zurück, nahm die Brille ab, um sie am Ärmel seiner Kutte abzureiben, und sah sein Gegenüber abwägend an. »Aber das hat nicht viel zu sagen, Herr Kommissar. Sie sehen ja selbst, der linke Arm des Mädchens ist gebrochen, und ich denke, wir können davon ausgehen, dass sie sich ein schweres Schädel-Hirn-Trauma zugezogen hat. Ob und inwieweit das Nervenzentrum in Mitleidenschaft gezogen wurde, können wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sagen. Dazu wäre es zu früh, die Untersuchungen sind noch im Gange. Sicher ist, das Mädchen hat ordentlich was abbekommen, dazu Hämatome, Blutergüsse und Schwellungen an den Armen. Von daher wage ich zu bezweifeln, ob es Sinn macht, sie einer polizeilichen Befragung zu unterziehen.«

      »Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, aber …«

      Der Chirurg schüttelte entschieden den Kopf. »Ich kann verstehen, was in Ihnen vorgeht, Herr Kommissar. Es ist Ihre Aufgabe, den Vorfall so schnell wie möglich aufzuklären, und als Privatmann habe ich vollstes Verständnis dafür. Aber als Arzt muss ich darauf bestehen, dass das Wohlergehen der Patientin Vorrang hat, ungeachtet der Konsequenzen, die sich daraus ergeben.« Die Hände abwehrend in die Höhe gestreckt, ließ sich Wilmers nicht erweichen. »Bitte üben Sie sich in Geduld, die Patientin braucht dringend Ruhe.«

      »Ich möchte Ihnen ja nicht zu nahe treten, aber mit Geduld allein kommen wir hier nicht weiter.«

      »Versetzen Sie sich doch mal in ihre Lage, Herr Kommissar. Von einem wildfremden Mann halbtot geprügelt zu werden, das muss man doch erst mal verkraften. Bedeutet, wie es mit ihrer Psyche steht, möchte ich gar nicht wissen. Bei allem Verständnis, schlagen Sie sich das mit der Vernehmung aus dem Kopf. Als Mediziner kann ich die Belastung nicht verantworten.«

      »Eine Frage noch, Herr Doktor. Gibt es Anhaltspunkte, die auf eine Vergewaltigung schließen lassen?«

      »Sagen wir mal so: Es sieht so aus, als habe er es versucht.«

      »Er?«

      »Na, der Täter, um wen auch immer es sich gehandelt haben mag. Wenn wir gerade dabei sind: Wenn man auf Volkes Stimme hört, dann steht seine Identität ja wohl fest, oder?«

      Sydow schnaubte amüsiert. »Schön wär’s. Um ganz ehrlich zu sein, wir haben nicht mal eine heiße Spur.«

      »Und wer tut so was?«

      »Ich wäre froh, wenn ich es wüsste, Herr Doktor Wilmers.«

      »Jetzt machen Sie aber mal einen Punkt, Herr Kommissar«, hielt der Chirurg in einem Anflug von Unverständnis dagegen, die Brille zwischen Daumen und Zeigefinger, an der er mit geistesabwesendem Blick herumhantierte. »Sie wissen doch genau, wer als Mörder infrage käme, oder sehe ich das falsch?«

      »Glauben heißt nicht wissen, Herr Doktor Wilmers«, machte Sydow dem Rätselraten ein Ende, deutete auf die Patientin und sagte: »Sie sagen also, er hat versucht, das Mädchen zu missbrauchen?«

      »Missbrauch ist gut!«, stieß der Stationsleiter erbittert hervor, sichtlich mitgenommen, wie das Zittern der wohltönenden Tenorstimme bewies. »Sagen wir mal so, ich muss lange zurückdenken, um mich an einen ähnlich schwerwiegenden Vorfall zu erinnern.«

      »Sie werden es nicht glauben, ich auch.«

      »Falls es Sie tröstet, Herr Kommissar, ich möchte nicht in Ihrer Haut stecken.« Die Stirn in einem Meer von Falten, die wie Risse in einer antiquierten Stuckdecke anmuteten, setzte Wilmers die Brille wieder auf, kratzte sich nachdenklich an der grau melierten Schläfe und ließ den Blick auf der 17-jährigen Patientin ruhen. »Wundmale an der Vagina, Kratzspuren am Oberschenkel, dazu Blutspuren im Schlüpfer. Ich kann mir nicht helfen, Herr von Sydow, aber wenn ich mir vorstelle, was noch alles hätte passieren können, dann bekomme ich das kalte Grausen.«

      »Auch da kann ich Ihnen nur zustimmen, Herr Chefarzt. Apropos: Das ›Von‹ können Sie sich sparen, mit der Etikette habe ich es nicht so.«

      »Und Sie sich die umständliche Anrede, mein Nachname tut es voll und ganz.«

      »Na, dann wären wir uns ja einig«, erwiderte Sydow und rang sich zu einem schwachen Lächeln durch. »Jedenfalls beinahe, wenn ich das mal so sagen darf.«

      »Wie darf ich das verstehen?«

      »Sehen Sie mal: Ich – beziehungsweise wir alle – wir alle sitzen doch im gleichen Boot.«

      »Inwiefern?«

      Die Hände auf dem Sims, ließ Sydow den Kopf auf die Brust sacken. Die Anspannung forderte ihren Tribut, und es fiel ihm immer schwerer, den Faden nicht zu verlieren. »Sie gestatten, dass ich Ihnen eine Frage stelle?«

      Bodo Wilmers deutete ein Nicken an.

      »Haben Sie Kinder?«

      Der Stationsleiter pflichtete nickend bei. »Zwei, falls Sie es genau wissen wollen – einen Sohn und eine 15-jährige Tochter, wieso …?«

      Im Begriff zu antworten, brach Wilmers unvermittelt ab. »Hartnäckig sind Sie ja, das muss Ihnen der Neid lassen.«

      »Ach, wissen Sie, das bringt mein Beruf so mit sich«, schmunzelte Sydow und ließ es sich nicht nehmen, Kalinke einen vielsagenden Blick zuzuwerfen. »Mein Kollege und ich sind da einiges gewohnt. Was unsere Stammkunden betrifft, gibt es nichts, was uns beide aus der Bahn werfen kann. Und wenn wir gerade von Hartnäckigkeit reden, die gehört nun mal zum Geschäft.«

      »Und was ist mit Ihnen?«

      Sydow stutzte. »Bedaure, wenn ich Ihnen gerade nicht folgen kann,

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