Pfaffensud. Andreas Schröfl

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Pfaffensud - Andreas Schröfl

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Graffiti hat der Sanktus ja jetzt schon lange Jahre gekannt, und dessen Gesichtsausdruck nach war er gerade bei etwas äußerst Unangenehmem ertappt worden. Der Sanktus hat Angst, Wut und Hass gesehen und ist sich vorgekommen wie ein Jedi-Ritter, der die innersten Gefühle und Gedanken anderer Leute durch die »Macht« spüren kann.

      Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid, hat er sich Meister-Yoda-like gedacht. Rausgebracht hat er aber nur: »Ois klar bei euch? Passt ois?«

      »Freillä«, hat der Graffiti gestottert, und der Geistliche hat nur genickt und sich am Sanktus vorbei in Richtung Ausgang gedrängt. Im Vorbeigehen hat der Sanktus gemeint, dass er leise »Verwechslung« gehaucht hat.

      Wie der Sanktus in den Gang vor der Toilette hinausgelugt hat, hat er eine etwa 60-jährige große Dame, die ihn an die Elisabeth Flickenschild aus den Edgar-Wallace-Krimis erinnert hat, ausmachen können. Sie musste die ganze Szene beobachtet haben, da die Klotür, die der Sanktus zuvor mit aller Wucht aufgerissen hatte, hängengeblieben ist, und somit freie Sicht auf die Szene gegeben war.

      »Alles in Ordnung, Frau …?«, hat der Sanktus gefragt, da die Dame einen etwas blassen Teint und verwirrten Ausdruck gehabt hat.

      »Muxeneder, Rosina Muxeneder. Ich bin die Pfarrsekretärin hier«, hat sie gestottert.

      Jetzt hat der Sanktus die Dame angeschaut. Ja, Pfarrsekretärin hat gepasst. Wahrscheinlich hatte sie eigentlich Nonne werden wollen, so war ihr Auftreten. Sie war ganz dunkel gekleidet. Schwarzer Rock, schwarze Strümpfe, dunkelgraue Bluse. Der einzige Farbtupfer war eine goldene Kette mit einem Kreuz um ihren Hals.

      Fast wie bei dem Pfarrer grad, hat sich der Sanktus gedacht.

      Er und der Graffiti haben die Frau angesehen und sie die beiden. Immer wieder hat sie in Richtung Ausgang gelugt, durch den der Geistliche gerade verschwunden war. Sie hat auf die Tür gedeutet, und der Sanktus hat den Eindruck gehabt, als ob sie etwas sagen hat wollen. Dann hat sie wieder den Graffiti angesehen, und der Blick, den sie nun aufgehabt hat, war den Bruchteil einer Sekunde eisig. Nein, eisigst! So, als würde sie den Graffiti einfrieren wollen.

      Logisch, Gedanke vom Sanktus, weil Pfarrsekretärinnen haben es halt gar nicht gern, wenn man Pfarrern in ihren Toiletten an die Gurgel geht. Kurz darauf hat sich die Dame aber schon wieder ein Lächeln abgerungen.

      »Ich glaub, es ist besser, Sie gehen jetzt«, hat sie gemeint.

      »Ja, genau. Pack ma’s«, der Sanktus.

      Murmeln seitens Graffiti.

      »Was war denn das?«, hat der Sanktus beim Hinübergehen, eigentlich eher Hinüberhasten, zur Kirche wissen wollen.

      »Nix.«

      »Wie? Nix? Du hast doch den am Krawattl g’habt. Erzähl mir doch keinen Schmarren, Graffiti«, hat der Sanktus gekontert.

      »Halt die Pappn jetzt. Verwechslung. Hat er doch g’sagt«, hat der Graffiti geschimpft. »Jetzt ist Firmung, und a Ruh is!«

      Der Sanktus hat gewusst, dass er in diesem Moment nicht mehr weiterkommen würde, und war somit wirklich still.

      Auf dem Kirchplatz ist ihm die Kathi schon entgegengekommen.

      »Wo bist denn schon wieder, zefix?«, hat sie gerufen. »Herrschaft, es geht gleich los.«

      »Frau Sanktjohanser«, hat der Sanktus mit mahnender Stimme und erhobenem Zeigefinger deklamiert, »auf dem Platze der Kirche darfst du doch nicht fluchen. Schäme dich, Weib! Wir hatten ein Bedürfnis, dem nachgegangen werden musste.«

      »Hä?«

      »Beim Pieseln waren wir halt, der Graffiti und ich.«

      »Ja, is scho recht. Jetzt komm. Alle sitzen schon drin.«

      5.

      Und jetzt ist dem Sanktus genau das passiert, was er eigentlich mit dem Gang zur Toilette vermeiden hat wollen. Die Leute haben in der Kirchenbank wegen ihm aufstehen müssen, und natürlich Kopfschütteln und abfälliges Gemurmel. Der Kathi war das furchtbar peinlich, nur dem Graffiti war das egal. Er ist einer Übermutter, die sich am lautesten beschwert hat, dass man ja auch pünktlich zum Gottesdienst in die Bank kommen könnte, einfach auf ihre weißen Lackschuhe getreten, ist da drauf kurz verweilt, hat sich freundlich entschuldigt, noch einmal das Gewicht verlagert, damit die Zehen wirklich blau werden würden, und hat sich mit einem Lächeln zum freien Platz neben der Sandy weiter durchgearbeitet. Kommentare der Übermutter gar nicht so christlich.

      Direkt, nachdem der Graffiti gesessen war, hat die Glocke geläutet, die Gemeinde hat sich erhoben, die Ministranten und der Pfarrer Hintermeier, ein mittelgroßer, etwas korpulenter Herr mit Bart und Brille, sind in den Altarraum geschritten, aber dann hat den Sanktus fast der Schlag getroffen, denn die Kathi hatte weit vorn einen Platz ergattert, und somit hat er eine gute Sicht gehabt. Der zweite Geistliche mit der Bischofsmütze, der Abt vom Berg, der die Firmung durchgeführt hat, ist nun aus der Sakristei gekommen, und er war niemand anderes als der Mann, den der Graffiti grad vorher auf dem Pfarrheimklo am Schlawittl gehabt hat.

      Der Sanktus hat zum Graffiti geschaut, und der hat ein diabolisches Lächeln auf den Lippen gehabt. Gar nicht gut. Nein. Gar nicht gut, Meinung vom Sanktus. Gefährlich, aber hat ja jetzt gerade nichts passieren können. Wenn der Sanktus gewusst hätte, wie falsch er mit dieser Schlussfolgerung gelegen ist, hätte er sich nicht so entspannt in die Kirchenbank gefläzt und durchgeschnauft.

      Der Pfarrer Hintermeier hat die Messe in seiner umgänglichen, niederbayerischen sympathischen Art perfekt gestaltet und der Sanktus war froh, dass die Zeit wie im Flug vergangen ist.

      Als die Firmlinge mit ihren Paten vorgetreten sind, hast du ein Blitzlichtgewitter gesehen, dass du meinst, du bist bei den Filmfestspielen in Cannes oder bei der Oscar-Verleihung in Los Angeles. Tausende von selbsternannten Hoffotografen haben sich aus den Bänken geschält, um den besten Blick auf ihre pubertierenden Schratzen zu erhalten und den Schnappschuss ihres Lebens zu machen.

      Der Pfarrer Hintermeier hat die umtriebige Fotografenmenge mit einem Grinsen im Gesicht aufgefordert, sich wieder zu setzen, da er sonst nicht weitermache, und die Kirche dann wohl so lange dauern würde, dass die Weißwürste definitiv das Zwölf-Uhr-Läuten hören würden oder es sie gar zerreißt. Ein Affront im katholischen Bayern, und so hat sich die Menge wieder zurück in die Bank gepresst. Völkerwanderung Scheißdreck dagegen.

      Der Sanktus hat von hinten auf seine Martina geschaut und war stolzer Vater, obwohl sie nicht seine leibliche Tochter war. Aber sie hatte seine Prägung, sprich, sie war halt doch irgendwie eine Sanktjohanser, auch wenn die Pubertät alles versucht hat, um die humorige bayerische Gelassenheit aus ihr zu vertreiben. Ja, sie hat sogar angefangen, daheim Hochdeutsch zu reden, also nach der Schreibe, was den Sanktus wirklich fertiggemacht hat. Aber zwischendrin, also zwischen Telefon und Smartphonewischen, war sie dann wieder ganz die Alte, und der Sanktus hat erneut Hoffnung geschöpft. Sie war halt sein kleines Mäderl und würde es für immer bleiben.

      Der Schorschi, der neben ihm gesessen ist, hat ganz leise gefragt: »Wann ist des endlich aus? Ich hab Hunger!«

      Der Sanktus hat ihm über den Kopf gestreichelt und gemeint, dass es wohl noch 20 Minuten dauern würde.

      »Bei dir dauert immer alles 20 Minuten«, hat der Bub gemeint. »Und dann dauert’s ewig.«

      Der

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