Pfaffensud. Andreas Schröfl
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Pfarrer Remigius Hintermeier, Stadtpfarrer von Sankt Johann Baptist, machte sich auf die Suche nach seinem Kollegen und entdeckte ihn blutüberströmt in der Sakristei am Boden liegend. Anscheinend war er kurz nach der heiligen Messe dort erschlagen worden. Als Tatwaffe kommt die heilige Monstranz aus dem Altar in Betracht. Zeugenaussagen zufolge hielt der tote Ordensgeistliche eine Tarotkarte mit dem Bild des Teufels, auf der die Zahl »5« markiert wurde, in der Hand.
Ob es sich beim Täter um den Unbekannten mit der Luzifermaske, der die katholische Welt seit einigen Wochen in Atem hält (wir berichteten), handelt, oder ob ein Nachahmungstäter seine Hand im Spiel hat, ist bis dato noch nicht geklärt. Ebenfalls unklar ist die Bedeutung der Zahl »5«. Handelt es sich um den fünften Psalm, in dem David den Herrn bittet, Lügner, Mörder und Betrüger zugrunde gehen zu lassen, oder weist »5« gar auf das fünfte Gebot: »Du sollst nicht töten« hin?
Belegt ist jedoch, dass Abt Philipp bereits am Morgen vor der Messe von einem Unbekannten körperlich bedroht wurde. Warum er nach dem Gottesdienst alleine in der Sakristei blieb, ist bisher nicht erklärbar.
Als Resultat bleibt nur ein ungeklärter Mord. Vom Täter fehlt jede Spur, und die Polizei nennt bis dato keinen Verdächtigen. Die Ermittlungen beschäftigen sich nun mit Geschichte und Umfeld des Opfers, in denen das Motiv für die Tat liegen könnten.
Engelbert Praetorius wurde 1974 in München geboren. Er studierte nach dem Abitur zuerst in München und später in Regensburg katholische Theologie. Schon kurz nach dem Studium trat er ins Kloster am Berg ein und nahm den Ordensnamen Philipp an. 2003 wurde Engelbert Praetorius zum Priester geweiht und verbrachte die Jahre danach als Kaplan und Pfarrer in verschiedenen oberbayerischen Gemeinden in der Nähe des Klosters. Den Wunsch, nach München zurückzukehren, hegte Pater Philipp, nach Aussagen seiner Mitbrüder, nie. 2010 wurde Phillip zum Abt des Klosters am Berg gewählt. Philipp galt als umgänglicher, aufgeschlossener Priester, der im Kollegium sowie in den Gemeinden sehr beliebt war und für jeden Gläubigen ein offenes Ohr hatte. Umso unverständlicher ist diese Tat.
12.
Am Dienstagmorgen hat der Sanktus in der Haidhauser Bierwerkel, sein und Hanspeters Craftbeer-Shop mit eigener Hausbrauerei, arbeiten müssen. Das Wetter war gut in diesem Jahr, ihr Biergarten im Innenhof des Häuserblocks an der Einsteinstraße war stets bis auf den letzten Platz gefüllt, und die Gäste haben den Haidhauser Stenz, ihr traditionelles helles Lagerbier, getrunken, als würde es bald keinen Gerstensaft mehr geben. Der Renner war in diesem Sommer 2019 auch das Alt-Münchner Dunkel, das der Sanktus mit seinem Kompagnon rein aus dunklem Malz und im traditionellen Dreimaischverfahren hergestellt hat. Die Farbe war wie sehr dunkles Kupfer und der Geschmack malzig-süß, extrem aromatisch, gepaart mit einer leicht bitteren Note, sodass die Wucht der Süße etwas kompensiert wurde und die Süffigkeit, auf international »Drinkability«, in den Vordergrund getreten ist.
Der Sanktus hat gerade einen Stenz gebraut und die Maische in den Läuterbottich abgemaischt. Der Hanspeter, immer noch Brauer beim Münchner Sternbräu, war in der Arbeit und der Sanktus somit allein. Ein Damoklesschwert ist jedoch noch über ihm geschwebt, da sich die Birthe angemeldet hatte, weil sie »mal so ’ne kleene Brauerei« sehen hat wollen. Sie kannte ja nur die großen aus dem Osten, die du jetzt immer im Fernsehen sehen kannst. Aber hoffentlich würde dieser Kelch zumindest heute an ihm vorübergehen, da die Geschichte um die Leiche des Abts das Tun der Landeshauptstadt bis dato vollends bestimmte. Somit wahrscheinlich auch das der beiden Damen, und die Birthe würde dem Sanktus erspart bleiben.
Heute in der Früh hatte die Anna die Martina abgeholt. Sanktus’ Schwester hatte ihr zur Firmung 14 Tage Griechenland geschenkt. Ein Traum, den die Jugendliche schon lange hatte. Der Schorschi hat natürlich sofort aufbegehrt, denn er will ja schließlich dann auch wegfahren, wenn seine Schwester das darf, weil Ungerechtigkeit sondergleichen, und so geht’s ja wirklich nicht! Hier hatte sich dann der alte Sanktjohanser geopfert und ist mit dem Schorschi kurzerhand in die Berge gestartet. Er hatte den Buben eine Viertelstunde, bevor die Martina los ist, abgeholt, und so war der Kleine happy, weil länger weg als seine große Schwester.
Wenn du denkst, ja super, die Kinder aus dem Haus, wie romantisch, hast du nicht bedacht, dass die Birthe ja noch die Wohnung okkupiert hatte und die Kathi auf einmal so um den Sanktus herumgeschwänzelt ist, ihm schöngetan und gefragt hat, ob es ihm was ausmache, wenn ihre Freundin noch ein bisserl bleiben würde. Der Sanktus, der ja Gott sei Dank mit dem Graffiti dahingehend ein Flucht-Scenario erörtert hatte, hat sich großzügig gegeben und damit natürlich viele Busserl kassiert. Seinen Umzug zum Graffiti hat er lieber noch nicht erwähnt. Sicher ist sicher, hat der Bauer gesagt und den toten Hund an die Kette gelegt, Gedanke vom Sanktus.
Kurz nachdem die Läuterruhe vorbei war und er nach dem Vorschießen und Trubwürzepumpen die Fließgeschwindigkeit der Vorderwürze eingestellt hatte, hat es an der Eingangstür zur Bierwerkel geklopft. Der Sanktus, der gemeint hat, dass es sicherlich der Postbote, der wieder einen Haufen Rechnungen bringen würde, sein musste, ist zum Öffnen gegangen.
Doch beim Postboten weit gefehlt. An der Tür waren der Pfarrer Hintermeier und ein afrikanischer Kollege. Beide haben ziemlich betreten dreingeschaut und dem Sanktus angedeutet, dass sie gerne eintreten würden.
Der Sanktus hat natürlich geöffnet, weil zwei Hochwürden kannst du ja schließlich nicht mitten im Hinterhof stehen lassen. Geht doch wirklich nicht.
»Griaß di, Sanktus«, hat der Hintermeier angefangen. »Jetzt schau ned so kariert. Kennst mi nimmer, oder? I hob’s da doch scho am Freitag g’sagt, dass du mir so bekannt vorkommst. Ha? Sog, alte Wirtshaushupen.«
»Woas host du gerade gsack?«, hat der anscheinend aus Afrika stammende Kollege wissen wollen.
»Alte Wirtshaushupe, which means old tavern horn«, hat der Hintermeier erklärt. »An urold Bavarian expression, woaßt, Sepp. Sanktus, das ist der Pater Joseph Mbewu aus Südafrika. Sozusagen der Mbewu Sepp. Sepp, das ist der Sanktus, und jetzt schau ma, ob er sich wieder erinnert, woher er mi kennt.«
»Griaß dee, Sanctus«, hat der Pater Mbewu den verdutzten Sanktus begrüßt. »Gfreit me, dick kennen su learnen.«
»Servus, Sepp, freut mich aa, aber woher kennen mir zwei uns jetzt, Herr Pfarrer?«
»Jetzt überlegst amal. Warst doch früher aa scho g’scheit. Denk mal nach. Ich sag nur Simon-Knoll-Platz. Schnackelt’s?«, hat der Hintermeier lachend gefragt.
Jetzt hat es im Sanktus-Hirn wieder einmal geraucht, aber die Glut ist einfach nicht entfacht worden.
»Ich komm ned drauf! Echt ned!«
»Da Prälaten-Migi. Sagt da des nix?«
»Der Prälaten-Migi vom Hinterviehbacher Klosterbräu. Der kleine Dicke …«
»No, no, no, gell! So schlimm war i aa wieder ned«, hat sich der Hintermeier verteidigt.
»Na, ja. A bisserl grenzlastig warst schon! Ja verreck, der Migi! Von was war denn das eigentlich die Abkürzung?«
»Remigius, Sanktus, Remigius!«
»Sanktus Remigius. Tät sich gleich gut anhören, gell«,