Goettle und der Kaiser von Biberach. Olaf Nägele
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Читать онлайн книгу Goettle und der Kaiser von Biberach - Olaf Nägele страница 12
Sie sah Schneider an und ihr Tagtraum platzte. Bei dem Anblick seiner Leichenbittermiene konnte einem die Lust auf eine romantische Ausfahrt vergehen, und von Sahneschnittchen war der Kollege meilenweit entfernt.
Nach zehn Minuten stoppte Hauptkommissar Schneider den Dienstwagen vor einem schmiedeeisernen Tor. Hinter einer weißen Steinmauer ragte ein mehrgeschossiges Fachwerkgebäude in die Höhe, ein großer Park mit wuchtigen Bäumen umsäumte das Haus. In der Einfahrt parkte ein blauer Porsche Cayenne, der in der Sonne leuchtete wie ein Saphir.
Greta entließ einen kleinen Pfiff durch die Zähne.
»Nicht schlecht. Die Dame haust ja nahezu fürstlich und hat offensichtlich auch einen Chauffeur, der täglich den Wagen wienert.«
Schneider nickte. »Hier stand früher ein Wasserschloss. Es ist im Jahr 1487 abgebrannt. Und dann wurde dieses Gebäude hier errichtet. Schauen Sie sich die Fassade an, Renaissance. In den 60er-Jahren wurde das Schmuckstück grundlegend restauriert, natürlich wurden originale Bauelemente verwendet. Und der Garten, ist der nicht herrlich? Es gibt sogar einen Brunnen.«
Greta betrachtete ihren Kollegen genauer. Es war das erste Mal, das Schneider so etwas wie Begeisterung zeigte.
»Aha, und woher wissen Sie das alles?«
»Das Haus stand lange zum Verkauf. Damals hatte ich eine Freundin, die bei dem Immobilienmakler arbeitete, der das Schloss an den Mann bringen wollte. Sie hat mich mal herumgeführt.«
Er errötete.
Greta bohrte nicht weiter nach und hatte Mühe, die semierotischen Bilder zu verdrängen, die Schneiders Unsicherheit hervorgelockt hatten. Gab es einen Ausschaltknopf für Kopfkino?
Sie drückte auf die Klingel und eine blecherne Stimme ertönte aus der Sprechanlage: »Ja, bitte?«
»Frau Kaiser? Kommissar Schneider und Hauptkommissarin Gerber von der Kripo Biberach. Wir würden gern mit Ihnen reden.«
Eine Sekunde herrschte Stille, dann summte der Türöffner.
Wenig später saßen die beiden Polizisten im Arbeitszimmer von Ilka Kaiser, das mehr einem Raum in einem Museum ähnelte als einem Büro. In der Ecke erinnerte eine Ritterrüstung an die einst hochherrschaftliche Geschichte des Gebäudes, an den Wänden hingen Ölgemälde. Schwere Vorhänge nahmen dem Zimmer das Tageslicht.
Ilka Kaiser saß auf einem reich verzierten Holzstuhl mit hoher Rückenlehne und erinnerte in diesem Ambiente mit ihrer rotblonden Lockenpracht, den kirschrot geschminkten Lippen und dem tief dekolletierten blauen Kleid, das nicht verbergen konnte, dass die Mittvierzigerin den leiblichen Genüssen zugeneigt war, an die Konkubine eines Adligen. Sie sah die beiden Polizisten durchdringend an.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie. Sie fingerte eine Zigarette aus einer Schachtel, nahm Feuer von einer Kerze und blies den Rauch in die Luft.
Diese Coolness ist nicht ganz echt, dachte Greta.
Die Fußspitzen der Dame wippten auf und ab.
»Haben Sie heute schon Zeitung gelesen?«, begann Schneider.
Frau Kaiser nahm noch einen Zug von der Zigarette, inhalierte tief, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, ich bin gestern erst spät von einem Außendreh nach Hause gekommen. Und heute Morgen war Kostümprobe, da bin ich noch nicht dazu gekommen, mich um das Weltgeschehen zu kümmern.«
»Ah, sind Sie Schauspielerin?«, hakte Greta nach.
»Nein, Produzentin. Ich unterstütze einen jungen Filmemacher, der kurz davor ist, seinen internationalen Durchbruch zu erleben. Arthur Kessler, wahrscheinlich haben Sie schon von ihm gehört. Sehr begabter Mann.«
Ilka lächelte selbstgefällig.
Durchbruch. Fragt sich nur in welche Richtung, dachte Greta Gerber.
»Nein, habe ich nicht«, antwortete sie. »Frau Kaiser, wenn Sie heute Morgen Zeitung gelesen hätten, dann hätten Sie dieses Foto sehen können.«
Die Hauptkommissarin überreichte Ilka Kaiser die Seite mit dem Artikel über den Toten. »Kennen Sie den Mann?«
Ilka Kaiser kniff die Augen zusammen.
Typischer Fall von Altersweitsichtigkeit, aber zu eitel, um eine Brille zu tragen.
Die Ehefrau des Toten las den Artikel, betrachtete das Foto, zögerte einen Moment, dann gab sie das Stück Papier zurück.
»Nein, den Mann habe ich noch nie gesehen.«
Greta bemerkte, dass etwas nicht stimmen konnte. Ilka Kaiser vermied den direkten Augenkontakt, während sie das Erkennen leugnete.
»Frau Kaiser, sehen Sie genau hin. Wir haben Hinweise bekommen, dass es sich bei dem Toten, den wir am Badesee bei Ummendorf gefunden haben, um Ihren Ehemann handelt.«
Schneider schob ihr den Zeitungsausriss noch einmal hin. Greta ärgerte sich über die ungestüme Vorgehensweise des Kollegen; in solchen Situationen galt es, Empathie zu beweisen. Aber Schneider war so einfühlsam wie eine Abrissbirne im Einsatz.
Die Befragte beugte sich noch einmal über das Foto, sie sah ganz genau hin, dann begannen ihre Mundwinkel zu zucken und die Hände zu zittern. Die Zigarette entglitt ihr, fiel auf die Tischplatte. Schneider ergriff den Glimmstängel, bevor es zu einem Brandloch kommen konnte, öffnete ein Fenster und warf die Zigarette hinaus.
Ilka Kaiser sackte in sich zusammen. Sie starrte in die Leere, eine einsame Träne rollte ihr über die Wange.
»Aber … wie kann denn das sein? Er ist doch schon tot«, schluchzte sie.
»Ist das Ihr Mann?«, fragte Greta Gerber.
Ilka Kaiser schniefte und betrachtete das Bild noch einmal. Sie zuckte leicht die Schultern. »Er sieht so anders aus. Aber die Augen. Und die Narbe. Er könnte es sein. Aber auch wieder nicht. Er ist doch schon so lange tot.«
Die Schlossherrin schlug die Hände vor das Gesicht und wurde von einem heftigen Weinkrampf geschüttelt.
Im Gang ertönten Schritte, die Tür wurde aufgerissen, ein junger Mann, den Greta auf maximal Ende 20 schätzte, trat herein. Seine langen Haare hatte er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, ein Dreitagebart betonte seine markanten Konturen. Er steckte in einem teuren Anzug, vermutlich maßgeschneidert, der seine athletische Figur noch mehr zur Geltung brachte.
»Schatz, ich muss dringend los. Hast du die Verträge für die Special-Effects-Leute schon fertig?«, rief er, als er das Zimmer betrat.
Er stutzte, als er die beiden Polizisten sah. »Oh, du hast Besuch?!«
»Hauptkommissarin Gerber und Kommissar Schneider. Guten Tag.«
Greta Gerber zückte ihre Dienstmarke, Kollege Schneider tat es ihr nach.
»Und