Goettle und der Kaiser von Biberach. Olaf Nägele

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Goettle und der Kaiser von Biberach - Olaf Nägele

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      Greta notierte sich die Adresse des Fundorts, wollte aufspringen und besann sich dann doch einer gemächlicheren Bewegung, zumal die Kässpätzle im Magen zu einem mächtigen Gebilde aufgequollen waren, dessen Gewicht sie in den Stuhl drücken wollte. Auf dem Weg zum Ausgang sah sie Schneider mit Kollegen an einem Tisch sitzen. Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter.

      »Wir haben einen Fall. Ein Toter am Badesee bei Ummendorf. Erschossen. Wir müssen da sofort hin.«

      »Ein erschossener Toter? Och Mönsch, ich esse doch gerade«, maulte Schneider und sah sein fast unberührtes Schnitzel wehmütig an.

      »Dann nehmen Sie halt das Stück totes Tier mit«, grantelte Greta. »Aber wehe, Sie krümeln damit im Dienstwagen rum. Dann sorge ich dafür, dass Ihnen die nächste Innenreinigung in Rechnung gestellt wird.«

      Schneider grummelte noch ein paar Flüche in seinen nicht vorhandenen Bart, warf sein Besteck auf den Teller und folgte ihr.

      Durch und durch Schwabe, dachte Greta. Dieser Schneider hungerte lieber, als die Kosten für eine Autoreinigung zu übernehmen.

      Am Ufer des Sees waren die Kolleginnen und Kollegen der Spurensicherung schon zugange. Es wurde fotografiert, jeder Grashalm umgedreht, nach Haaren, Hautschuppen, Zigarettenkippen, Fußspuren, nach Kleinigkeiten gesucht, die einen Hinweis auf den Täter geben konnten. Greta blinzelte gegen die blendende Maisonne an, die alle Pflanzen und Gegenstände zum Leuchten brachte.

      Sie kroch unter dem Absperrband hindurch, bewegte sich auf die Spurensicherer zu, kniete sich neben den Mann, der die Leiche untersuchte, und stellte sich vor.

      »Oliver Raible von der Gerichtsmedizin in Ulm«, erwiderte der Mittdreißiger, der in seinem weißen Schutzanzug ein wenig wie ein Spermium aus Woody Allens Film »Was Sie schon immer über Sex wissen wollten …« aussah.

      Greta Gerber nickte anerkennend. Trotz der längeren Anreise war er noch vor der Polizei vor Ort.

      »Sie sind wohl hergeflogen. Respekt«, sagte sie.

      Raible lächelte. »Ich wohne in Biberach, daher musste ich meine Flugkünste nicht unter Beweis stellen.«

      »Lässt sich schon etwas über die Todesursache und den Zeitpunkt der Tat sagen?«

      Raible drehte den Kopf des Opfers zur Seite. Greta kämpfte angesichts der klaffenden Wunde an der rechten Schläfe mit dem Würgereiz, und auch Schneider nahm eine Gesichtsfarbe an, die ihm mühelos einen Nebenjob in einer Geisterbahn verschafft hätte.

      »Ich würde sagen, Kopfschuss mit einer kleinkalibrigen Pistole aus nächster Nähe. Und vorher hat er mit einem schweren Gegenstand offenbar eins übergebraten bekommen. Der Todeszeitpunkt liegt schon ein paar Tage zurück. Mehr kann ich erst …«

      »Nach der Obduktion sagen«, ergänzte Greta den Satz.

      Raible schnitt eine Grimasse. »Na ja, er lag eine ganze Weile im Wasser. In diesem weißen Plastiksack hat er gesteckt, der wahrscheinlich mit Steinen beschwert war, um ihn am Grund zu halten. Irgendwann ist das Plastik gerissen und er wurde nach oben geschwemmt. Ein Glück, dass noch nicht so viele Badegäste hier sind.«

      Greta schauderte bei dem Gedanken, dass planschende Kinder den Toten hätten entdecken können. »Haben wir die Tatwaffe?«

      Raible schüttelte den Kopf. »Die Taucher sind bestellt und werden den See absuchen.«

      »Hatte das Opfer Papiere bei sich?«

      Erneut verneinte der Mediziner. »Keine Brieftasche, keine Papiere. Er hatte lediglich ein bisschen Kleingeld dabei.«

      »Wer hat ihn gefunden?«

      »Die zwei Athleten da drüben.«

      Raible wies mit dem Kopf nach links.

      Greta sah zwei übergewichtige Männer in Badehose auf einer Bank sitzen, die einem Polizisten Rede und Antwort standen. Sie ging zu ihnen, stellte sich vor und begann mit der Befragung.

      »Ist Ihnen irgendetwas aufgefallen?«

      »Mir waret beim Schwemma und hen den Sack g’seha ond na hab i zum Markus g’sagt: Guck amol, da schwemmt a Gugg. Do hen welche wieder ihren Gruschd ens Wasser g’schmissa. I sag’s Ihne, i ben ganz fertig.«

      Greta sah Schneider Hilfe suchend an.

      »Die beiden haben den Sack, in dem sich der Tote befand, im Wasser treiben sehen und waren der Meinung, dass da Umweltsünder Unrat entsorgt haben. Er ist sehr aufgewühlt«, übersetzte ihr Assistent.

      »Ja, ond dann hem mir die Gugg rausg’fischt ond no isch ons erschd an Chrischtboom uffganga.«

      »Chrischtboom«, wiederholte die Hauptkommissarin Greta Gerber tonlos, Schneider verdrehte die Augen.

      »Sie haben den Sack an Land gebracht und haben entdeckt, welch brisanter Inhalt in ihm steckt. Da sei ihnen ein Licht aufgegangen.«

      Sie nickte und gab dem Sprecher der beiden ein Zeichen fortzufahren.

      »Der Markus isch dann zum Bademoischder g’wetzt ond hot d’Polizei angrufa.«

      Schneider holte Luft, um zur Übersetzung anzusetzen, doch Greta stoppte ihn mit einer Handbewegung. »Haben Sie etwas angefasst?«

      »Ag’langt hem mer nix.«

      »Was?«

      »Nein, hat er gesagt.«

      Greta wandte sich an den Polizisten, der alles eifrig mitnotiert hatte.

      »Nehmen Sie die Personalien der beiden Herren auf und versuchen Sie, ein Porträt des Toten anzufertigen. Also eines, das ihn unversehrt zeigt. Es ist davon auszugehen, dass wir einen Aufruf über die Medien machen müssen, und wir wollen die Bevölkerung ja nicht schocken. Und Sie, Herr Schneider, fahren ins Büro zurück und sehen den Ordner mit den Vermisstenanzeigen durch. Vielleicht befindet sich dieser Herr ja darunter.«

      Schneider schnaubte empört. »Und was machen Sie?«

      »Ich sehe mich hier noch ein bisschen um. Die Frage ist, wie konnte der Täter die Leiche hierherbringen? Das Gelände ist doch eingezäunt.«

      »Aber et überall«, meldete sich einer der beiden Badegäste. »Dohenta, beim Angel- und Gewässerschutzverei, da kommt mr ans Ufer. Isch aber verbota.«

      Da hat sich der Täter wohl mehrfach strafbar gemacht, dachte Greta.

      Als sie drei Stunden später das Büro betrat, bereitete sich Denis Schneider gerade auf seinen Feierabend vor. Die blonden Haare hatte er nach hinten gegelt, eine schwere Duftwolke umwaberte seine Gestalt, seine Alltags-Uniform hatte er gegen ein blaues Poloshirt, eine ockerfarbene Chino-Jeans und Sneakers mit Troddeln getauscht. Vor allem Letzteres empfand Greta Gerber als schweren Verstoß gegen jegliche Ästhetik. Die Bommel an den Schuhen, ein Symbol der 80er, dieser Dekade, in dem sich nahezu jeder modemäßig zum Affen gemacht hatte, hatten in dieser Zeit nichts zu suchen. Oder sollte tatsächlich die Rückkehr zu Schulterpolster und Dauerwelle auf der Agenda der Modeschöpfer stehen?

      »Wo wollen Sie denn hin?«

      Schneider

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