Challenge Ironman. Frank-Martin Belz
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MARKE
Valerie Silk übernahm die alleinige Organisation der Veranstaltung und traf einige weitreichende Entscheidungen: Sie gründete die „Hawaiian Triathlon Corporation“ und verlegte das Rennen von Oahu nach Big Island. Der Hauptgrund für die Verlegung war der Verkehr in der Hauptstadt Honolulu, der die Ausrichtung der Veranstaltung schwierig gestaltete und die Sicherheit der Teilnehmer gefährdete. Mit der Verlegung bewies sie ein glückliches Händchen, sollten sich die karge Landschaft, die Lavafelder und die Mumuku-Winde von Big Island doch als besondere Merkmale des Rennens erweisen. Eine weitere Änderung war die Umstellung von persönlichen Begleit-Crews auf eine Schar von Freiwilligen, die sie eigens für das Rennen rekrutierte. Beim Ironman Hawaii 1981 kamen auf 326 Teilnehmer etwa dreimal so viele Helfer, die beim Aufbau halfen, die Strecke absperrten, den Weg wiesen und die Athleten mit Getränken und Nahrung versorgten. Im Jahr 1982 ließ sie auch die Marke „Ironman“ offiziell eintragen. Ursprünglich wurde „Iron Man“ auseinander geschrieben und „iron“ als Adjektiv verwendet (Deutsch: „eiserner Mann“). Ich nehme an, dass sich das schwer als Marke schützen ließ. Daher wurden die beiden Wörter kurzerhand zu „Ironman“ zusammengezogen (Deutsch: „Eisenmann“). Neben der Eintragung der Marke beauftragte Valerie Silk auch einen Graphiker mit dem Entwurf eines Logos. Aus meiner Sicht handelt es sich um ein klassisches, zeitloses Design, und es ist kein Wunder, dass es seit Jahrzehnten trotz wechselnder Besitzer unverändert übernommen wurde. Wenn man die Trophäe und das Logo vergleicht, dann ist eine gewisse Ähnlichkeit erkennbar. Insofern werden der Ursprung und die Geschichte des Ironman fortgeführt. Das Logo stilisiert den Oberkörper mit dem Kopf eines Menschen. Gleichzeitig ist das „M“ klar erkennbar, welches von einem „i-Punkt“ überlagert wird, wie in der Medaille vom Ironman Hawaii ersichtlich ist. So setzt sich das „I“ mit dem „M“ zum IronMan zusammen.
Finisher-Medaille Ironman Hawaii 2016
Im Jahr 1982 nahmen erstmals über 500 Athleten teil. Bei diesem Rennen ereignete sich ein Vorfall, der in die Geschichte des Sports einging.9 Die damals unbekannte College-Studentin Julie Moss lag bei dem Rennen überraschend in Führung. Gegen Ende des Marathons war sie jedoch vollkommen erschöpft und dehydriert. Sie fiel mehrmals zu Boden, stand aber immer wieder auf, ging ein paar Schritte und versuchte zu laufen. Keine gute Idee, fiel sie doch wieder hin und blieb schließlich 15 Meter vor dem Ziel liegen. Ihre Beine und Arme waren zu schwach, um noch einmal aufzustehen. Die Zuschauer, die sie wenige Sekunden vorher noch angefeuert hatten, wurden still, verfolgten gebannt die Szene und das Drama, das sich vor ihren Augen abspielte. Während Julie Moss am Boden lag, wurde sie von ihrer Verfolgerin Kathleen McCarthy eingeholt. Aus den Augenwinkeln nahm Julie Moss den Vorgang wahr. Sie wusste, dass damit ihr Traum, den Ironman Hawaii zu gewinnen, zerplatzt war. Tiefe Enttäuschung machte sich breit, die um einiges größer war als der körperliche Schmerz:
„Strangely, it wasn’t the physical pain. Even though I could not stand up, I did not hurt so much physically. However, I was devastated by the emotional pain and disappointment of having a dream ripped away – the dream of winning Ironman. I had nothing left to give, nothing to offer this race, nothing inside. Still, my inner voice said, less urgently now that the imminent threat was gone: Crawl. Crawl to the finish.“ 10
Als sie nichts mehr zu verlieren hatte, hörte Julie Moss auf ihre innere Stimme, die ihr sagte, auf allen Vieren ins Ziel zu krabbeln. Diese ikonischen Bilder gingen um die Welt. Sie wurden Sinnbild für einen Sport, der an die körperlichen Grenzen geht. Und sie kreierten das Ironman-Mantra, wonach bereits der Zieleinlauf ein Sieg ist.
Im Laufe der 1980er Jahre kam es zu einer weiteren Professionalisierung und Kommerzialisierung der Veranstaltung: 1982 stieg Budweiser als Sponsor ein, 1983 gab es aufgrund der großen Nachfrage erstmals Qualifikationsrennen für die „Ironman Triathlon World Championship“, 1986 lobte der Veranstalter erstmals ein Preisgeld von insgesamt 100.000 US$ aus, womit ein wichtiges Signal für die gesamte Sportwelt gesetzt wurde, und 1989 bestritten Dave Scott und Mark Allen Seite an Seite ein Rennen über acht Stunden, das als „Iron War“ in die Geschichte einging.11 Beide gewannen die Weltmeisterschaft auf Hawaii jeweils sechsmal. Sie sind damit lebende Legenden geworden und auch heute noch als Markenbotschafter für den Ironman unterwegs.
Es ist bewundernswert, wie Valerie Silk, die sich selbst als „Nicht-Geschäftsfrau“ bezeichnet, mit viel Geschick, Kreativität, Organisationstalent und Überzeugungskraft im Laufe eines Jahrzehnts aus einer kleinen lokalen Veranstaltung ein Sportevent erschuf, das international bekannt wurde und eine große Anziehungskraft auf Athleten, freiwillige Helfer und kommerzielle Sponsoren ausübte. 1989 verkaufte sie ihre Firma „Hawaii Triathlon Corporation“ inklusive der Markenrechte am Ironman für drei Millionen US$ an James P. Gills, einen Augenarzt und Triathleten aus Florida, der die „World Triathlon Corporation“ und die „Ironman Stiftung“ etablierte. Um das Marktpotential für den Triathlon über die Langdistanz voll auszuschöpfen, verfolgte die neu gegründete Organisation eine Internationalisierungsstrategie. Neben bereits fest etablierten Veranstaltungen wie dem Ironman Europe, der von 1988 bis 2001 in Roth stattfand (ab 2002 in Frankfurt am Main), kam eine Reihe neuer Qualifikationsrennen in aller Welt hinzu. Die meisten sind heute noch Teil des internationalen Ironman Circuit, wie beispielsweise der Ironman Switzerland (seit 1996), der Ironman Japan (seit 1997), der Ironman Austria (seit 1998) und der Ironman Florida (seit 1999). Durch die Internationalisierung änderten sich auch die Zusammensetzung des Teilnehmerfeldes und der Kampf um die Spitze beim Ironman Hawaii. Dominierten in den ersten 15 Jahren vor allem nordamerikanische Athleten, änderte sich das Mitte der 1990er Jahre: 1994 gewann mit Greg Welch ein Australier, 1996 mit Luc van Lierde ein Belgier und 1997 standen mit Thomas Hellriegel, Jürgen Zäck und Lothar Leder erstmals drei Deutsche auf dem Siegertreppchen.
Im Jahr 2000 wurde der Triathlon olympisch, was der jungen Sportart enormen Auftrieb gab und zweistellige Wachstumsraten bescherte. Der Markt wurde so attraktiv, dass 2008 die Investmentgesellschaft Providence beim Ironman einstieg: Sie übernahm die Firma „World Triathlon Corporation“ und die Rechte an der Marke Ironman von James P. Gills. Der genaue Verkaufspreis ist nicht bekannt, aber es war von 50 bis 80 Millionen US$ die Rede. Das neue Management der „World Triathlon Corporation“ nahm eine Markenerweiterung vor: Neben dem Ironman über die Langdistanz, wurde der Ironman 70.3 über die Mitteldistanz systematisch ausgebaut und ein Ironman 5150 (respektive 5i50) über die Olympische Distanz eingeführt. Die Zahl 70.3 steht dabei für die Summe von 1,2 Meilen Schwimmen, 56 Meilen Radfahren und 13,1 Meilen Laufen, während 5150 für die Summe aus 1,5 Kilometern Schwimmen, 40 Kilometern Radfahren und 10 Kilometern Laufen steht. Mit der neuen Serie werden Sportbegeisterte, die neu in die Welt des Triathlons einsteigen und zunächst eine Olympische Distanz absolvieren möchten, früh mit der Marke Ironman in Kontakt gebracht. Diese Strategie der Markenerweiterung und der weiteren Marktdurchdringung sollte sich als überaus erfolgreich erweisen. Im Jahr 2015 verkaufte Providence die „World Triathlon Corporation“ für sage und schreibe 650 Millionen US$ an den chinesischen Finanzinvestor Dalian Wanda. Wenn man davon ausgeht, dass die amerikanische Investmentgesellschaft Providence den Ironman im Jahr 2008 für etwa 65 Millionen US$ übernommen hat, dann entspricht das einer Verzehnfachung des Unternehmenswertes. 2020 ging der Ironman wieder in amerikanische Hände über: Der neue Investor Advance, der die Markenrechte für 730 Millionen US$ kaufte, will die Kommerzialisierung weiter vorantreiben.
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