Challenge Ironman. Frank-Martin Belz
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Der regelmäßige Sport und der schlanke Körper steigerten allerdings eines: mein Selbstwertgefühl. Das gab mir Kraft, und ich fand den Mut, mich von meiner damaligen Partnerin zu trennen und aus der gemeinsamen Wohnung auszuziehen. Ich zog in eine Studenten-WG, in der gerade ein Zimmer frei geworden war. Anstatt einer großen Luxuswohnung mit Ausblick auf die St. Galler Altstadt und die umliegenden Berge, fand ich mich in einem kleinen Zimmer wieder. Doch das störte mich nicht im Geringsten – ich war innerlich befreit und gelöst. Nach der Trennung zog ich mir im Frühjahr 1999 eine schwere Virusinfektion zu, die über mehrere Wochen ging und mein Ironman-Projekt ernsthaft gefährdete. Mein Körper war vollkommen entkräftet. Ich konnte kaum zehn Treppenstufen gehen, ohne außer Atem zu geraten. Die junge Ärztin, die mich im Gesundheitszentrum behandelte, war ratlos. „Vielleicht ist es Pfeiffersches Drüsenfieber“, vermutete sie aufgrund der Symptome. Entsprechende Tests blieben allerdings negativ. Da ich neben der Abgeschlagenheit auch eine starke Schwellung der Lymphknoten am Hals hatte, befürchtete sie das Schlimmste: „Möglicherweise handelt es sich um Lymphdrüsenkrebs“, sagte sie in der nächsten Sprechstunde. Daraufhin wurde mir abwechselnd heiß und kalt. Glücklicherweise stellte sich auch das als Fehldiagnose heraus. Als sie nicht mehr weiterwusste, überwies sie mich an einen älteren Kollegen. Er war aufgrund der Befunde wesentlich gelassener: Das sei eine Virusinfektion infolge körperlicher Belastung und werde sich bestimmt bald wieder geben. So war es dann glücklicherweise auch. Nach drei Wochen kam ich langsam, aber sicher wieder zu Kräften. Ich vermute, dass meine Erkrankung körperliche und seelische Ursachen hatte: Einerseits war sie eine Reaktion des Körpers auf das viele Training, das er zu jenem Zeitpunkt noch nicht gewöhnt war. Andererseits war sie aber auch eine Reaktion der Seele, die sich nach der unglücklichen Partnerschaft und der anstrengenden Zeit der Trennung mit den Symptomen Ausdruck verschaffte. So nahm ich nach Ostern langsam wieder das Training auf und machte meine ersten Radausfahrten im Freien. Anstatt viel Geld in ein neues Rad zu investieren, kaufte ich ein gebrauchtes von einem Kollegen. Es war ein klassisches Rennrad aus Stahl. Am Anfang fuhr ich noch mit normalen Sportschuhen in den Körbchen, bevor ich mir zwei Monate vor dem Wettkampf auch ein paar Radschuhe mit Klickpedalen besorgte. Um wenigstens einmal das Gefühl für einen Triathlon zu bekommen und die Wechsel zu üben, nahm ich im Juni an einem kleinen Triathlon in der Nähe von St. Gallen teil. Trotz einer Reifenpanne, die mich gut und gerne zehn Minuten kostete, landete ich auf dem sechsten Platz von insgesamt 42 Teilnehmern. Das kam vollkommen überraschend für mich, und ich war stolz auf die gute Platzierung. Neben allen Urkunden und Medaillen des Ironman bewahre ich aus nostalgischen Gründen auch die Rangliste meines ersten Triathlons noch immer in meinen Unterlagen auf.
So fühlte ich mich gut gerüstet für den Ironman in Zürich. In der Woche vor dem Wettkampf ließ ich es ruhig angehen und malte mir aus, mich von morgens bis abends meiner wissenschaftlichen Arbeit zu widmen. Es war jedoch eine recht unproduktive Zeit. Vor lauter Nervosität konnte ich keinen klaren Gedanken fassen, geschweige denn, etwas niederschreiben. Am 1. August 1999 war es dann soweit. Es war ein wunderschöner Tag, und wir schwammen 3,8 Kilometer bei aufgehender Sonne im Zürichsee. Die Radstrecke war sehr anspruchsvoll und führte 180 Kilometer durch die umliegenden Berge. Dabei waren über 2.500 Höhenmeter zu überwinden. Den Abschluss bildete der Marathon, der am Ufer des Zürichsees entlangführte. Ich erinnere mich, dass es am Nachmittag sehr heiß war und viele Athleten gehen mussten oder am Wegesrand pausierten. Ich hatte mich beim Radfahren jedoch bewusst etwas zurückgehalten, um mir das Rennen und die Kräfte gut einzuteilen. Im abschließenden Marathon lief ich langsam, aber gleichmäßig, so dass ich viele Plätze gut machen konnte, was mich zusätzlich motivierte. Und so kam ich mit einer Gesamtzeit von 12:37 Stunden überglücklich ins Ziel. Das war ein wichtiger Moment in meinem Leben. Das Training und das erfolgreiche Finish hatten mich nachhaltig verändert. Ich gewann mein Selbstwertgefühl zurück, das ein Jahr zuvor noch am Boden gelegen hatte. In den Monaten nach dem Ironman konnte ich weiter an meiner Habilitationsschrift arbeiten, die ich 2000 erfolgreich abschloss.
Ironman 1999: Das Rennen, das mein Leben veränderte
LOKFÜHRER STATT PASSAGIER
Meine Geschichte weist gewisse Parallelen zu Torstens Leben auf: Er studierte Elektrotechnik und trat nach dem Studium eine Stelle in München an.20 Als Projektingenieur nahm er große Maschinenanlagen in Betrieb und arbeitete regelmäßig 50 bis 60 Stunden pro Woche. Die Wochenenden brauchte er zur Erholung, wodurch sich die sozialen Kontakte auf ein Minimum beschränkten und sein Freundeskreis immer kleiner wurde. War Torsten früher sportlich aktiv und spielte viel Tennis, nahm diese Freizeitbeschäftigung mit dem Einstieg in den Beruf deutlich ab, bis der Sport schließlich ganz zum Erliegen kam. Nach außen hin war scheinbar alles gut, weil Torsten einen guten Job mit Karriereperspektiven hatte, aber in ihm drin sah es ganz anders aus. Aus seiner Sicht war das Glas immer halb leer statt halb voll. Er war latent unzufrieden mit sich und seinem Leben. Die mangelnde körperliche Fitness und sein Übergewicht trugen auch nicht dazu bei, sich besser zu fühlen.
Bis zu jener Radtour im Jahr 2007: Wie jedes Jahr traf er sich auch damals mit drei guten Freunden zu einem langen Wochenende. In diesem Jahr beschlossen sie, an den Gardasee zu fahren, um tagsüber etwas in der schönen Umgebung am See oder den umliegenden Bergen zu unternehmen und abends in gemütlicher Runde zusammenzusitzen. An jenem Tag liehen sie sich Mountainbikes. Die Tour entwickelte sich schnell zu einer regelrechten Tortur für Torsten, die er folgendermaßen schildert:
„Es war für den frühen Zeitpunkt im Jahr sehr heiß. Schon die Meter des ersten Anstiegs ließen mich wie eine Dampflok schnaufen und nach einer Zigarette verlangen. Meine Freunde hatten mich bereits nach wenigen Höhenmetern abgehängt, und der Frust stieg mit wachsendem Abstand. Was war nur aus mir geworden? Wieso tue ich mir das hier eigentlich an? Ich könnte jetzt bei einem Weißbier am See die Aussicht und das Leben genießen. Stattdessen fluchte ich bei jedem Tritt in die Pedale, und der Abstand zu den selbst nicht super fitten Freunden wuchs immer mehr. Erst einmal Pause und trinken. Meine Freunde rollten den Berg zu mir hinunter und fragten mich erstaunt: Ob ich eine Panne habe oder mein Rad streike?“
Um sein Gesicht zu wahren, schob Torsten schlechtes Essen und eine Magenverstimmung vor. Sein Stolz und der Ehrgeiz ließen es aber nicht zu, dass er alleine umkehrte:
„Störrisch und mit hochrotem Kopf trat ich eisern in die Pedale. Stoppte alle paar Meter, um kurz durchzuschnaufen und schob mich weiter mit der Geschwindigkeit einer Schnecke den Berg hinauf. Auf den letzten Metern des Anstiegs war ich längst total leer. Locker plaudernd warteten meine Freunde auf der Anhöhe – denn einen Gipfel konnte man das nicht nennen – doch ich war am Anschlag, vollkommen am Ende, und als ich oben ankam, fiel ich förmlich vom Rad. Die Reaktion meiner Freunde: Ungläubige Blicke verbunden mit der Frage, ob ich ok sei. Als sie bemerkten, dass es tatsächlich nur Erschöpfung war, wurde aus ungläubigen Blicken ein Schmunzeln und im weiteren Verlauf des Tages – und auch der Folgemonate – purer Hohn und Spott.“
In diesen Tagen reifte in ihm die Erkenntnis, dass er in seinem Leben etwas ändern musste. Den entscheidenden Anstoß bekam er von seinem Arbeitskollegen Freddy, mit dem er eine Produktionsanlage in Betrieb nahm. Am Abend saßen sie in einem griechischen Restaurant, tranken Bier und aßen fettige Speisen. Irgendwann kam die Sprache auf Sport, und der übergewichtige Kollege erzählte erst zögerlich und dann mit immer größerer Begeisterung von seinem früheren Leben als Triathlet. Im Gespräch stellte sich heraus, dass er in den 1990er Jahren Langdistanzen in Spitzenzeiten absolviert hatte. Er sagte, dass der Einstieg mit einer kurzen Distanz für jeden machbar sei. Inspiriert durch diese Worte, meldete sich Torsten