Challenge Ironman. Frank-Martin Belz

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Challenge Ironman - Frank-Martin Belz

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Er begann 2009 mit dem Triathlon und finishte 2016 den Ironman Hawaii. Sein größter sportlicher Erfolg war der Sieg beim Ironman 70.3 in Wiesbaden 2016, wo er Europameister über die Mitteldistanz wurde.

      Im Vorfeld der Interviews habe ich alle Athleten gebeten, fünf unterschiedliche Fotos zu suchen, die sie persönlich mit dem Ironman in Verbindung bringen. Diese Vorgehensweise wird als „photo-elicitation interview“ bezeichnet. Sie ist besonders dafür geeignet, Erinnerungen, Erlebnisse und Emotionen hervorzurufen.17

      Darüber hinaus habe ich eine Vielzahl von Büchern, Berichten, Blogs und Posts in sozialen Medien gelesen, die von ihnen oder anderen Mitgliedern des Ironman-Stammes veröffentlicht wurden. Bei der Sichtung und Auswertung des Materials lag der Schwerpunkt auf den Sinn- und Bedeutungsdimensionen des Ironman. Um es mit der Metapher eines Eisberges zu beschreiben: Die Spitze des Eisberges ist das, was wir unmittelbar sehen und beschreiben können. Auf den Ironman übertragen handelt es sich dabei um die Bilder eines solchen Rennens, die im Fernsehen ausgestrahlt werden und die den Kampf der Triathleten zeigen. Dazu hören auch der Zieleinlauf und die Erfolge der Triathleten, die sich in objektiv messbaren Zahlen ausdrücken lassen oder das Equipment, in dem Triathleten zum Wettbewerb antreten, allem voran das aerodynamische Triathlon-Rad, das zusammen mit den Laufrädern fast so viel kostet wie ein Kleinwagen.

      Im vorliegenden Buch geht es aber nicht um die Spitze des Eisberges, sondern um die Eismassen, die im Verborgenen unter der Wasseroberfläche liegen. Sie sind nicht sichtbar, machen aber doch einen Großteil des Eisberges aus. Ich versuche, die unsichtbare Welt des Ironman zu erkunden und zu verstehen, was die Mitglieder des Ironman-Stammes wirklich antreibt. Dabei geht es um tiefliegende Aspekte wie das eigene Selbstwertgefühl, Anerkennung durch andere, der Drang nach Selbstoptimierung, intensive Körpergefühle und Naturerlebnisse. Ich schaue in das Innere der Triathleten, in ihre Herzen und Gedanken. Ich erzähle Geschichten aus dem Leben von Menschen, die sich dem Langdistanz-Triathlon gestellt haben. Die Geschichten beruhen auf authentischen Erfahrungen und intensiven Erlebnissen. Manche handeln von hohen Erwartungen und tiefen Enttäuschungen, andere von der kompletten Wandlung des eigenen Lebens.

       2 SELBSTWERTGEFÜHL

      Die meisten Triathleten haben ein positives Selbstwertgefühl. Sie sind mit sich selbst als Person zufrieden und fühlen sich den Aufgaben gewachsen, die sich ihnen in unterschiedlichen Lebensbereichen stellen. Was dem Einzelnen wichtig ist, entscheidet er letzten Endes selbst: Das können das Aussehen, soziale Beziehungen zu Familie und Freunden, intellektuelle oder sportliche Leistungen sein.18 Für manche Menschen hat indes der Ironman eine besondere Bedeutung. Er führte zu einer Steigerung des Selbstwertgefühls und brachte vielen eine positive Wendung im Leben. So ging es auch mir.

       SCHAFFENS- UND LEBENSKRISE

      Im Jahr 1998 hatte ich eine Schaffens- und Lebenskrise. Mit meiner wissenschaftlichen Arbeit und der Karriere kam ich nicht recht voran. Ausgestattet mit einem Stipendium vom Schweizerischen Nationalfonds hatte ich alle Freiheiten, die man sich als Forscher wünschen kann. Doch anstatt an eine renommierte Universität in die USA zu gehen, um mir neue Impulse und Ideen für meine Arbeit zu holen, blieb ich wegen einer neuen Beziehung in St. Gallen in der Schweiz. Ich genoss die Lebensfreude meiner damaligen Partnerin, aber gleichzeitig machte mir ihre Sprunghaftigkeit zu schaffen. Das Hin und Her in der privaten Beziehung brachte meine innere Ruhe und Stabilität aus dem Gleichgewicht. Hinzu kam, dass sie als erfolgreiche Geschäftsfrau meine Tätigkeit herabsetzte. Sie hatte keinerlei Verständnis für Wissenschaft: „Wann willst du denn mal was Richtiges in der Wirtschaft arbeiten?“, fragte sie mich manchmal in sarkastischem Ton. Darüber hinaus hatte ich ein Jahr zuvor mit dem Tennis aufgehört und trieb keinen regelmäßigen Sport mehr, der immer ein wichtiger Bestandteil meines Lebens war. Anstatt mich auf dem Tennisplatz auszutoben oder im Wald zu laufen, aß ich nun am Abend häufig Schweizer Rösti mit Zürcher Geschnetzeltem und trank guten Wein. Der Lebenswandel und die allgemeine Unzufriedenheit führten unweigerlich zu einer Gewichtszunahme.

      In dieser schwierigen Phase meines Lebens meldete ich mich für den Ironman Schweiz an. Ich hatte in der Zeitung davon gelesen und einen kurzen Bericht im Schweizer Fernsehen gesehen. Warum ich das gemacht habe? Damals wusste ich es selbst nicht so genau. Erst im nachhinein lieferte mir meine Kollegin und Freundin Minna eine gute, tiefer gehende Erklärung: Weil es um mein Selbstwertgefühl ging. Normalerweise wäre es sinnvoll gewesen, sich über einen kürzeren Triathlon an dieses große Abenteuer zu wagen, aber die Olympische Distanz über 1,5 Kilometer Schwimmen, 40 Kilometer Rad und 10 Kilometer Laufen schien mir im Bereich des Möglichen. Ich suchte eine Herausforderung, die jenseits meiner Vorstellungskraft lag und an der ich ebenso scheitern konnte. Meine Ansage lautete daher: Ein Ironman ist der Mount Everest, den ich erklimmen will!

      Der Zeitpunkt meiner Anmeldung und der Überweisung des Startgeldes war im Oktober 1998. Damals war Triathlon über die Langdistanz noch nicht so bekannt, und daher gab es keinen Run auf die vorhandenen Startplätze, wie das heute bei manchen Rennen der Fall ist. Ich hätte also mit der Anmeldung problemlos noch ein paar Monate warten können, aber ich wollte mich festlegen. Mit dieser Selbstverpflichtung war der erste Schritt getan. Doch wie konnte ich mich am besten auf die lange Reise vorbereiten? Im persönlichen Freundeskreis kannte ich niemanden, der Triathlon, geschweige denn einen Ironman, machte. Glücklicherweise erschien in diesem Jahr ein Buch, das mich sofort ansprach und heute noch in meiner Bibliothek steht. Der Titel lautet „Ironman: Das 8-Stunden-Triathlon-Programm“.19 Das Buch richtet sich nicht an Leistungssportler, die um Zeiten und Platzierungen kämpfen, sondern vielmehr an Freizeit- und Hobbysportler, die einem Beruf nachgehen und sich den Traum vom Ironman erfüllen wollen. In der Einführung spricht der Autor Ole Petersen von den Barrieren, einen Ironman zu absolvieren („Gründe, es nicht zu tun“). Er beschreibt die Vorurteile, die Fakten und präsentiert mögliche Lösungen. Er spricht von sich selbst und all den Fehlern, die er als Anfänger im Training und bei Wettkämpfen gemacht hat. Diese schonungslose Offenheit bezüglich seiner eigenen Unzulänglichkeiten finde ich mutig und macht ihn als Autor sehr glaubwürdig. Das Buch von Ole Petersen beschäftigt sich mit Zielsetzung, Leistungsdiagnose sowie Trainingssteuerung und -planung für einen Ironman. Es verfolgt das Pareto-Prinzip, das besagt: 80 % der Ergebnisse können mit 20 % des Gesamtaufwandes erreicht werden. In meinem Fall hießen 80 % des Ergebnisses das Finish beim Ironman. Die 20 % Aufwand bezifferte ich mit rund acht Stunden Training pro Woche. Dieser Ansatz schien mir sinnvoll, wenn ich neben dem Ironman auch meine wissenschaftliche Arbeit nicht vernachlässigen und einen Ausgleich im Leben finden wollte.

      Ausgestattet mit dem neuen Wissen, ging ich meine persönliche Mount-Everest-Besteigung an. Zunächst galt es, das Basislager einzurichten, sprich, die Grundlagen für den Ironman zu legen. Da es in der Schweiz während der Wintermonate sehr kalt ist und in St. Gallen viel Schnee liegt, kam Radfahren zunächst nicht in Frage. Um das zu ändern, meldete ich mich bei einem Fitness Center in unmittelbarer Nähe an. Zu diesem Zeitpunkt gab es in der Schweiz einen regelrechten Spinning-Boom. Im Fitness Center, dem ich beitrat, wurden fast jeden Tag Spinning-Kurse angeboten. Mit der Zeit fand ich viel Spaß an der Sache. Neben der Bewegung, der Gruppe und der animierenden Musik spielte auch das Mentale eine große Rolle. Unter Anleitung der ausgebildeten Master Instructors stellte ich mir vor: Wir fahren uns locker in der Gruppe auf der Ebene ein. Wenn wir warm sind, stehen wir auf und machen ein paar kurze Sprints. Nun sehen wir eine Steigung vor uns. Wir sehen einen Pass und fahren in gleichmäßigem Tempo den Berg hinauf. Das Spinning, die Fitnesskurse und das Laufen im Wald führten dazu, dass die überflüssigen Pfunde wie Schnee in der Sonne dahinschmolzen. Innerhalb weniger Monate hatte

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