Führen Sie schon oder herrschen Sie noch?. Heinz Siebenbrock
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Dem Leitmotiv Wettbewerbsorientierung ist es wohl auch zuzuschreiben, dass die Wortwahl von Managern und sogar Wirtschaftswissenschaftlern sehr oft an eine Sprache erinnert, die ursprünglich für die Beschreibung besonders brutaler Ereignisse wie Kriege und Verbrechen geprägt wurde. Der Kampf um Marktanteile klingt in der deutschen Sprache noch vergleichsweise harmlos, während im Englischen der Spruch ,Business is War‘ als geflügeltes Wort zur Zustandsbeschreibung der Wirtschaft gilt.25 Und bei der Suche nach begabten Berufsanfängern befinden sich die Unternehmen in einem ,War for Talents‘. Auch in das deutsche Wirtschafts-Vokabular haben sich völlig unverdächtig klingende Begriffe wie ,Strategie‘, ,Taktik‘ und ,Logistik‘ eingeschlichen, die Carl von Clausewitz (1780–1831), ein preußischer General, ursprünglich zur Beschreibung kriegerischer Auseinandersetzungen benutzt hatte. Bruno Wagner zeigt sogar an vielen Beispielen, dass nicht nur die Wortwahl, sondern auch die Handlungen von Managern an Kriegsführung erinnern.26 Schließlich trägt das Buch von Matthias Weik und Marc Friedrich, in dem das Verhalten von Politik und Finanzwelt angeprangert wird, den bezeichnenden Titel: „Der größte Raubzug der Geschichte“.27
Wettbewerb ist Kampf
Jedenfalls ist Wettbewerb Kampf, Wettbewerb ist ein Gegeneinander. Die Aufgabe von Unternehmen ist es jedoch, miteinander und mit Konsumenten Geschäfte zu machen. Unternehmen haben Kunden, sie arbeiten also primär nicht gegen, sondern für jemanden oder für etwas. Nur sekundär arbeitet man gegen den Wettbewerber. Insofern erstaunt es, dass die Wettbewerbsorientierung einen derart hohen Stellenwert genießt, während die Kundenorientierung selbst von seriösen Unternehmen sehr häufig stiefmütterlich behandelt wird. Die ,Servicewüste Deutschland‘ wird in regelmäßigen Abständen beklagt und ihre Existenz mit Hilfe diverser Studien belegt, ohne dass nachhaltige Verbesserungen erkennbar wären.
Manager bezeichnen sich mit Blick auf den Sport gern als Mannschaft oder als Team. Zwischen einem Sportteam und einem Unternehmen besteht jedoch ein gewaltiger Unterschied: Die meisten Sportteams sind im Gegensatz zu Unternehmen tatsächlich fundamental wettbewerbsorientiert ausgerichtet: Fußball-, Handball- und Hockeyteams wollen ihre Gegner bezwingen. Sie brauchen einen Gegner, sonst macht dieser Sport keinen Sinn.
Nur wenige Sportarten kommen völlig ohne Gegner aus, wenn auch gelegentlicher Wettbewerb einen gewissen Kick auslöst. Gemeint sind zum Beispiel Segeln und Bergsteigen. Hier steht, wie übrigens auch bei Individualsportarten wie Laufen und Schwimmen, ein Ziel im Vordergrund, für das man sich anstrengt. An allererster Stelle steht, dass man auf dieses Ziel hinarbeitet. Als Teil einer Segel-Crew oder als Läufer ständig den Gegner im Auge zu behalten, bindet zu viele Kräfte, die anders zweckmäßiger eingesetzt werden. Das Ziel und nur das Ziel steht im Mittelpunkt; dem Gegner widmet man sich bestenfalls, wenn das Ziel erreicht ist.
Das Kernziel eines Unternehmens besteht eben nicht darin, jemanden zu besiegen oder aus dem Rennen zu schlagen. Würde der Läufer jemanden im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Rennen schlagen, würde er wegen grober Unsportlichkeit disqualifiziert. Vor diesem Hintergrund drängt sich der Gedanke geradezu auf, das heute in vielen Unternehmen noch weit verbreitete und als notwendig empfundene Bekämpfen und Attackieren von Wettbewerbern als fragwürdig zu betrachten. Die Erwägung aggressiven Wettbewerbsverhaltens als taktische oder strategische Alternative gehört nach meiner Ansicht in die Mottenkiste der Managementliteratur.
Unternehmerisches Handeln sollte vor allen Dingen von dem Kernziel geprägt sein, einen Kunden zufriedenzustellen.
Eine übertriebene Wettbewerbsorientierung bindet Ressourcen, die zweckmäßiger eingesetzt werden könnten. Außerdem verstellt eine übertriebene Wettbewerbsorientierung den Blick für die Bedürfnisse des Kunden.
Die Entlarvung des Wettbewerbs als unzweckmäßiges Leitmotiv wird schließlich auch durch Erkenntnisse aus der Psychologie gestützt. Der Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahnemann verweist auf ein interessantes Experiment, „bei dem zwei Gruppen von Probanden ein Spiel spielen. Bei der einen heißt es ,Gemeinschaftsspiel‘, bei der anderen ,Wettbewerbsspiel‘. Im ersten Fall werden die Leute hilfsbereit, im anderen egoistisch – und das, obwohl es beide Male dasselbe Spiel ist.“28
2.4 Wachstum
„Rein monetäres Wachstum ist fragwürdig,
dieses Wachstum wird bezahlt mit einem Riss
in der Gesellschaft.“
Friedhelm Hengsbach29, deutscher Jesuit und Sozialethiker
Grenzen des Wachstums
„Die Grenzen des Wachstums“ (engl. Originaltitel: The Limits to Growth) ist eine viel beachtete, im Jahre 1972 veröffentlichte Studie zur Zukunft der Weltwirtschaft. Die Studie wurde im Auftrag des Club of Rome erstellt. Donella und Dennis L. Meadows und deren Mitarbeiter am Jay W. Forrester‘s Institut für Systemdynamik führten dazu Untersuchungen und Computersimulationen mit verschiedenen Szenarien durch.
Die zentrale Schlussfolgerung der Studie ist: Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.
Die Studie ist vor fast 50 Jahren erschienen. Ihre zentrale Schlussfolgerung ist bis heute weitgehend unumstritten. Das Buch der Meadows ist in über 30 Millionen Exemplaren in 30 Sprachen erschienen. 1973 wurde der Club of Rome für seine Studie mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.
Da verwundert es schon, dass Wirtschaft und auch Politik heute immer noch auf grenzenloses, sogar auf exponentielles Wachstum setzen. Die Wachstumsambitionen sind so selbstverständlich, dass man oftmals vergeblich nach Gründen fürs Wachstum sucht. Ein Grund für die ,Sucht nach Wachstum‘ könnte wiederum in der inhaltlichen Ausgestaltung der Betriebswirtschaftslehre verborgen sein. Die Betriebswirtschaftslehre stellt eine Reihe ,strategischer Instrumente‘ zur Verfügung, mit der die Richtung des Unternehmens bestimmt und kontrolliert werden kann. Kaum eines dieser Instrumente verzichtet auf den Aspekt Wachstum. Ob SWOT-Analyse oder Portfolio-Matrix, Balanced Scorecard oder Lebenszyklusanalyse, der künftige Erfolg eines Unternehmens wird recht einseitig anhand von quantitativen Wachstumspotenzialen abgelesen. Im Ergebnis wird das Unternehmen zusammen mit den vermeintlichen Experten, die die ,strategischen Instrumente‘ mit bunten Schaubildern gekonnt visualisieren, auf Mengenwachstum getrimmt.
Alternativen zum Wachstum
Hingegen erhalten die Alternativen, zu konsolidieren oder sogar bewusst zu schrumpfen, in der betriebswirtschaftlichen Fachliteratur allenfalls eine Randnotiz; in der Beratungspraxis kommen die Alternativen oft gar nicht erst vor. Diese Themen sind offensichtlich nicht ,sexy‘ genug, um aufgegriffen zu werden. Dabei sind es gerade diese Themen, mit denen sich künftige Manager zunehmend auseinandersetzen müssen. Grenzen des Wachstums zu erkennen bedeutet insbesondere, Unternehmen steuerbar zu machen und wendig zu halten. Dabei kommt es besonders darauf an, die eigenen Möglichkeiten zusammen mit den Mitarbeitern selbst zu erkennen, statt den immer gleichlautenden, angeblichen Expertenmeinungen zu folgen.
Und noch ein Gedanke zum Wachstum: Nicht jeder Absolvent der Betriebswirtschaftslehre wird in wachsenden Unternehmen arbeiten können. Selbst wenn die Volkswirtschaft wächst bzw. wachsen muss, wie uns viele Politiker glauben machen, wird es überdurchschnittlich wachsende, unterdurchschnittlich wachsende und auch schrumpfende Unternehmen geben,