Fettnäpfchenführer Norwegen. Julia Fellinger
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Norweger gehen mit ihren Kindern sehr liebevoll und partnerschaftlich um, der Erziehungsaspekt tritt dahinter oft zurück. Wenn es allerdings um das Thema Alkohol geht, nehmen sie ihre Botschaft wiederum übertrieben ernst und verteidigen eine sehr verkrampfte und zum Teil auch enthaltsame Einstellung, wie auch die Politik ihres Landes sie vorgibt. Sehr viele Eltern vermeiden es, vor ihren Kindern Alkohol zu konsumieren, Alkoholkonsum wird bei ihnen so lange tabuisiert, dass es den späteren Jugendlichen oft schwerfällt, ihre Alkoholerfahrungen in einem gemäßigten und aufgeklärten Rahmen zu machen. Unterstützt wird diese »Alkoholerziehung« durch regelmäßige TV- und Radiokampagnen, die den Eltern immer wieder vor Augen halten, dass ihr eigener Alkoholkonsum den späteren Konsum ihrer Kinder beeinflusst. Alkohol ist erst ab 18 Jahren erlaubt, das führt dazu, dass die Jugendlichen ihre ersten Erfahrungen in aller Heimlichkeit und ohne Kontrolle machen.
Da sind wir auch schon mittendrin im Thema, das uns Stoff genug für drei weitere Episoden bietet. Das charakteristischste Merkmal eines norwegischen Festes ist der Rausch seiner Teilnehmer. Alkohol wird hier nicht mit Genuss konsumiert, sondern ist in erster Linie dafür da, möglichst schnell betrunken, ach was, besinnungslos zu werden. Beim Konsum kennen viele Norweger nämlich nicht mehr ihre Grenzen – und die, die sie zu kennen meinen, nutzen dieses »plötzlich nicht mehr wissen« gerne dazu aus, endlich einmal über die Stränge zu schlagen. Sich unschuldigsaufen und mal Frauen anzumachen, obwohl man eigentlich ein schüchterner Typ ist, oder eine Schlägerei anzuzetteln, obwohl man ansonsten so friedfertig ist. Um niemandem zu nahe zu treten, muss man allerdings ein wenig präzisieren: Die Intensität des Alkoholkonsums variiert zwischen den Generationen ebenso wie zwischen der Stadt- und der Landbevölkerung. Junge Leute konsumieren unkontrollierter und mehr als ältere. In Nord-Norwegen wird mehr getrunken als im Süden, wohingegen der Alkoholkonsum in Oslo und Umgebung noch am ehesten den kontinentalen Gewohnheiten ähnelt. In Norwegen gilt: Wirkungstrinken statt Genusstrinken.
Tempo drosseln!
Was könnte Stefan also anders machen? Bis auf die kleinen Ausrutscher wohl nicht viel. Das Unpassendste wäre, so ein Fest im stocknüchternen Zustand durchstehen zu wollen. Das wird man kaum schaffen, es sei denn, man verlässt das Fest zeitig. Zu viel sinnloses Geplapper, zu viel Anmache, zu viel Alkohol. Wer jedoch trinkfest ist, wird großen Spaß haben. Wer wenig trinkt, sollte den angebotenen Begrüßungssekt und den Cognac in sein Pensum mit einbeziehen und beizeiten nach einer Tasse Kaffee fragen. Eine tiefschürfende Unterhaltung gar über Politik und norwegische Eigenheiten ist vor allem als Ausländer nicht ratsam. Viele Norweger fühlen sich dadurch leicht provoziert. Im schlimmsten Fall können sie die berauschte Meute gegen sich aufbringen, die im alkoholisierten Zustand die restriktive Alkoholpolitik ihres Landes verteidigt.
Und noch was: Eine Schlange von Leuten ist immer ein Zeichen dafür, dass mehrere Leute das Gleiche wollen wie Sie. In so einem Fall hilft nur eins: Hinten anstellen!
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