Fettnäpfchenführer Norwegen. Julia Fellinger

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Fettnäpfchenführer Norwegen - Julia Fellinger страница 11

Fettnäpfchenführer Norwegen - Julia Fellinger Fettnäpfchenführer

Скачать книгу

aussieht.

      »Drikken kan settes på bordet der borte«, sagt Jorunn und deutet auf einen Tisch, der sich vor Wein-, Bier- und Sektflaschen nur so biegt. »Getränke können da drüben abgestellt werden.«

      »No drinks. I have flowers for you and sweets.« (»Keine Getränke, ich habe euch Blumen und Süßigkeiten mitgebracht.«)

      Jorunn lächelt höflich, als er ihr die Blumen überreicht. Die Pralinen gibt sie gleich an die Kinder weiter. Ja aber, da ist … Zu spät, schon sind die Knirpse damit hinaus in den Garten geflitzt. Stefan zuckt mit den Schultern und wendet sich wieder der Gruppe von Gästen zu, die sich mittlerweile um weitere Freunde und Bekannte erweitert hat.

      Da die anderen schon einen kleinen Trinkvorsprung haben und bereits in heiterer Stimmung sind, kann es Stefan, als auch er endlich ein Glas Sekt in der Hand hält, kaum erwarten, mit den Umherstehenden anzustoßen. Diese lächeln zwar ein bisschen schief, heben schließlich aber doch ihr Glas zu einem herzlichen Skål! Kaum angestoßen merkt Stefan seinen knurrenden Magen und schielt mit einem Bärenhunger Richtung Esstisch, der zwar gedeckt, aber ansonsten noch recht verlassen dasteht.

      Ole, der Herr des Hauses, hat eine merkwürdig verformte Oberlippe, und erst, als er etwas zu Stefan sagt und dabei verräterisch einen braunen Saft durch die Zähne zieht, vermutet Stefan, dass er vielleicht an Kautabak lutscht. Das Kauen von snus (Kautabak) ist eigentlich ein schwedischer Brauch, der aber auch unter den Norwegern sehr verbreitet ist. Er kommt auf Stefan zu und interpretiert dessen interessierten Blick zum Tisch etwas anders.

      » You like the house? Gefällt dir das Haus? Har du lyst på en omvisning? Hast du Lust auf eine Besichtigung?«

      Ehe sich Stefan versieht, befindet er sich mitten in einer Hausbesichtigung, zu der sich noch zwei weitere Gäste gesellen. Von der Abstellkammer bis zum Elternschlafzimmer wird alles begutachtet und über Fußbodenheizung, Fliesen und Panoramablick gefachsimpelt.

      »Das war bestimmt teuer. Very expensive, wasn’t it?«, fragt Stefan.

      Ole wiegelt ab und weicht aus. »Å nei, det var et kupp. Vi var heldige.« (»Oh nein. Es war ein Schnäppchen. Wir hatten Glück.«)

      Erst als auch der letzte Winkel des Hauses den bewundernden Blicken der Besucher freigegeben wurde, gibt es etwas zu Essen. Die Erwachsenen nehmen Platz am Tisch, und die Gastgeberin trägt Schüsseln mit exotischen Gerichten auf, zu denen Stefan beim Rundgang die dazugehörigen Packungen der Marke Toro im Küchenmülleimer entdeckt zu haben meint.

      Die Kinder bekommen Würstchen, die in eine Art Pfannkuchen (lomper) gewickelt sind, in die Hand gedrückt und nehmen sonst nicht an der Gesellschaft der Erwachsenen teil. Im Übrigen findet er die Kinder ein bisschen merkwürdig, vor allem deren fehlenden Respekt vor den Erwachsenen. Irgendwann machen die Kurzen sogar den Fernseher an und sehen sich mitten in der Festgesellschaft eine Kindersendung in Open-Air-Lautstärke an. Ole meint dazu nur achselzuckend: »De er barn. Det må de jo få lov til.« (»Das sind Kinder. Die müssen das doch dürfen.«) Daran, dass später zwei von ihnen so schlecht wird, dass die Gästetoilette im Parterre kurze Zeit danach verdächtig nach Kirschwasser riecht, fühlt sich Stefan allerdings dann doch nicht ganz unschuldig …

      Je weiter der Abend voranschreitet, desto ausgelassener, ja fast schon zügelloser wird die Gesellschaft. Die Unterhaltung dreht sich um Autos, um die letzte Skitour und den geplanten Sommerurlaub im Süden.

      »You guys have a very strict alcohol policy, haven’t you«, beginnt Stefan ein Gespräch mit – seiner Meinung nach – mehr Substanz. »Ihr habt hier eine sehr strenge Alkoholpolitik, oder?«

      »Ha ha, das mag wohl stimmen, aber so ist es hier halt, skål!« – Ohne das Thema weiter zu vertiefen, setzt sich das Gelage unverändert fort.

      Alle trinken, außer Jorunn und Ole, die anscheinend nur Wasser zu sich nehmen – erst als die Kinder sich zum Schlafen nach oben verziehen, langen auch die Gastgeber richtig zu. Die beiden Singledamen Hanne und Solveig, die zu Beginn des Abends noch so schüchtern und zurückhaltend waren, rücken Stefan jetzt immer unverfrorener auf die Pelle. Der Gastgeber ist ständig bemüht, die Gläser seiner Gäste nachzufüllen, wobei er jedes Glas mit einem anderen Getränk einzuschenken scheint. Gegen 10 Uhr bietet dann Jorunn der beschwipsten Runde Kaffee an, und Ole reibt sich die Hände. »Om jeg kan tilby noen edle dråper? På tax-free butikken har jeg kjøpt en skikkelig god Cognac.« (»Kann ich ein edles Tröpfchen anbieten? Beim Tax Free habe ich einen wirklich guten Cognac gekauft.«) Sagt’s und schenkt jedem noch einen Cognac zum Kaffee aus.

      Die alkoholischen Getränke auf dem Beistelltisch gehen allmählich zur Neige, parallel dazu steigt der Rauschpegel bei den Gästen, die sich jetzt allerdings so langsam einer nach dem anderen verabschieden. Hanne und Solveig – beide nur einen Schritt von »sternhagelvoll« entfernt – werden mit ihrem Werben immer forscher und drängender und fangen an, an Stefan zu zerren. Obwohl er bei Weitem nicht so betrunken ist wie die anderen, glaubt er dennoch nicht, dass er bei seinem Alkoholpegel überhaupt noch Einfluss auf seine Männlichkeit dort unten hat. Höflich, wie er ist, beschließt er dennoch, die beiden Damen bis zum nächsten Taxistand zu begleiten. Aber keinen Schritt weiter.

      Als die Drei dort angekommen sind, geht Stefan an einer Schlange von Leuten vorbei und will den beiden Damen die Fondtür eines wartenden Taxis aufhalten. Das Letzte, was er dann noch sieht, ist, dass die Leute auf der Straße jetzt alle wieder Schuhe tragen.

       Schleudergefahr

      Eigentlich müsste man an dieser Stelle einen Aufenthalt in der Notaufnahme skizzieren. Für den Augenblick ist es gerade noch einmal gut gegangen, wenn man von den zahlreichen kleinen Fettnäpfchen absieht, in die Stefan während nur eines einzigen Abends getreten ist.

      Private Einladungen gelten in der Regel für Freitag oder Samstag. Wer unter der Woche um 19 Uhr zum Essen einlädt, ist höchstwahrscheinlich Ausländer. Unter der Woche isst die Familie nämlich schon oft gegen 17 Uhr – und Alkohol spielt an diesen Tagen nur eine geringe Rolle.

      Zu privaten Einladungen darf man sich ruhig fein herausputzen und schmücken. Vielleicht hat das mit einem gewissen Nachholbedarf der in Alltag und Job stets leger gekleideten Norweger zu tun. Wenn sie allerdings eingeladen werden, greifen die sonst so lockeren Norweger gerne tief in den Kleiderschrank und ziehen Abendkleider und Anzüge mit Krawatten heraus.

      Auf dem Weg zu einem Fest haben die Norweger meistens zwei Tüten dabei: eine mit einem Paar feiner Schuhe, das sie beim Gastgeber gegen die Straßenschuhe eintauschen (strumpfbesockt ist aber auch völlig legitim, Schuhe anbehalten dagegen nicht, es sei denn, der, Gastgeber erlaubt es ausdrücklich), eine andere mit dem Alkohol, den man an diesem Abend zu trinken gedenkt. Es ist ja tatsächlich so, dass allein die Getränke, die bei einer Einladung von sechs Erwachsenen vom Gastgeber angeschafft werden müssten, gerne mal einen ansehnlichen Teil des Monatslohnes verschlingen würden. Das möchte man dem Gastgeber natürlich nicht zumuten. Deshalb bringt jeder gerade so viel zu trinken mit, wie er plant, an diesem Abend auch selbst zu vernichten. Der Gastgeber sorgt für das Essen und den Kaffee. Blumen sind natürlich auch immer nett, sollten aber in ihrem Umfang im Rahmen bleiben, Wein oder Sekt als Geschenk für den Gastgeber muss man ausdrücklich als ein solches deklarieren, da der Alkohol ansonsten ausgeschenkt wird. Mit den Gläsern anstoßen ist nicht sehr verbreitet, viel eher erhebt man das Glas auf ein kurzes Skål! – ein »zum Wohle!«.

      Norweger sind keine Angeber, dennoch zeigen sie gerne mit Stolz, was sie haben. Protzigkeit und Aufschneiderei liegen ihnen nicht,

Скачать книгу