Fettnäpfchenführer Norwegen. Julia Fellinger

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Fettnäpfchenführer Norwegen - Julia Fellinger Fettnäpfchenführer

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gegrüßt und freundlich gelächelt.

      Auf der anderen Seite wird man der Sache nicht ganz gerecht, wenn man die Norweger kategorisch als unhöfliches Volk abstempelt. Die Umgangsformen mögen zwar immer weiter abstumpfen, sie haben aber auch einen ganz klaren kulturellen Ursprung.

      Zunächst einmal gibt es im sozialdemokratisch geprägten Norwegen ein starkes Bedürfnis nach Gleichheit. Individualismus und Herausragenwollen aus der Menge ist verpönt (siehe auch Janteloven), im Extremfall wird es sogar als Angeberei und Prahlerei wahrgenommen. Da ist es nur konsequent, wenn man, bevor man zu viel sagt, lieber gar nicht redet, schließlich hat man ein gesundes Misstrauen jeglicher verbalen Kommunikation gegenüber. Und man mischt sich auch nicht in die Belange seiner Mitmenschen ein, denn das Privatleben des anderen ist ihnen heilig. Was für die einen Unaufmerksamkeit ist, ist für andere nur eine Methode, um keine falschen Intentionen zu wecken. Der Kodex, sich nicht zu beachten, wird von allen akzeptiert, alle haben ihre Ruhe, keiner wird gestört.

      Auf der anderen Seite empfinden Norweger das, was im Ausland als höflich gilt, als eher befremdlich. Da wäre zum Beispiel dieses amerikanische »How are you?« oder »Have a nice day«. Bedeutungslose Floskeln ohne jeglichen Inhalt finden Norweger unangebracht, zu so etwas Falschem und Unechtem lässt man sich hier nicht hinreißen. Deutsche Höflichkeit erscheint in ihren Augen ebenfalls eher überzogen, sie passt aber in das Bild des korrekten Deutschen.

      Die Vietnamesin Anh Nga Longva, die seit über dreißig Jahren in Norwegen lebt und an der Universität in Bergen Sozialanthropologie lehrt, findet, dass die Höflichkeit der Norweger in ihrer Authentizität liegt: »Ich bin echt, deshalb bin ich eben nicht unhöflich.«

      Ach, und noch etwas: In Norwegen vermeidet man es, fremde Menschen zu berühren; das Antippen eines Mitmenschen ist verpönt.

       Tempo drosseln!

      Wir haben also gelernt, dass die Norweger Mitteleuropäern schon mal ruppig und barsch erscheinen können. Andererseits sollte man sich vor Augen halten, dass nicht jede Nation das Gleiche als höflich empfindet. So erleben die Norweger immer wieder ungewollt unhöfliche Ausländer, die sich zwar brav für das Essen bedanken (takk for maten) und anständig »Danke« (takk) und »Bitte« (vær så snill) sagen, aber bei anderen Gelegenheiten in den Augen mancher Norweger wenig galant erscheinen. So wird im Laufe seines Aufenthaltes jedem Besucher mindestens einmal die Frage gestellt werden: »Wie finden Sie Norwegen?« Wer da nicht sofort in Begeisterung ausbricht, hat verloren. Wer einem Norweger gegenüber fallen lässt, dass er »richtiges« Norwegisch und keinen Dialekt lernen will, braucht gar nicht erst wiederzukommen, und wer, wie Stefan, sich beim Anblick der sagenhaften Natur nur ein »hübsch« abringen kann, ist unten durch. Norweger sind stolz auf ihr Land, auf ihre Sprache und ihre Eigenheiten und wollen ihre Besucher daran teilhaben lassen. In ihren Augen ist es absolut unhöflich, wenn genau bei diesen Dingen nicht der angemessene Respekt gezollt wird.

      4

       GLAUB JA NICHT, DU BIST WAS BESSERES

       SO FUNKTIONIERT DAS JANTELOVEN

       Kilometer 150

      Henriks Großmutter feiert ihren 80. Geburtstag, und die Familie Sundnes möchte gerne, dass Stefan sie zu dem Fest begleitet. Eigentlich hat Stefan nichts Feines für den Anlass anzuziehen, Henrik beruhigt ihn aber und meint, dass eine dunkle Hose und ein Hemd völlig ausreichend sind. Als er dann sieht, was die Sundnes selbst zu diesem festlichen Anlass tragen, kann er ein Grinsen nur schwer unterdrücken. Die Familie, findet er, ist zurechtgemacht wie für eine Aufführung des Bauerntheaters. Cecilie versteht sein Grinsen falsch und erklärt Stefan voller Stolz ihr bunad, ihre Tracht. Sie trägt eine weiße Bluse, darüber eine rote Weste mit aufwendigen Stickereien und Broschen, Knöpfen und Haken aus Silber, eine weiße Schürze und einen schwarzen, gewalkten Rock. Henrik trägt Knickerbocker mit Troddeln an der Seite, dicke Wollstrümpfe und einen dunklen Janker. ›Wie putzig‹, denkt Stefan.

      Bunads sind von Region zu Region unterschiedlich und jeder Norweger trägt mit Stolz das bunad aus seiner Gegend. Fremdgehen, also ein anderes bunad tragen, nur weil einem das besser gefällt, ist tabu. Was die bunads allerdings gemeinsam haben, ist ihre aufwendige Verarbeitung und die hohe Qualität, die sich auch im Preis niederschlägt. Dafür können sie dann aber auch zu jedem festlichen Anlass getragen werden.

      Großmutter Rigmor lebt immer noch auf dem Hof, auf dem sie auch schon vor 80 Jahren geboren wurde, etwa 10 Kilometer von der nächstgrößeren Ortschaft entfernt. Die ganze Verwandtschaft ist gekommen, insgesamt etwas mehr als 40 Leute. Gemeinsam macht man es sich in der guten Stube und der Küche bequem, so gut es eben geht. Es wird bløtkake (Sahnetorte) gereicht, boller (Brötchen), kringler (Hefebrezeln) und irgendjemand hat auch einen kransekake gebacken. Diese Spezialität aus Norwegen, zu Deutsch: Kranzkuchen, wird aus Mandeln, Puderzucker und Eiweiß hergestellt und ist aus verschieden großen einzelnen Ringen zusammengesetzt. Kransekake wird traditionell an Weihnachten und dem 17. Mai, aber auch bei Hochzeiten und Familienfesten gereicht. Je nach Anlass ist er mit Fähnchen, Figuren oder Knallbonbons verziert. Auf Rigmors Geburtstags-kransekake stecken lauter kleine norwegische Fähnchen. Überhaupt finden sich diese Fähnchen überall, das ganze Haus gleicht einem Flaggenmeer. Schon zum dritten Mal an diesem Nachmittag stimmt die Gesellschaft ein Geburtstagsständchen an:

       »Hurra for deg som fyller ditt år,

       ja, deg vil vi gratulere!

       Alle i ring omkring deg vi står,

       og se nå vi vil marsjere,

       bukke, nikke, neie, snu oss omkring,

       danse for deg med hopp og sprett og spring,

       ønske deg av hjertet alle gode ting

       og si meg nå hva vil du mere?

       Gratulere!«

      »Ein Hurra für dich, die ein Jahr älter wird,

      ja, dir woll’n wir gratulieren!

      Alle um dich im Kreis herumstehen,

      schau, wie wir nun marschieren,

      verbeugen, nicken, knicksen, einmal rundherum

      tanzen für dich mit Hüpfen, Springen, Laufen,

      wünschen dir von Herzen alle guten Dinge,

      und sag mir nun, was willst du mehr?

      Gratulier’!«

      Stefan wird herzlich aufgenommen und verspürt große Lust, auch einen Beitrag zur guten Stimmung zu leisten. Immer wieder erhebt sich jemand für eine tale (Rede) und lässt die Jubilarin hochleben. Das geht kurz und pointiert über die Bühne, und schon nach ein paar Worten und einem lauten »Skål!« prostet man sich gegenseitig zu. Danach setzt sich der Redner zügig wieder hin. Er überlegt hin und her, und schließlich fällt

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