Fettnäpfchenführer Norwegen. Julia Fellinger
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Als er endet, ist die Stille schneidend. Wer ihn nicht mit offenem Mund ansieht, der sucht den Fußboden mit den Blicken nach etwas gerade Verlorenem ab. Stefan fügt noch ein leises »Münchner Domsingknaben« hinzu und setzt sich wieder hin.
Schleudergefahr
»Du sollst nicht glauben, dass du besser, klüger, wichtiger, wissender, schöner, fähiger, talentierter, besonderer, ausgefallener bist.« Kurzum: Nimm dich bloß nicht so wichtig! Das ist das Janteloven. Seit Jahrhunderten zieht es sich wie ein roter Faden durch den Verhaltenskodex der skandinavischen Welt. Anpassen und nicht hervorstechen ist die Devise. Wer dem zuwiderhandelt, wird mit dem Ausschluss aus der Gemeinschaft bestraft. In einer Zeit, in der der Familien- und Gemeindeverband der größte Halt des Einzelnen war, war das nachvollziehbar. Auf diese Zeit geht auch der ursprüngliche Begriff des Janteloven zurück. Er stammt aus der Feder des dänisch-norwegischen Schriftstellers Aksel Sandemose, der 1933 in seinem Buch »En flyktning krysser sitt spor« (Ein Flüchtling kreuzt seine Spur) das Janteloven mit zehn Geboten skizziert. Aber auch heutzutage, trotz Big-Brother-Shows, Eurovision Song Contest und Superstars-Wettbewerben ist das Janteloven noch tief in den norwegischen Verhaltensmustern verankert. Das fängt an bei normaler Konversation und zieht sich durch Meetings und Besprechungen bis hin zu politischen Debatten. Von der Schule bis ins norwegische Parlament (Storting) ist das Janteloven allgegenwärtig.
Stefan mag da eigentlich nur milde belächelt werden: »Ja, ja, die Ausländer. Von denen kennt man das ja nicht anders!« Wer aber dazugehören möchte, tut gut daran, nicht aus der Masse herausragen zu wollen. Es sei denn, es handelt sich um einen sportlichen Wettbewerb, da sind außergewöhnliche Leistungen ausdrücklich erwünscht, aber eben nur im sportlichen Zusammenhang. Überall sonst nimmt man sich einfach nicht so wichtig. Obwohl … Wenn Sie jemanden aus Sogndal am Sognefjord fragen, wird der Ihnen sicher erzählen, dass die Hauptstädter wohl nichts mehr vom Janteloven wissen und sowieso immer glauben, sie seien was Besseres.
5
HELT KONGE!1
VOM UMGANG MIT OBRIGKEITEN
Kilometer 290
Endlich hat Stefan Derek eine brauchbare Spur, die erste seit seiner Ankunft in Norwegen. Er hat einen Professor der Kunstgeschichte in einer alten Jugendstilvilla im schicken Osloer Westen besucht. Über vier Stunden lang hat der alte Herr ihm vom großen Edvard Munch erzählt, seinen unterschiedlichen Schaffensperioden, seinem Leben in Norwegen und im Ausland. Munchs Gemälde, so hat Stefan erfahren, sind schon seit Langem heiß begehrt. Nicht nur bei Auktionen erzielen sie unglaubliche Summen, auch im kriminellen Milieu erfreuen sie sich ausgesprochener Beliebtheit. Der Professor erzählt Stefan noch einmal, wie das war, als 2004 am helllichten Tage zwei Gemälde aus dem Munch-Museum geraubt wurden. Eines davon war kurze Zeit später stark beschädigt wieder aufgetaucht.
»Ich habe der Polizei schon damals gesagt, dass ich einen Auftragsdiebstahl für unwahrscheinlich halte, und es hat sich schließlich ja bewahrheitet«, sagt der Professor. »Ich denke, auch bei Ihrem verschwundenen Gemälde steckt ein anderer Grund dahinter. Es war ja vorher im Privatbesitz. Vielleicht sollten Sie im Umfeld des Besitzers suchen.«
Diese Information gibt Stefan sogleich an seinen Chef in München weiter und überlässt diesem damit den nächsten Schritt. Bis sein Chef sich wieder mit Neuigkeiten meldet, hat Stefan genug Zeit, seinen Aufenthalt hier in Norwegen zu genießen. Seine freie Zeit will er dann auch gleich mit Henrik verbringen, dem er versprochen hat, ihm dabei zu helfen, das Segelboot im Winterlager wieder seetüchtig für die bald anstehende Saison zu machen. Als sie an der Marina nicht weit von der Insel Bygdøy ankommen, herrscht reges Treiben. Henrik winkt grüßend ein paar Männern zu, die alle damit beschäftigt sind, die schweren Planen und Schoten von den Booten zu entfernen. Gemeinsam gehen sie zu einem hinteren Teil, weiter außerhalb auf dem Fjord. Stefan ist schon neugierig, welches Boot wohl unter Henriks Plane zum Vorschein kommen wird. Nach einigem Zerren, Ziehen und mit etwas Schweiß und Mühen entblättern sie eine schmucke X-41, eine wunderbar edle Rennjacht. Nicht übel. Selbst er als überzeugte Landratte kann sehen, dass dieses Boot wohl nicht gerade billig gewesen sein muss. Der Name Kjerringa (Altes Weib) leuchtet in roten Lettern am Rumpf. Gerade als Stefan Henrik nach der Übersetzung dieses Namens fragen will, taucht zwei Boote weiter aus dem Bauch einer ebenso ansehnlichen Jacht ein älterer Herr auf. Er unterhält sich angeregt mit zwei jungen Männern.
»Hei. Går det bra? Endelig vår, da er det på tide å komme seg ut, ikke sant«, ruft Henrik hinüber. »Hallo. Geht es gut? Endlich Frühling. Es wird höchste Zeit hinauszukommen, nicht wahr?!«
Der ältere Herr lächelt zurückhaltend und hebt die Hand zum Gruß. »Ja da, det blir fint«, antwortet er und verschwindet dann wieder unter Deck. »Ja, das wird wirklich gut.«
Irgendwie kommt Stefan der Mann bekannt vor. Wo hat er dieses Gesicht schon einmal gesehen?
»Wer war das denn?«, fragt er dann auch gleich neugierig nach.
»Der König«, antwortet Henrik gelassen.
Wow, das ist doch wirklich mal was Tolles. Ein waschechter König in unmittelbarer Nähe. Jetzt fallen Stefan auch die Männer auf, die scheinbar unbeteiligt am Kai stehen. Das ist bestimmt Polizei in Zivil. Das muss er unbedingt seiner Schwester zu Hause erzählen, die wird Augen machen … Henrik muss wirklich ein hohes Tier sein, wenn er seinen Liegeplatz so nah am König haben darf. (Henrik ist Abteilungsleiter bei einer Bank, kein wirklich »hohes Tier« also. Da die norwegische Königsfamilie sich aber sehr volksnah gibt und so etwas wie abgeschlossene oder VIP-Bereiche fast nirgendwo in Norwegen vorkommen, gibt es drei Faktoren, die einem einen Liegeplatz neben dem Boot des Königs ermöglichen: Man hat den Bootsplatz geerbt, man steckt sein ganzes Erspartes in sein Segelhobby oder man hat so viel Geld, dass man sich den teuren Liegeplatz ohne Weiteres leisten kann. Der Preis hat dabei weniger mit dem gekrönten Nachbarn als mit dem exklusiven Standort am Oslofjord zu tun. Henriks Familie stammt aus dem Osloer Westen, der Liegeplatz ist demnach geerbt.) Stefan will sich unbedingt ein Autogramm vom König geben lassen, und nur mit viel Mühe kann Henrik ihn davon abbringen, einfach auf das Nachbarboot zu steigen und den König anzusprechen.
»Warte, bis wir zu Hause sind«, versucht Henrik ihn von seinem Vorhaben abzulenken. »Da kann dir Cecilie ihr Schulalbum zeigen. Sie ist nämlich mit Prinzessin Märtha Louise in die Schule gegangen. Die kann dir noch ganz andere Geschichten erzählen.«
Schleudergefahr
Schön durchatmen, kein Grund zur Aufregung. In einem Land mit rund 5,3 Millionen Einwohnern und einer Monarchie bleibt man von dem einen oder anderen königlichen Erlebnis nicht verschont. Jeder Norweger, ob oben im hohen Norden oder unten in der Hauptstadt, hat seine eigene Meinung zur Königsfamilie. Die einen würden gerne darauf verzichten und am liebsten eher heute als morgen Norwegen als Republik ausrufen, die anderen schämen sich für eine Kronprinzessin mit bürgerlichem Ursprung und Drogenvergangenheit und für eine Prinzessin, die mit Engeln im Bunde steht. Wieder andere finden das alles einfach nur schick.
Mette-Marits Akzeptanz in der Öffentlichkeit hat sich nach ihrer Heirat mit Kronprinz Haakon 2001 und der Geburt des königlichen Nachwuchses Ingrid Alexandra (2004)