Fettnäpfchenführer Norwegen. Julia Fellinger
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Fettnäpfchenführer Norwegen - Julia Fellinger страница 10
![Fettnäpfchenführer Norwegen - Julia Fellinger Fettnäpfchenführer Norwegen - Julia Fellinger Fettnäpfchenführer](/cover_pre930826.jpg)
2007 eröffnete Märtha Louise, die nach ihrer Heirat mit dem Skandalautor Ari Behn ihren Status als Königliche Hoheit eingebüßt hatte, eine engleskole, eine Schule, in der man lernt, in Kontakt mit Engeln zu treten.
Die Königstreue nimmt ulkigerweise von Süden nach Norden zunehmend ab, sodass sich der Fischer auf den Lofoten eher fragt: »Was kümmert mich der König? Der ist weit genug weg.« Aber stolz sind sie alle ein bisschen, ist doch die Monarchie Ausdruck ihre Unabhängigkeit. Dabei ist die Königsfamilie stets bemüht, volksnah (folkelig), naturverbunden und jovial zu erscheinen. Auch hier ganz im Sinne des Janteloven. Dennoch würden die meisten Norweger nicht ohne Weiteres auf die Idee kommen, die Existenzberechtigung des Königshauses anzuzweifeln, auch wenn deren Ursprung nicht in Norwegen, sondern in Dänemark und England liegt und der Anteil an Bürgerlichen durch Königin Sonja und Kronprinzessin Mette-Marit bei immerhin 50 Prozent liegt. Diskussionen mit Norwegern zu diesem Thema sind unweigerlich zum Scheitern verurteilt.
Was man trotz Volksnähe und Unmittelbarkeit niemals machen würde, ist, der Königsfamilie gegenüber aufdringlich zu werden, um Autogramme zu bitten oder sie in ein Gespräch zu verwickeln. Sollten Sie aus dem einen oder anderen Grund in die Verlegenheit kommen, den König anzusprechen, dann bleiben Sie am besten in der dritten Person Hans (Hennes) Kongelige Høyhet (Ihre Königliche Hoheit in männlicher und weiblicher Form). Sie glauben nicht, dass Sie in die Gefahr kommen, jemals auf die norwegische Königsfamilie zu treffen? Sagen Sie das nicht … Sie brauchen nur ein wenig die Gewohnheiten der einzelnen Mitglieder der Königsfamilie zu kennen, und schon ist eine Begegnung nicht mehr unwahrscheinlich. Der König ist im Sommer auch noch in seinem hohen Alter auf den größten Segelregatten Europas anzutreffen, die Königin kauft ihr Brot am liebsten in einer kleinen Bäckerei hinter dem Schloss (Åpent Bakeri). Märtha Louise lebt seit der Scheidung von Ari Behn im Jahre 2017 mit ihren drei Töchtern alleine auf einem Hof in Lommedalen. Die Kronprinzessin Mette-Marit ist Schirmherrin vom norwegischen Design- und Modeverband und nimmt regelmäßig an Modeevents in Oslo teil.
Ob Sie nun an ein Treffen glauben oder nicht, interessieren wird Sie vielleicht, dass es in Norwegen außer der Königsfamilie keine weiteren Adligen im Land gibt, da der Adelsstand 1821 abgeschafft wurde. Der einzige »Adel«, der in Norwegen neben dem Königshaus noch existiert, ist der sogenannte nikkersadel. Das Wort setzt sich zusammen aus den Begriffen Knickerbocker (nikkers) und Adel und bezeichnet eine vom Aussterben bedrohte bürgerliche Elite, die sommers wie winters ihre Freizeit beim Wandern und Skifahren verbracht hat. Die heutigen Vertreter des nikkersadel sind ältere Herrschaften, meistens Männer.
Wie geht ein Land, in dem alle gleich sind, ansonsten mit seinen Obrigkeiten, Staatsgewalten und anderen Amtspersonen um? Es wird Sie vielleicht nicht wundern, dass man den Staatsminister ebenso duzt wie den obersten Richter am Høyesterett (Obersten Gerichtshof). Amtsbezeichnungen sind sparsam gestreut und werden nicht bei allen Gelegenheiten eingesetzt. Abgesehen von Ärzten, die in Norwegen oft keinen Doktortitel haben. Bei ihnen wird der Doktortitel bei der Anrede und zur Berufsbezeichnung ergänzt, egal, ob die betreffende Person den Titel nun innehat oder nicht. Selbstverständlich wird auch der Arzt geduzt.
Tempo drosseln!
Abschließend wollen wir noch einen kurzen Blick auf die Exekutive werfen. Die Polizei wird in Norwegen in politi und lensmann eingeteilt, wobei Letztere eher kleinere Polizeidistrikte betreut. Die Polizeiautos (meistens VW Passat) sind weiß und haben einen roten und einen blauen Streifen an der Seite. Ihre Sirenen hören sich an wie die aus amerikanischen TV-Serien. Die Uniform der Polizisten besteht aus einer schwarzen Hose mit blauem Hemd. Norwegische Polizisten sind in der Regel unbewaffnet, was bei ihren internationalen Kollegen Stoff für Diskussionen und Lust zur Nachahmung hervorgerufen hat. Für EU-Bürger ist die Polizei zuständig für das Erteilen von Aufenthaltsgenehmigungen. Wenn schon nicht mit dem Königshaus, dann werden vor allem Raser früher oder später die Bekanntschaft mit einem Polizisten machen, wenn der sie in einer Verkehrskontrolle stoppt. Dann kann es teuer werden.
Verkehrsdelikte sind in Norwegen wirklich keine Bagatellen und können im schlimmsten Fall sogar mit Gefängnis bestraft werden. Fährt man in einer 60er-Zone 15 km/h zu schnell, kostet das schon umgerechnet 370 Euro. Die Promillegrenze liegt in Norwegen bei 0,2. Wird man mit 0,5 Promille bei zu schnellem Fahren erwischt, drohen 1½ Monatslöhne Strafe (selten weniger als 1.200 Euro), Gefängnis auf Bewährung und ein Jahr Führerscheinentzug. Fahren ohne Sicherheitsgurt schlägt mit 158 Euro, Telefonieren während des Fahrens mit 180 Euro zu Buche. Rechts überholen ist auch in Norwegen nicht erlaubt und wird mit einem Strafmandat von bis zu 720 Euro geahndet, obwohl es hier immer wieder passiert, dass Autos von rechts vorbeiziehen. Strafzettel wegen Falschparkens kosten je nach Delikt ab 65 Euro.
6
WARUM MAN IMMER ÜBER DEN ZUSTAND SEINER SOCKEN BESCHEID WISSEN SOLLTE
RICHTIGES VERHALTEN BEIEINLADUNGEN
Kilometer 310
Stefan hat es sich mit einer Biografie über Edvard Munch auf der Terrasse gemütlich gemacht, als Cecilie zu ihm nach draußen tritt. Jorunn und ihr Mann Ole, alte Bekannte der Sundnes’, haben zum Essen eingeladen und meinten, sie sollen ihren deutschen Gast mit dem drolligen Namen doch einfach mitbringen. »Hast du Lust auf ein norwegisches Fest?«
Klar hat er das – und da die Sundnes sich gerade auf den Weg zu einem Fußballturnier von Sundnes Junior machen, will man sich dann später direkt vor Ort treffen.
Die Familie ist gerade aus dem Haus, da fällt Stefan siedend heiß ein, dass er gar nicht nachgefragt hat, was er eigentlich mitbringen, geschweige denn, was er anziehen soll. Er überlegt nicht lange. Eine private Essenseinladung kann nur casual sein, also sollten Jeans und Poloshirt vollkommen ausreichen. Für die Frau des Hauses wird er irgendwo Blumen auftreiben, in seinem Gepäck hat er noch eine Schachtel Mon Chéri, die er eigentlich Cecilie schenken wollte. Egal, die müssen jetzt als Mitbringsel für die Gastgeber herhalten.
Im Hinterkopf hat er glücklicherweise noch Cecilies eindringliche Bitte gespeichert: »Du weißt nicht, was passiert, wenn man dich mit Alkohol am Steuer erwischt. Und du willst es auch nicht wissen.« Er lässt das Auto also stehen und will sich mit der T-bane und dem Bus bis zum Ort der Festlichkeit Richtung Nordstrand durchschlagen.
Er hat sich entschlossen, nicht allzu pünktlich zu kommen, und als er um halb acht endlich vor der Tür steht, ist das Fest gerade dabei, sich warmzulaufen. Jorunn öffnet ihm auf sein Klingeln hin die Tür.
»Hei. Du er vel Stefan. Hyggelig at du kom. Jeg heter Jorunn. Bare kom inn.« (»Hallo, du bist sicher Stefan. Schön, dass du gekommen bist. Ich heiße Jorunn. Komm nur herein.«)
»Hei, hallo. Takk. Hyggelig. My Norwegian is not so good. Thank you for the invitation.« (»Hallo. Danke, sehr nett. Mein Norwegisch ist nicht so gut. Ich danke dir für die Einladung.«)
Am Eingang muss er erst einmal über ein Meer von Schuhen steigen. Können die nicht aufräumen, wenn sie Besuch erwarten? Er folgt Jorunn ins Wohnzimmer und wird reihum den anderen Gästen vorgestellt. Neben den Sundnes und den Halvorsens (also Jorunn und Ola) sowie insgesamt vier Kindern sind noch zwei Frauen im Wohnzimmer, die ohne Begleitung zu sein scheinen, nämlich Hanne und Solveig. Alle sind schön zurechtgemacht. Die Damen sind herausgeputzt mit Spitze,