Fettnäpfchenführer Großbritannien. Michael Pohl
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Victoria Station: Benannt nach der noch heute allerorten viel gewürdigten Königin Victoria ist dieser Bahnhof inzwischen einer der größten der Stadt. Nicht weit entfernt befindet sich auch der zentrale Busbahnhof, von dem aus Linienbusse in alle Himmelsrichtungen fahren. Ein Vorläufer der Victoria Station entstand 1851 zur Weltausstellung. Teile des heutigen Gebäudes sind seit 1860 in Betrieb. Heute fahren von Victoria Station in der Wilton Road aus Züge in den Süden Englands, unter anderem zum Flughafen Gatwick.
Euston Station: Zweifelsfrei einer der unattraktivsten Londoner Bahnhöfe. Sein Vorgänger war 1837 als Endpunkt der West Coast Main Line eröffnet worden. Es handelte sich um ein fürstliches Gebäude aus Stahlelementen und einem mächtigen Torbogen aus Stein. In den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts jedoch entschied man sich für einen Neubau – im eher schlichten Baustil der damaligen Zeit. Teile des alten Torbogens wurden später in einem Kanal in East London entdeckt – das Interesse, die alte Bausubstanz zu bewahren, war zu jener Zeit offenbar gering. Ab Euston (Euston Road) fahren Züge heute unter anderem nach Liverpool, Manchester und Wales.
Achter Waggon. Peter traut seinen Augen nicht: endlich ein freier Platz, sogar gleich zwei nebeneinander! Er verstaut seinen Koffer am Eingang in einem Gepäckfach und nimmt Platz. Leicht angeekelt ruckelt sich Peter selbst zurecht auf dem dezent befleckten Sitzbezug. Der Ausdruck »bequem« trifft nicht ganz jenes Gefühl, das er gerade trotz des Zurechtruckelns verspürt, denkt Peter. Er schaut genervt nach rechts an die Wand: »Safety Instruction« ist da auf einem Schild zu lesen, darunter eine Abbildung des Zuges mit deutlich gekennzeichneten Notausgängen – die Sicherheitshinweise. Die Betreiber werden wissen, weshalb sie das aufhängen, murmelt Peter in sich hinein. Die ganze Zugstrecke scheint dringend sanierungsbedürftig zu sein, resigniert er.
Er schnappt sich seine Tageszeitung, die er noch am Flughafen gekauft hatte. Im Flugzeug war er zu müde gewesen, um einen Blick hineinzuwerfen, und hatte sie deswegen gar nicht zur Hand genommen. Und auch jetzt fallen Peter die Augen zu.
Er überlegt, was ihn in London erwartet. Das erste Mal auf der Insel. Das erste Mal allein im Urlaub. Eigentlich hatte Peter mit seiner Freundin Tanja nach England reisen wollen. Vor allem Tanja war es, die sich 2018 vom royalen Fieber hatte anstecken lassen: Als Prinz Harry damals seine Freundin Meghan Markle heiratete und man auch in Deutschland im Fernsehen sehen konnte, wie begeistert ganz England mitfeierte, stand das Reiseziel fest. Drei Wochen kreuz und quer durchs Land. Erst vier Tage London, dann mit dem Mietwagen Richtung Südwesten, das Rosamunde-Pilcher-Gefühl erleben. Anschließend hinauf gen Norden, Schottland, die Highlands, ein Abstecher nach Edinburgh.
KATE UND WILLIAM
Es war für viele der Inbegriff einer Traumhochzeit: Am 29. April 2011 traten Prinz William Arthur Philip Louis Mountbatten-Windsor und seine langjährige Freundin Kate (Catherine) Middleton in Westminster Abbey vor den Traualtar. Hunderttausende säumten die Straßen, etliche Millionen verfolgten die Hochzeit in aller Welt vor den Fernsehgeräten. Bereits seit Bekanntgabe des Termins im Vorjahr kursierte in Großbritannien das Kate-und-William-Fieber: Auf Tassen, Handtücher und anderen Souvenirs prangten seitdem die Konterfeis des Brautpaares.
Umfragen bescheinigten dem Königshaus zu dieser Zeit die höchste Popularität seit Langem. Seit den neunziger Jahren stand es zunehmend in der Kritik. Unter anderem warf man ihm falschen Umgang bei der Bewältigung des Todes von Prinzessin Diana vor. Bereits zuvor waren die Wellen hochgekocht wegen der dramatischen Ehe Dianas mit Prinz Charles, die schließlich in der Scheidung mündete. Und auch Charles’ zweite Hochzeit mit Camilla Parker Bowles am 9. April 2005 sorgte eher für Wirbel als für ein positives Image. Weil es die zweite Ehe des geschiedenen Charles war, durfte es keine offizielle königliche Trauung in Windsor Castle geben. Deswegen heiratete das Paar standesamtlich im Rathaus von Windsor. Auch zahlreiche Staatsgäste sagten unter Verweis auf den fehlenden offiziellen Charakter ab. Prinz William ist neben Prinz Harry einer der beiden Söhne von Charles und Diana. Er ist als ältester zugleich Thronfolger nach seinem Vater.
Doch Tanja ist nicht mehr das, was man eine Freundin nennt. Die beiden haben sich getrennt. Tanja ist seit einer Woche in Spanien auf Reisen – mit ihrem neuen Freund Kevin. Kevin. Allein dieser Name! Peter könnte immer noch um sich schlagen vor Wut. Aus Trotz hat er an seinen Reiseplänen festgehalten. England, allein. Endlich machen, was er will und wann er will. Super fand er damals spontan aus ganzer Überzeugung. Inzwischen relativiert er seine Ansicht: drei Wochen allein in einem ihm unbekannten Land? Wenn das mal gut geht ...
Was hat Peter falsch gemacht?
Er hätte sich vorher über das Kleingedruckte informieren sollen: London ist die Stadt der Flughäfen – ganze fünf liegen im direkten Einzugsbereich der Acht-Millionen-Einwohner-Metropole: Heathrow, Gatwick, City, Stansted und Luton. Sie alle führen das Wort »London« in ihrem Namen. Doch wirklich zentral – sofern man das bei einem Flughafen überhaupt voraussetzen kann – liegen im Grunde nur London-Heathrow (gut 30 Kilometer von Stadtzentrum entfernt) und London-City (zwölf Kilometer). Hinzu kommen noch zwei weitere kleinere Airports, die inzwischen ebenfalls den Namen »London« führen, jedoch noch weiter entfernt sind: London-Oxford liegt knapp 100 Kilometer vom Zentrum der Hauptstadt entfernt nördlich von Oxford. Und auch der Flughafen London-Southend hat mit der Hauptstadt nicht viel zu tun: Er liegt knapp 70 Kilometer östlich an der Themse-Mündung.
London-Heathrow (IATA-Code: LHR) ist mit jährlich rund 78 Millionen Flugreisenden der größte Flughafen Europas und der sechstgrößte der Welt. Er entstand in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts und besteht heute aus insgesamt fünf Terminals, wobei eines davon abgerissen und neu gebaut wird. Da es trotz der großen Kapazitäten nur zwei Start-Lande-Bahnen gibt, kommt es vergleichsweise häufig zu Verspätungen. Das britische Parlament hat den Bau einer dritten Bahn zwar beschlossen, es gibt jedoch massive Proteste der Anwohner. Heathrow ist seit 1977 über die Piccadilly-Linie der U-Bahn perfekt an das Londoner Nahverkehrsnetz angeschlossen. Zudem gibt es mit dem Heathrow Express eine Non-Stop-Zugverbindung zum Bahnhof Paddington. Alle 15 Minuten startet ein Zug, der nach 15 Minuten am Endbahnhof eintrifft. Heathrow ist das größte Drehkreuz der Fluggesellschaft British Airways und Ziel vieler großer Linienfluggesellschaften.
Der City Airport (IATA-Code LCY) wurde 1987 auf dem Gelände des früheren King-George-V-Docks in den Londoner Docklands eröffnet. Er verfügt lediglich über eine Startbahn, die zudem nur für kleine Maschinen zugelassen ist. Die größte Maschine, die dort landen darf, ist der Airbus A318. Dementsprechend kann man von den Docklands aus lediglich britische und europäische Flughäfen anfliegen, einzige Ausnahme ist ein sehr exklusiver Business-Class-Flug nach New York. Mit 4,3 Millionen Passagieren jährlich ist der City Airport der kleinste der Londoner Flughäfen. Durch seine Nähe zum Geschäftsviertel Canary Wharf ist er vor allem bei Geschäftsreisenden beliebt. Er ist über die Hochbahn Docklands Light Railway an das Londoner Nahverkehrsnetz angeschlossen.
London-Gatwick (IATA-Code LGW) liegt südlich des Autobahnringes M25, etwa 40 Kilometer von der Londoner Innenstadt entfernt. Der Flughafen ist mit jährlich 43 Millionen Passagieren die Nummer zwei unter Londons Flughäfen, im europäischen Vergleich steht er an Position acht. Und das bei nur einer einzigen Start- und Landebahn. Gatwick verfügt über zwei Terminals und wird von zahlreichen Fluggesellschaften – Linie, Charter und Billigfliegern – angesteuert. Eine U-Bahn-Anbindung wie in Heathrow gibt es nicht, dafür den Zug Gatwick Express, der den Flughafen alle 15 Minuten mit dem Bahnhof Victoria verbindet. Die Fahrtzeit beträgt rund 30 Minuten.
London-Stansted