Fettnäpfchenführer Großbritannien. Michael Pohl
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Читать онлайн книгу Fettnäpfchenführer Großbritannien - Michael Pohl страница 6
Peter erhält seinen Zimmerschlüssel, nicht ohne noch über die Frühstückszeiten aufgeklärt zu werden: 7 bis 9.30 Uhr. Da heißt es, rechtzeitig aus dem Bett zu kommen. Peter nimmt sein Gepäck und schleppt es die schmale steile Treppe hinauf – seine Frage nach einem Fahrstuhl wurde vom Herrn hinter der Rezeption diesmal lautlos verneint, mit schlichtem Kopfschütteln. Er sei defekt, liest er auf einem Schild, auf das der Herr zeigt. Der Monteur sei benachrichtigt und werde noch heute erwartet, heißt es darauf weiter. Also zu Fuß los.
Peter hat noch nie ein derart verbautes Gebäude erlebt: Auf kleinstem Raum sind in diesem Hotel Unmengen an Treppenstufen integriert. Einmal muss er sogar vier Stufen hinaufsteigen, um einen knappen Meter weiter wieder vier Stufen hinabzugehen, Koffer und Rucksack immer im Schlepptau.
Gefühlte 1000 Stufen weiter ist Peter am Ziel: Zimmer 27. Er steckt den Schlüssel ins Schloss und öffnet die Tür. Wow! Peter ist beeindruckt: In so wenig Raum so viele Möbel zu stellen, dürfte eine echte Leistung sein: Kurz nach der Zimmertür beginnt bereits das Bett, im Anschluss die Wand. Links neben dem Bett steht ein kleiner Nachttisch, direkt angrenzend die nächste Wand mitsamt einem kleinen Fenster nach draußen. Rechts neben dem Bett steht ein kleiner Schrank, daneben befindet sich eine geöffnete Tür – vermutlich folgt dahinter das Badezimmer. Alles in allem nicht viel Fläche zur freien Bewegung. Eher Käfighaltung als Biostandards.
Peter hievt sein Gepäck ins Zimmer und schließt die Tür hinter sich. Neben der Eingangstür entdeckt er nun noch ein kleines Fernsehgerät. Doch auch ein Blick ins Badezimmer heitert ihn nicht weiter auf: Dusche, Waschbecken und Toilette sind darin auf ebenfalls kleinstem Raum untergebracht. Wenn er sich anstrengt, überlegt Peter, müsste er zumindest seine Füße duschen können, während er auf der Toilette sitzt, und sich parallel die Zähne am Waschbecken putzen. Aber wer will das schon?
Peter setzt sich aufs Bett und lässt sich nach hinten fallen. Irgendetwas kommt ihm seltsam vor. Er tastet mit den Händen das Bett ab und blickt auf: Es fehlt eine Federdecke. Peter hat sich auf eine dünne Wolldecke fallen lassen, die auf einem Laken liegt. Mehr gibt es – abgesehen vom Kopfkissen – nicht. Peter überkommt ein leichtes Gefühl von Ekel, als er daran denkt, wann diese Wolldecke wohl das letzte Mal gereinigt worden ist. Er setzt sich auf und erblickt auf dem zweiten Nachttisch zwischen Bett und Schrank erfreut einen Wasserkocher, zwei Becher und ein kleines Körbchen mit Teebeuteln und löslichem Kaffee. Ein Tee nach dieser Anreisetortur – das wäre jetzt genau das richtige. Aber was mag ihm das Hotel dafür berechnen? Das Teuerste an solchen Übernachtungen sind ja meist die Preise der Minibars. Neulich in Paris hatte sein Hotel vier Euro für eine Cola verlangt. Dafür könne er sich einen ganzen Träger kaufen, hatte sich Peter daraufhin an der Rezeption echauffiert. Und nun eine ganze Teeplantage? Sei es drum – Peter lässt es drauf ankommen. Er kocht sich Wasser auf für einen Beutel Earl Grey, lehnt sich einmal mehr zurück und denkt an seine Jugend, die er in einem Zimmer ähnlicher Größe verbracht hatte. Ein Grund mehr, sich in das Londoner Getümmel zu stürzen, statt zu lange im Hotelzimmer zu verbringen.
KLEINE TEEKUNDE
Earl Grey ist eine traditionell aus chinesischen Teeblättern zusammengestellte Teemischung, die – ebenfalls traditionell – mit Bergamotteöl aromatisiert wird. Heute gibt es jedoch überwiegend andere Varianten, auch mit indischen Teeblättern. Zudem wird in der Massenproduktion meist künstliches Aroma zugegeben statt Bergamotteöl. Benannt ist der Tee nach dem britischen Premierminister Charles Grey (1764–1845), der in seiner Amtszeit neben anderem das Preismonopol der East India Company im Teehandel aufhob.
Was hat Peter falsch gemacht?
Es war lange Zeit gar nicht so leicht, in Großbritannien ein gutes, aber bezahlbares Hotel zu finden. Britische Hoteliers hatten sich auf ihren Traditionen ausgeruht und auf den Reiz, den ihre Hotels früher einmal gehabt haben mochten. Doch viele vergaßen, dass man selbst eine Privatwohnung dann und wann renovieren sollte – ein Hotelzimmer, in dem fast jede Nacht neue Gäste wohnen, erst recht.
Vor allem seitdem immer mehr internationale Ketten auf die Insel drängen und sich dort auch einige britische Billigketten ausgebreitet haben, sind die alteingesessenen Hoteliers jedoch unter Druck geraten. Die finanziell meist bestens aufgestellten Konzerne eröffnen fast monatlich neue Hotels, werben mit günstigen Preisen, und schicken alle paar Jahre Maler, Maurer und Innenarchitekten durch ihre Häuser, um stets ein gewisses Niveau an Ausstattung zu halten (wozu sie mitunter durch Verträge verpflichtet sind). Wer heute bei der Hotelsuche auf das Kleingedruckte achtet, auf die Lage und sich idealerweise auch noch ein paar Bilder oder Bewertungen anderer Gäste im Internet heraussucht, der ist meist gut bedient und dürfte nicht so schnell hereinfallen.
Unterschieden wird in Großbritannien zwischen Einzelzimmern (Single), Doppelzimmern (Double) und jenen Doppelzimmern, in denen nicht ein großes Bett mit einer großen Decke, sondern zwei kleine voneinander getrennte Betten stehen (Twin). Sind Sie also beispielsweise mit einem Kollegen oder Bekannten unterwegs, mit dem Sie sich ein Zimmer teilen, bietet sich Letzteres an – es sollte auch in jedem Hotel erhältlich sein.
Wer Wert auf Federbetten legt, sollte das rechtzeitig an der Rezeption sagen – oder besser schon bei der Buchung angeben. Denn die sind nach wie vor meist nur in großen Hotelketten üblich. Kleine Häuser halten an der Tradition fest, bei der man sich mit einem Laken zudeckt, auf dem wiederum eine Wolldecke liegt. Das ist mitunter gewöhnungsbedürftig und vor allem im Winter nicht immer ausreichend warm.
Der Wasserkocher samt Teebeuteln gehört übrigens zum festen Inventar von Hotels und Pensionen in Großbritannien (und im Grunde auch fast dem gesamten englischsprachigen Ausland). Sie dürfen ihn kostenlos benutzen, quasi als Aufmerksamkeit des Hauses.
Dialekte
Die englische Sprache ist reich an Dialekten, doch anders als in Deutschland sind sie nicht zwingend mit einzelnen Regionen verbunden. Auch das Klassendenken spielt mit hinein. Gut gebildete, wohlsituierte Briten legen meist überall im Land Wert darauf, ein reines Englisch zu sprechen, ganz gleich, aus welcher Region sie stammen. So sind Dialekte beispielsweise in Finanz-, Unternehmer- und Politikkreisen selten zu finden. Darüber hinaus gibt es aber im ganzen Land Dutzende von sprachlichen Unterschieden. Eng mit London verknüpft ist beispielsweise das sogenannte Cockney English, ein Slang, der früher von Bewohnern der City of London gesprochen wurde. Bestimmte Reime sind typisch für diesen Dialekt, außerdem wird das »H« dabei nicht gesprochen. Da sich die City of London inzwischen zum Finanzdistrikt der Stadt entwickelt hat, ist auch das Cockney English deutlich verdrängt worden. Man hört es heute nicht mehr oft auf der Straße. Auch die früheren Arbeiterregionen um Manchester haben ihren eigenen Dialekt entwickelt, der für Auswärtige mitunter schwer zu verstehen ist. Typisch für einige schottische Regionen ist das rollende »R«. In Nordirland wird häufig die letzte Silbe eines Satzes betont. Insgesamt ist es wie bei deutschen Dialekten: Man kann sich auch als Auswärtiger »reinhören« und versteht es dann recht gut.
3
PETER IM BAD
LONDON, 29. JULI, 8.20 UHR
Was für eine Nacht! Alle behaupten immer, New York sei die Stadt, die niemals schläft. Peter ist sich nun ganz sicher: In Wahrheit muss damit London gemeint sein. Während der gesamten Nacht dröhnte der Autoverkehr auf der vierspurigen Straße vor seinem Fenster. Und seit den frühen Morgenstunden kam noch ein weiteres Geräusch