Fettnäpfchenführer Italien. Sandro Mattioli
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Читать онлайн книгу Fettnäpfchenführer Italien - Sandro Mattioli страница 11
»Sie können hier nicht bleiben«, sagte er, was Franziska aber nicht verstand, denn der Mann redete in tiefstem römischem Dialekt. Sie schaute ihn fragend an. Der Mann machte eine wischende Bewegung mit seiner Hand. Er hatte wohl verstanden, dass sie ihn nicht verstand, und sagte energisch: »Via! Via!«
Franziska packte ihre Sachen und fragte sich, ob das die italienische Gastfreundschaft war, von der ihre Eltern immer geschwärmt hatten.
Was ist diesmal schiefgelaufen?
Franziska hat sich einen Lido für das Sonnenbad ausgesucht, und das war falsch. Denn es gibt in Italien eine Faustregel, die man kennen sollte, wenn man ans Meer will: Nennt sich das Strandbad »Lido XY«, ist der Aufenthalt dort in der Regel kostenpflichtig. In Gegenden mit hohen Preisen, wie etwa um Sorrent, kann die Miete für eine Liege sogar bis zu 20 Euro pro Tag betragen. So kann ein Strandbesuch schnell ein teures Vergnügen werden, zumal, wenn man mehrere Liegen und einen Sonnenschirm mietet. Allerdings gibt es auch eine günstigere Möglichkeit: die spiaggia libera, der freie Strand. Hier gibt es oft auch Bars, die neben Essen und Trinken auch Liegen und Sonnenschirme anbieten. Man kann dort aber auch einfach wie Franziska sein Handtuch ausbreiten und sich gemütlich sonnen.
Was können Sie besser machen?
Einfach fragen, ob man sich niederlassen kann. Generell hilft auch, das Verhältnis von Sonnenliegen zu Handtüchern abzuschätzen: Viele Liegen deutet darauf hin, dass es sich um einen kostenpflichtigen Strand handelt. In manchen Fällen werden Handtücher jedoch geduldet, selbst wenn der Strandbesitzer oder -pächter Liegen vermietet.
Eines aber ist in Italien völlig unüblich: sich am Strand offen umzuziehen. Anders als es an deutschen Badeseen oft praktiziert wird, wechseln Italiener entweder unter dem Handtuch ihre Badeklamotten, bei Frauen kann es auch mal das Kleid sein. Oder aber, was zumindest am Lido am häufigsten der Fall ist, es werden die Umkleidekabinen benutzt. Oder man zieht die Badekleidung bereits zu Hause an.
In Italien sind zwar an jedem Abend zig langbeinige Schönheiten als sogenannte Veline im Fernsehen zu sehen, als knapp bekleidete und dumm lächelnde Bildschirmdekoration, dazu gibt es zig Kanäle für Pornofilme, und A-, B- und C-VIPs sind nie sicher vor Paparazzi, wenn sie oben ohne am Strand liegen (und wollen es oft auch nicht sein, schließlich helfen auch solche Berichte in zwielichtigen Starmagazinen, sich in einem Fernsehland durchzusetzen). Doch der starke Katholizismus hat dennoch seine Wirkung auf das Land: Man ist prüde. Die Gesellschaft ist komplett durchsexualisiert, männlich dominiert und immer noch von einem traditionellen Rollenverständnis geprägt, demzufolge die Frau vor der Heirat locken und eine Femme fatale sein soll, danach aber eine gute Mutter und Hausfrau (auch wenn hier die heutzutage häufige Berufstätigkeit der Frau einiges geändert hat!). Öffentliche Nacktheit ist nicht gern gesehen. Dass Menschen ohne jede Textilie am Leib im Park liegen, wie etwa im Englischen Garten in München, ist in Italien unvorstellbar, auch wenn es inzwischen einige offizielle FKK-Strände gibt. Weit weniger nackt, aber dennoch strengstens verpönt, ist es, als Mann oben ohne in der Stadt unterwegs zu sein. Dann besser ein leichtes Hemd tragen und dieses bis zum vorletzten Knopf, also bis auf Höhe des Bauchnabels, offen lassen!
9
WIE FRANZISKA EINE KULINARISCHE LEKTION ERTEILT WIRD
AUFGEWÄRMTE FRITTEN SIND OKAY, KETCHUP KAUM
Franziska fragte sich, warum sie so hungrig war, hatte sie den ganzen Tag doch ohne jede Kraftanstrengung am Strand gelegen – am freien Strand, nachdem sie vom anderen vertrieben worden war. Ab und an war sie kurz ins Wasser gegangen, um sich abzukühlen, und hatte sich dabei ganz italienisch gefühlt. Nur noch eine mit Wasser gefüllte Sprühflasche fehlte ihr, eine Einrichtung für die ganz Entspannten, die nicht einmal den Weg ins Wasser auf sich nehmen wollen.
Jetzt stand sie in ihrer Küche und es überkam sie die Lust auf Pasta, wie sie sie zu Hause öfter gegessen hatte. Sie beschloss, eine lange Pasta zu machen, Linguine, flach gedrückte Spaghetti, wie ihre Mutter immer sagte. Sie nahm die Packung in die Hand und schlug sie mit der schmalen Seite mit Wucht auf den Küchentisch. Durch den Aufschlag platzte die Plastikhülle an der gegenüberliegenden Kopfseite auf und sie konnte ein Bündel Pasta herausnehmen. So hatte sie es einmal bei einem alten Mann gesehen, der zu Hause am offenen Fenster sich einen Topf Nudeln kochte. Sie war von der Einfachheit dieser Art, die Packung zu öffnen, begeistert.
Nach genau der auf der Packung angegebenen Zeit goss Franziska die Nudeln ab. Die Handvoll Pasta auf ihrem Teller mischte sie just in dem Moment mit der Sauce, als Giulia in die Küche kam. Sie hatte gerade geduscht, ihre Haare waren noch nass.
»Igitt, was machst du denn da?«, fragte ihre Mitbewohnerin und verzog ihr Gesicht. »Che schifo«, wie eklig.
»Warum? Ich habe die Pasta schön al dente gekocht.«
»Ja, aber das ist Ketchup«, sagte Giulia und zeigte abschätzig auf die rote Plastikflasche auf dem Küchenbord.
»Richtig«, sagte Franziska, »ich mag das.«
»Ihr Deutschen habt ja keine Ahnung vom Essen, ihr seid ja fast noch schlimmer als die Amerikaner«, schimpfte Giulia und ging kopfschüttelnd aus dem Raum.
Was ist diesmal schiefgelaufen?
Italiener haben genaue Vorstellungen von ihren Gerichten, die Kochvorschriften sind sehr rigide. Eine verkochte Pasta ist eine Blamage für jeden Koch und Pasta mit Ketchup ein Verbrechen. In manchen Familien geht das so weit, dass die Pasta immer frisch gekocht wird und nie aufgewärmt.
Für Deutsche ist es nicht so einfach, richtig italienisch zu kochen. Beispielsweise ist in der Bolognese-Soße nie das Hackfleisch die dominierende Zutat. Und viele Italiener lassen die Pasta nicht im Topf gar werden, sondern nehmen sie vor der Zeit aus dem Wasser und kochen sie in einem flachen Topf oder in einer Pfanne gemeinsam mit der Soße zu Ende. Das hat den Vorteil, dass die Nudeln den Geschmack der Soße besser aufnehmen, macht die Zubereitung aber ungleich schwieriger. Selbst an und für sich einfach zuzubereitende Gerichte erweisen sich in Italien plötzlich als komplexe Sache.
Wo in Deutschland jedes Reis-Gemüse-Gemisch ungestraft als Risotto bezeichnet werden darf, muss in Italien die richtige Reissorte verwendet werden (meist Arborio- oder Carnaroli-Reis), der Wein, der peu à peu hinzugefügt wird, muss zum genau richtigen Zeitpunkt in den Topf gegeben werden, damit der Alkohol verdunsten kann, dazu darf der Gemüseanteil nicht zu hoch sein – und wehe, der Reis wird zu weich gekocht!
Was können Sie besser machen?
Zunächst einmal: Akzeptieren Sie den Glauben der Italiener, dass man nirgendwo auch nur annähernd so gut essen kann wie in ihrem Land. Wenn Sie allzu touristische Lokale meiden und sich nach Möglichkeit von Einheimischen Gaststätten empfehlen lassen, werden Sie bald auch davon überzeugt sein. Dann werden Sie auch verstehen, warum Italiener sich wenig flexibel bei der Zubereitung traditioneller Gerichte zeigen.
Italien kann sich nur schwer an neue Essgewohnheiten anpassen. So gibt es vergleichsweise wenig ausländische Lokale, Fastfoodketten haben es nicht leicht, gewinnen allerdings in den vergangenen Jahren