Fettnäpfchenführer Italien. Sandro Mattioli

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Fettnäpfchenführer Italien - Sandro Mattioli Fettnäpfchenführer

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alte Mann derart in Rage gerät, weil er von seinem Land spricht, ist nicht unbedingt ungewöhnlich; die meisten Italiener lieben ihr Land entweder oder hassen es, dazwischen gibt es nicht so sehr viel. Das hat auch mit dem politischen Lager zu tun, dem man angehört, denn für Italiener ist das Gruppengefühl sehr wichtig und weniger das Individuelle. Deutschland wird von Italienern oft über den Klee gelobt, es gilt als Land der Effizienz und Ordnung, Italiener mögen deutsches Bier und dass in Deutschland so vieles funktioniert, was in Italien schon seit Jahren mit Improvisation ersetzt wird. Deutschland dafür lieben, so viel ist sicher, werden aber nur die wenigsten Italiener.

      In jedem Fall ist es kein Fehler, Italiener auf ihre Heimat anzusprechen, sie sind italienfixiert und reden daher gerne und oft über ihr Land.

      Franziska hat hier einen ganz anderen, simplen Fehler begangen: Man sollte nie über die Straße rennen. Es ist gefährlich.

       Was können Sie besser machen?

      Der Verkehr in Italien wird von den meisten Deutschen als chaotisch wahrgenommen. Das ist aber eine Frage der Perspektive. Denn während in Deutschland das Einhalten von Regeln den Verkehr organisiert, verlieren Verkehrsregeln in Italien an Bedeutung, je weiter südlich man kommt. Da kann es sogar passieren, dass einem die Polizei in Neapel in Gegenfahrtrichtung durch die Einbahnstraße folgt und einen anhält – aber nicht, um eine schmerzvolle Strafe zu verlangen, sondern um den Hinweis loszuwerden, dass man doch das Licht anschalten solle, da es schon dämmere.

      Die Straf- und Bußgelder sind in Italien empfindlich hoch. Viele Italiener sammeln die Strafzettel und hoffen auf eine der Erlassaktionen, die es immer mal wieder gibt. Manchmal ist die Hoffnung darauf aber vergebens, und dann gesellen sich zu den zu zahlenden Bußgeldern auch noch Zinsen und Zinseszinsen.

      An die erste in Berlin aufgestellte Ampel (Hamburg war schneller als Berlin, dort ging die erste deutsche Ampel in Betrieb) wird heute noch erinnert. In Italien käme das niemandem in den Sinn, Regeln sind hier maximal ein geduldetes Übel, und eine Verkehrsampel steht ja auch für Regeln, die einzuhalten sind.

      Je geringer die Bedeutung von Verkehrsregeln, umso wichtiger ist es, dass alle Verkehrsbeteiligten das Geschehen vor, hinter und neben ihrem Fahrzeug aufmerksam beobachten. Hierin gründet Franziskas Fehler, über die Straße zu rennen. Wer sich ins italienische Verkehrsgetümmel wirft, sollte berechenbar sein, erst recht, wenn man zu Fuß unterwegs ist. Am besten ist es also, geradlinig und gleichmäßig über die Straße zu gehen. Dies gilt allerdings nur dort, wo nicht mit hoher Geschwindigkeit gefahren wird, also hauptsächlich innerorts. Und es empfiehlt sich, die ankommenden Autos dennoch im Blick zu behalten. Es könnte ja sein, dass der Mensch am Steuer gerade ganz in eine Diskussion vertieft ist oder nach einer CD kruschtelt. Tipp: man schaut einfach, wo Italiener stehen bleiben und wo nicht. Denn nicht in jeder Stadt nehmen die Autofahrer gleich viel Rücksicht auf Fußgänger.

      2

       WIE FRANZISKA DAS ERSTE MAL EINKAUFEN GEHT

      Glücklicherweise war ihr Bett recht gemütlich. Franziska hatte es gleich nach ihrer Ankunft mit einem kurzen Probeliegen getestet. Ihre Mitbewohnerinnen seien noch in den Ferien, hatte ihr der Vermieter gesagt, sie werde sie später kennenlernen. Ihr Zimmer war erfreulich hell, und es lag an einer recht ruhigen Straße. Möbel hatte sie nicht viele im Zimmer, und schön waren sie auch nicht. Aber sie müsste hier ja auch nicht ewig leben, dachte sich Franziska, und solange das Bett gemütlich war ...

      Es sei nicht ungewöhnlich in Italien, vor allem in den großen Städten, dass Vermieter die Besetzung von Wohngemeinschaften bestimmen und es keine Vorstellungsrunden gibt, bei denen die künftigen WG-Bewohner »gecastet« werden, hatte sie vor ihrer Abreise in einem Internet-Forum gelesen. Auch werden viele Zimmer möbliert vermietet. Hoffentlich habe ich keine Idioten in meiner WG, hatte sich Franziska gedacht, als ihr der Vermieter, ein älterer kleiner und rundlicher Mann namens Battaferro dann die Schlüssel in die Hand drückte. Er erklärte ihr, dass er keinerlei Besuch in der Wohnung dulden würde und sich das Recht vorbehalte, unangemeldet auf Kontrollbesuche vorbeizukommen. Spätestens damit war Franziska klar, dass er keineswegs so gemütlich sein würde, wie er auf den ersten Blick wirkte. Herr Battaferro verabschiedete sich, allerdings nicht ohne ihre Bellezza, ihre Schönheit, zu loben. Danke, du Wulstgesicht, dachte sich Franziska.

      Mit ihr würden nur Frauen wohnen, hatte Battaferro gesagt, was Franziska bedauerte. In Tübingen hatte sie viele männliche Freunde und war die Geschlechtertrennung daher nicht gewöhnt. Aber auch das war in vielen italienischen WGs an der Tagesordnung: Entweder bestimmte es der Vermieter so, oftmals wollten aber auch die Bewohner der WGs selbst keine Andersgeschlechtlichen um sich herum. (Warum das mit der italienischen Flirtkultur zusammenhängt, siehe Kapitel 4.)

      In Deutschland schlief sie immer mit einem Federbett, selbst im Hochsommer; sie brauchte die Decke, um sie zwischen die Knie zu klemmen. Hier legte man sich anders zur Ruh: Zwei dünne Tücher waren regelrecht über das Bett gespannt, das untere war am Kopfkissen umgeschlagen. Die übrigen drei Ränder waren unter die Matratze geschoben. Bevor sie sich hinlegte, hatte Franziska erst einmal alle Decken befreit. In Ermangelung eines Polsters schob sie ihre Hand zwischen die Knie. Bald tauchte sie in einen tiefen Schlaf ein. Die Anreise hatte sie doch geschlaucht.

      Am Morgen schlurfte Franziska in die Küche, zumindest was das anbelangte, hatte sie sich ihrem Gastland schon gut angepasst. Erstaunlicherweise hatte sie – auch ohne Decke zwischen den Knien – gut geschlafen. Der Steinboden fühlte sich kühl an, aber nicht zu kühl.

      Keine Mitbewohnerinnen zu Hause hieß auch nichts zu frühstücken im Haus. Franziska schaute dennoch in den Kühlschrank: nichts. Kein einziges Marmeladenglas, kein Joghurt, einfach nichts war drin. Wie erwartet. Sie musste sich also auf die Suche nach einem Supermarkt machen. Ihr Viertel, San Giovanni, war eines der besseren Wohnviertel, ein vierstöckiges Wohnhaus reihte sich hier an das nächste. Es sollte wohl kein Problem sein, einen Discounter zu finden.

      Zwei Parallelstraßen weiter wurde Franziska dann tatsächlich auch schon fündig, eine kleine Kette bot dort auf engstem Raum alles an, was man brauchte. Franziska nahm eine Flasche Milch, zwei Päckchen Pasta, Dosen mit geschälten Tomaten und etwas frisches Gemüse. Um Brot und Käse zu kaufen, stellte sie sich an die Schlange – wenn man eine Reihe von lediglich vier Personen so benennen mag – und wartete, bis sie an die Reihe kam.

      »Per Lei, signora?« Die Frau hinter der Theke holte Franziska aus ihren Gedanken.

      »Drei Scheiben Emmentaler, vier vom Edamer, eine Mozzarella und noch ein paar von den Scamorzine«, gab Franziska auf Italienisch in Auftrag. Es klang schon erstaunlich routiniert, Franziska war stolz auf sich.

      Die Verkäuferin bückte sich über die Auslage und suchte nach dem Bestellten, rollte aber vorher mit den Augen.

      »Hören Sie, ich bin dran!«, hörte Franziska eine energische Stimme hinter sich. Sie drehte sich um und schaute direkt einer Frau ins Gesicht, die verständnislos dreinblickte. Abgesehen davon, dass die Frau ihr zu laut sprach, war sie ihr auch unsympathisch, sie erinnerte sie mit ihrer spitzen Nase und ihrem vorspringenden Kinn an einen Falken, und Vögel im Allgemeinen konnte Franziska nicht ausstehen. Was habe ich denn jetzt schon wieder falsch gemacht, fragte sie sich, sie war sich keiner Schuld bewusst.

      Und auch noch, als sie später ihren Einkauf mit zwei Händen nach Hause trug, schauten die Leute sie merkwürdig an.

      

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