Fettnäpfchenführer Mexiko. Büb Käzmann

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Fettnäpfchenführer Mexiko - Büb Käzmann Fettnäpfchenführer

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Lily. Er drückt sie, hält sie dann einen Moment auf Armlänge von sich weg und mustert sie. Und dann ist er heraus, der typische Onkel-Spruch, der ihm nie, nie, nie über die Lippen kommen sollte: »Sag mal, bist du schon wieder gewachsen?«

       Reingetreten

      Anton ist mit seinen Erlebnissen in recht großer Gesellschaft. Viele Mexikoreisende machen die Erfahrung, dass Passanten ihnen sehr hilfsbereit einen Weg erklären, der dann aber nicht zum gewünschten Ziel führt. Man rätselt: Ist es falscher Stolz, weshalb Einheimische nicht zugeben wollen, dass sie den Weg nicht kennen? Oder ist es eine aus unserer Sicht vielleicht eigenartige Form von Höflichkeit, die davon abhält zu sagen: »Tut mir leid, ich weiß es nicht«?

      Allerdings gab es in diesem Fall kleine sprachliche Signale, die Anton hätten stutzig machen können. Wenn gesagt wird, die gesuchte Adresse befinde sich »dort hinten« (por allá) oder sie sei »ungefähr« (más o menos) noch so und so weit entfernt, ist Vorsicht angebracht. Wenn man solchen Hinweisen folgt, kann es sein, dass man etwas Gutes für die eigene Gesundheit tut, vorausgesetzt, man geht zu Fuß, aber es kann dauern, bis man ankommt.

      Mexiko-Stadt ist nicht nur für Touristen, sondern auch für Taxifahrer kein Dorf, und viele Straßennamen sind mehrfach vertreten. Anton hätte sich nicht darauf verlassen sollen, dass der taxista mit Straße und Hausnummer das gewünschte Ziel ansteuern würde, sondern gleich den Namen des Restaurants und am besten noch das Viertel nennen sollen.

       Umgangen

      Mexiko-Stadt macht es dem Ortsfremden eigentlich nicht allzu schwer. Die Straßen sind in vielen Vierteln in Schachbrettform angelegt, ein Erbe der Kolonialzeit, das erleichtert die Orientierung. Die Häuserblöcke in diesem Quadrantensystem werden cuadras genannt. Natürlich kann man auch auf diesem Schachbrett matt gesetzt werden, wenn man die Regeln nicht beachtet. Beispielsweise sind manche Straßennamen so beliebt, dass sie gleich mehrfach vorkommen. Entscheidend ist deshalb, in welchem Stadtteil bzw. Quartier, also in welcher colonia sich die Straße befindet. Wenn Sie in Mexiko-Stadt eine Adresse genannt bekommen und die Angabe zur colonia nicht dabei ist, fragen Sie nach!

       ORDENTLICH ANKOMMEN: VON KOLONIEN UND POSTLEITZAHLEN

      Das mexikanische Wort colonia geht darauf zurück, dass Ende des 19. Jahrhunderts die französische Kolonie in Mexiko-Stadt außerhalb der damaligen Stadtgrenzen eine Ortschaft gründete, die der Einfachheit halber colonia genannt wurde.

      Der Begriff hat sich als allgemeine Bezeichnung für die Stadtviertel von Mexiko-Stadt eingebürgert. Hin und wieder kann es zu Verwirrungen kommen, weil auch Wohnanlagen, oft mit Umzäunung, Toren und Wachen gesichert, als colonias bezeichnet werden.

      Jede der rund 250 colonias im Sinne von Stadtquartier hat eine eigene Postleitzahl. Mexikanische Postleitzahlen sind fünfstellig. Die ersten beiden Ziffern stehen für den Bundesstaat bzw. einen Teil des Bundesstaates. Die 16 verschiedenen Verwaltungseinheiten (delegaciones) des Bundesstaates D.F. haben z. B. die Ziffern 00 bis 16, Yucatán hat die 97. Wie in Deutschland haben auch in Mexiko große Unternehmen oder Behörden eigene Postleitzahlen.

      Hin und wieder kann es sogar vorkommen, dass Hausnummern doppelt vergeben werden. Wenn man am Zielort also kein Restaurant, nicht die angesteuerte Party oder was immer das Ziel war antrifft, ist es sinnvoll, Anwohner zu fragen. Manchmal hilft das, vorausgesetzt, Hilfsbereitschaft und Stolz sind bei ihnen nicht auch stärker ausgeprägt als die Ortskenntnis.

      Zumindest dem Sprichwort nach sind die Mexikaner selbst ein bisschen misstrauisch gegenüber hilfsbereiten Zeitgenossen und ihren Wegbeschreibungen, insbesondere wenn es sich um Amtspersonen handelt. Die Redewendung besagt: »Wenn du nach dem Weg suchst, frag zwei Leute.« Und sie warnt: »Wenn einer davon Polizist ist, frag drei!«

      5

       EINE KAKERLAKE AUS GUTEM HAUSE

      Kronleuchter und Tischkerzen tauchen die von Säulen gesäumte Halle in ein gedämpftes Licht. Aus den Lautsprechern perlt leise Klaviermusik, die sich mit dem Murmeln der Tischgespräche zu einem sanften Klangteppich verbindet. Die Kellner gleiten fast lautlos herum, und nur hin und wieder hört man verhaltenes Tellerklappern oder Gläserklirren.

      »Wirklich deliziös«, lässt sich Anton bei der Wortwahl von der gepflegten Atmosphäre anstecken.

      Lily und er haben die sopa de lima, eine mit Limettensaft abgeschmeckte Hühnersuppe, mit Heißhunger und Genuss gelöffelt und ihre Teller mit Tortillastücken sorgfältig blank geputzt. Auch der zweite Gang, ensalada césar, ist keine komplizierte Kreation, aber schmeckt und ist apart angerichtet. Der frische Romanasalat mit Croutons, Anchovis und geriebenem Parmesan, herzhaft gewürzt, macht Appetit auf mehr.

      »Und erst der Wein – hervorragend! Ein Pinot Noir aus ...«, Anton kneift die Augen zusammen und hält die Flasche am ausgestreckten Arm von sich weg, »San Juan del Río«. Er füllt Lily und sich nach und hebt sein Glas. »Auf den gelungenen Abschluss eines herrlichen Wochenendes! Jetzt bin ich erst ein paar Tage hier, aber es kommt mir vor, als wäre ich schon ein halber Mexikaner. Und mit meinem Spanisch, das klappt doch auch schon ganz gut, findest du nicht?« Zufrieden lehnt sich Anton zurück.

      Lily grinst – und spart sich den Kommentar. Es ist wirklich schön hier, aber so richtig wohl fühlt sie sich dennoch nicht zwischen all den feinen Leuten, den gestärkten weißen Tischdecken und dezenten Klavierklängen. Doch Anton hat darauf bestanden zur Feier des Wiedersehens und als Dank, dass sie sich die ersten Tage so gut um ihn gekümmert hat, noch einmal »so richtig schick essen zu gehen«, bevor Lily wieder nach Cholula zurückkehren würde.

      »Welches Hauptgericht hast du bestellt?«, fragt er Lily.

      »Lomo relleno, gefüllte Schweinelende. Und du?«

      »Carne asado, gegrilltes Fleisch.«

      Als wäre dies das Stichwort gewesen, erscheint wie aus dem Nichts der Kellner und drapiert die Gerichte mit elegantem Schwung auf dem gedeckten Tisch. Auch dieser Gang gibt dem Ruf des Restaurants recht. Gute Küche, geschmackvoll angerichtet, ohne komplizierten Schnickschnack, das ist offenbar die Devise. Ohne dass sie das abgesprochen hätten, verharren Anton und Lily einen Moment vor ihren Tellern und lassen Anblick und Aroma auf sich wirken. Als sie beide gleichzeitig mit tiefem Atemzug dem Duft nachschnuppern, müssen sie lachen.

      »Wir sind halt Genießer. ¡Buen provecho!, guten Appetit!«, meint Lily.

       »¡Buen provecho!«

      Klack! Auf Antons Teller landet mit lautem Knall etwas Braunes, das wie ein Stein von weit oben heruntergefallen ist und sich als ein großer Käfer entpuppt. Er bleibt einen kurzen Moment wie betäubt liegen, rappelt sich dann auf, krabbelt behände vom Teller herunter und strebt übers weiße Tuch der Tischkante zu. Mit sicherem Griff stülpt Lily ihr leeres Wasserglas energisch über das Insekt, das jetzt hektisch versucht, dem durchsichtigen Gefängnis zu entkommen.

      »Das ist ja eklig! Was ist das?« Anton beugt sich vor, um den Fang mit einer Mischung aus Faszination und Abscheu in Augenschein zu nehmen.

      »Das«, sagt Lily lakonisch, »ist eine Kakerlake. La cucaracha americana. Der Speedy Gonzalez

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