Fettnäpfchenführer Mexiko. Büb Käzmann
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Fettnäpfchenführer Mexiko - Büb Käzmann страница 5
![Fettnäpfchenführer Mexiko - Büb Käzmann Fettnäpfchenführer Mexiko - Büb Käzmann Fettnäpfchenführer](/cover_pre930847.jpg)
Die beiden Jungs sind wirklich ein Glücksgriff: Sie haben extra für sie mexikanisch gekocht, um sie auf ihre neue Heimat einzustimmen, und Héctor hat spät nachts sogar noch die Gitarre ausgepackt und ein paar mexikanische Klassiker gespielt. Ein wirklich netter Kerl, dieser Héctor, denkt Lily, während sie sich im Bett räkelt und Pläne für ihren ersten Tag in Cholula schmiedet. Zum Markt muss sie auf jeden Fall! Simon hat ihr gestern Abend schon begeistert davon erzählt, während Héctor nur über los alemanes schmunzeln konnte, die beim bloßen Anblick von Bergen frischer Mangos völlig aus dem Häuschen gerieten.
Lilys Magen meldet sich – klar, in Deutschland wäre schon längst Zeit fürs Mittagessen, kein Wunder also, dass es sie nach einem deftigen Imbiss gelüstet. Als der Hunger immer größer wird, steht sie schließlich auf und zieht sich an. Es ist vollkommen ruhig in der Wohnung, die anderen beiden schlafen offenbar noch und draußen wird es gerade hell. Lily verlässt leise, um ihre neuen Mitbewohner nicht zu wecken, die Wohnung. Was hat Simon noch gesagt? »Einfach links und dann immer geradeaus und schon bist du in der Innenstadt. Da fragst du dann nach dem Markt.« Na, das sollte ja wohl nicht so schwierig sein.
Die staubige Straße liegt ruhig in der Morgensonne, noch ist es empfindlich kühl und Lily fröstelt. Selbst schuld, denkt sie, sie hätte ja auch nicht unbedingt den neuen Rock anziehen müssen. In der Ferne zeichnen sich die Silhouetten zweier schneebedeckter Berge vom klaren Morgenhimmel ab. Das werden wohl die beiden Vulkane mit den unaussprechlichen Namen sein, vermutet Lily, einerseits beeindruckt, andererseits aber auch ein bisschen beunruhigt angesichts der Rauchsäule, die aus einem der Gipfel emporsteigt.
EINE HEISSE LIEBE: POPOCATÉPETL UND IZTACCIHUATL
Der aztekischen Legende nach sind die beiden Vulkane zwischen Mexiko-Stadt und Puebla Zeichen der unsterblichen Liebe zwischen der Prinzessin Iztaccihuatl und dem Soldaten Popocatépetl. Da der König eine Verbindung seiner Tochter mit einem einfachen Soldaten ablehnte, schickte er den jungen Mann in eine Schlacht nach Oaxaca und versprach ihm im Falle seiner siegreichen Rückkehr die Hand der Prinzessin – wobei er darauf spekulierte, dass Popocatépetl niemals heil zurückkehren würde. Um dem Schicksal vorzugreifen, erzählte man Iztaccihuatl, dass ihr Geliebter in der Schlacht gefallen sei, woraufhin die Prinzessin vor Schmerz und Kummer um den Verlust starb. Als Popocatépetl wohlbehalten zurückkehrte und vom Tod der Liebsten erfuhr, trug er ihren Leichnam auf einen Berg, nahm eine Fackel in die Hand und schwor, seine Geliebte immer zu beschützen und ihr niemals von der Seite zu weichen. Die Götter bedeckten die beiden Liebenden mit Schnee und verwandelten sie in die Vulkane Iztaccihuatl – »die schlafende Frau« –, dessen kurvige Form seinem Namen alle Ehre macht, und Popocatépetl – »den rauchenden Berg« –, der bis heute mit qualmender Fackel Zeugnis seiner unvergänglichen Liebe ablegt und seinem Schmerz hin und wieder mit kleineren Ausbrüchen Ausdruck verleiht.
Ein struppiger Hund beobachtet Lily von einem Balkon aus und kläfft hysterisch, als sie vorbeigeht – allerdings könnte das Bellen auch der streunenden Katze gelten, die sich maunzend um Lilys Aufmerksamkeit bemüht. In der Ferne läuten ein paar Kirchturmglocken, aber ansonsten herrscht eine Stille, wie sie Lily nur von deutschen Sonntagen auf dem Land kennt. Das ändert sich, sobald sie auf die Hauptstraße tritt.
Da hupen Autos, quietschen Bremsen und an einer befahrenen Kreuzung sorgt ein einsamer Verkehrspolizist pfeifend und winkend für Ordnung. An der Straßenecke verkaufen zwei Frauen Ess-bares aus großen metallenen Töpfen. »Tamales« (mit einer Masse aus Mais, Fleisch oder Käse gefüllte Mais- oder Bananenblätter) steht auf einem handgeschriebenen Schild, und eine Gruppe junger Männer steht kauend daneben. Als Lily vorbeigeht, folgen sie ihr mit den Augen. Einer der Männer zieht hörbar Luft ein, ein anderer gibt einen zischenden Laut von sich. Lily geht einen Schritt schneller. Sie spürt die Blicke im Rücken und zieht unauffällig an ihrem Rock – ob der doch zu kurz ist? Ein paar Minuten später hat sie das Ganze schon wieder vergessen und schlendert staunend durch die Innenstadt mit ihren vielen bunten Kolonialbauten und den unzähligen Kirchen.
Zwei ältere Männer sitzen auf einer Bank am zócalo, dem Hauptplatz, und blinzeln in die Morgensonne. Als Lily an ihnen vorübergeht, pfeift es plötzlich hinter ihr und ein lautes »¡Hola güerita! ¡Qué guapa!« (Hallo Blondchen! Wie hübsch!) ertönt. Lily ist empört. Dass Männer in dem Alter jungen Mädchen hinterherpfeifen, das ist doch echt das Letzte! Sie schleudert einen wütenden Blick auf die beiden, da klingelt ihr Handy.
Wer hat denn jetzt schon meine neue Nummer? Immerhin hat sie die mexikanische SIM-Karte erst gestern Abend eingebaut. Es ist Héctor, der, gerade aufgestanden, auch auf den Markt will. Er verspricht, sie in zwanzig Minuten am zócalo abzuholen. Um sich die Wartezeit zu verkürzen, schlendert Lily auf dem Platz herum und setzt sich schließlich auf eine Bank in die Sonne – möglichst weit von den beiden Alten entfernt. Fast ist sie eingedöst, als sie ein lautes »¡Buenos días, guapa!« aus dem Dämmerzustand reißt. Verärgert blickt sie auf. Diesmal ist es Héctor, der grinsend vor ihr steht.
»Was ist denn mit dir los?«, will er angesichts ihres missmutigen Gesichtsausdrucks wissen.
»Ach nichts«, entgegnet Lily schnell, »ich hab nur Hunger.«
»Na, wenn’s weiter nichts ist. Auf dem Markt finden wir bestimmt was für dich.«
Lily sieht Héctor prüfend von der Seite an. »Hübsche« hat er sie genannt. Soll sie das jetzt aufdringlich finden? Als sie an den zwei Alten vorbeikommen, macht sich Lily auf einen weiteren Kommentar gefasst, doch der bleibt glücklicherweise aus. Jetzt scheint das Leben hier so richtig in Fahrt zu kommen, im wahrsten Sinne des Wortes: Der Verkehr wird immer dichter, das Klappern eines alten Motorrades vermischt sich mit einem verärgerten Hupen und dem Martinshorn eines Notarztwagens zu einem lebhaften Konzert. Je näher sie der grün gestrichenen Markthalle kommen, desto dichter drängen sich die Fußgänger auf den schmalen, teilweise etwas abschüssigen Bürgersteigen. Lily ist ganz froh, dass Héctor neben ihr an der Straßenseite spaziert.
Als sie die Markthalle betreten, schlagen ihnen unzählige Gerüche entgegen. Rechts brutzelt Fleisch auf einem großen Grill, links sitzt eine kleine Frau vor einem Berg duftender überreifer Mangos, ein paar Meter weiter sind mehrere Blumenstände aneinandergereiht und ein Mann ist geschäftig dabei, einen Blumenstrauß für seine Kundin zusammenzustellen. Etwas überfordert folgt Lily Héctor, der anscheinend genau weiß, wo er hin will – obwohl es Lily ein Rätsel ist, wie er sich in diesem Wirrwarr von Gängen und Ständen überhaupt zurechtfinden kann.
»Ich würde vorschlagen, dass wir zuerst was essen und dann einkaufen, ja? Dann müssen wir den Kram nicht die ganze Zeit mitschleppen«, meint Héctor, während er zielstrebig auf die »Fressgasse« zuläuft, wo ein Essensstand neben dem anderen diverse Köstlichkeiten anbietet. Vor den Ständen sind ein paar einfache Holztische und -bänke aufgereiht, an denen bereits ein paar Leute ihr Frühstück genießen. Héctor weist auf einen freien Platz, und Lily und er setzen sich.
»Lass mich mal bestellen«, sagt Héctor und wendet sich an die Verkäuferin: »Una quesadilla con flor de calabaza y una con huitlacoche, por favor.«
Quesadilla? Das wird wohl irgendwas mit Käse sein, denkt sich Lily. Mit flor de calabaza, Kürbisblüte, und – was war das andere? Sie beschließt, sich einfach überraschen zu lassen und unterdessen das Markttreiben zu genießen. Bis ihr Blick auf den Metzger gegenüber fällt, der gerade mit Innbrunst eine Schweinehälfte mit einem Beil bearbeitet. Es kracht laut. Lilys leerer Magen macht einen kleinen Satz, und sie konzentriert sich lieber