Fettnäpfchenführer Mexiko. Büb Käzmann
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Die camiones sehen da schon ein bisschen anders, irgendwie mexikanischer aus. Der Fahrer – nicht mit Sombrero auf dem Kopf, aber mit Zigarette im Mundwinkel – steht vor dem Bus und hält ein Schwätzchen mit einem Kollegen, und als Lily einsteigt, ist sie nach dem Luxus mit Fernseher und verstellbaren Sitzen fast schon überrascht von der spartanischen Ausstattung: einfache Hartplastiksitze, auf denen bereits ein paar Fahrgäste Platz genommen haben, und ein mit Heiligenbildchen, Rosenkränzen und Plastikblumen geschmückter Fahrerbereich, aus dessen Radio scheppernde Musik ertönt. Der Pullover ist hier vollkommen überflüssig, merkt Lily schnell. Schon jetzt läuft ihr ein Schweißrinnsal den Rücken hinunter. Sie setzt sich auf einen der harten Plastiksitze und beobachtet skeptisch den Busfahrer, der nun seine Pause beendet hat, auf seinem durchgesessenen Sitz Platz nimmt und, offensichtlich voller Vorfreude, auf und ab zu wippen beginnt, wobei die Federn des Sitzes ein leidendes Quietschen von sich geben. Er gibt Gas, und nach kurzer Zeit ist Lily klar, was der Sinn des »Altars« über dem Amaturenbrett sein muss – bei dem Fahrstil würde selbst der überzeugteste Atheist in Versuchung kommen zu beten.
Bei jedem Schlagloch hüpft der Bus in die Höhe, um danach mit Ächzen und Klappern wieder zu landen und die nächste Unebenheit in Angriff zu nehmen. Der Busfahrer drückt stoisch aufs Gaspedal und lässt sich von den Luftsprüngen seines Gefährts in keiner Weise beirren. Dann, in voller Fahrt, steigt er plötzlich in die Bremsen. Lily kann sich gerade noch mit der Hand am Sitz vor ihr abstützen und so einen Zusammenstoß zwischen Kopf und Hart-plastik vermeiden. Ein Unfall?
Nein, nur ein weiterer Passagier, der winkend auf sich aufmerksam gemacht hat und der nun, da der Bus, kaum dass er eingestiegen ist, wieder volle Fahrt aufgenommen hat, durch den Gang wankt, in der Hoffnung auf einen freien Sitzplatz. Lily schiebt ihren Reiserucksack noch ein bisschen tiefer unter ihren Sitz, rückt zur Seite und erntet einen dankbaren Blick. Mit einem Seufzer lässt sich der ältere Mann neben ihr fallen.
»¿Adónde vas?« (Wohin fährst du?), fragt er sie und lächelt.
»A Cholula«, antwortet Lily und fügt, um ihr Spanisch ein bisschen zu trainieren, hinzu: »Vivo en un piso compartido cerca de la universidad.« (Ich wohne in einer WG in der Nähe der Universität.)
Ihr Sitznachbar nickt wohlwollend, vertieft sich dann aber – zu Lilys Enttäuschung, sie hätte sich gerne noch ein bisschen unterhalten – in seine Zeitung.
Nach zwanzig Minuten und vielen weiteren ruckartigen Stopps schaut der Mann plötzlich auf und meint: »Musst du nicht aussteigen? Wir sind schon fast an der Uni vorbei.«
Lily fährt der Schreck in die Glieder. Gerade noch hat sie sich gefragt, warum es hier keine Haltestellenschilder gibt.
Ihr Sitznachbar scheint ihren Schreck bemerkt zu haben und ruft dem Fahrer zu: »¿Puede parar, por favor?« (Können Sie bitte halten?), woraufhin dieser wieder einmal eine Vollbremsung hinlegt und der Bus zitternd und scheppernd zum Stehen kommt.
Lily greift hektisch nach ihrem Rucksack und hat kaum noch Zeit, ihrem Sitznachbarn zu danken und auszusteigen, da setzt sich der Bus auch schon wieder klappernd in Bewegung.
Reingetreten
Zunächst einmal ist die Furcht vor den mexikanischen Überlandbussen, wie Lily schnell bemerkt hat, unbegründet, und man sollte sich von Panikmachern wie hier dem deutschen Familienvater nicht anstecken lassen. Zwar gibt es Gegenden bzw. Strecken, vor allem im Norden des Landes, die man bei Nacht aufgrund möglicher Überfälle meiden sollte, allgemein ist das Reisen mit Überlandbussen jedoch eine sehr sichere, günstige und bequeme Angelegenheit. Vor allem die Luxus- und Erste-Klasse-Busse (lujo oder primera clase) entsprechen einem hohen Standard. Allerdings sind die Klimaanlagen – so angenehm diese Einrichtung an schwülheißen Tagen auch sein mag – häufig so niedrig eingestellt, dass der abrupte Wechsel von 35 Grad draußen zu 18 Grad im Bus zu hartnäckigen Erkältungen führen kann, wenn man sich nicht entsprechend mit Schal und Pullover wappnet.
Etwas anders sieht es mit dem öffentlichen Nahverkehr aus, vor allem in kleineren Ortschaften. Zwar trifft man auch hier nur in den seltensten Fällen auf tierische Passagiere, die per Bus zum nächsten Markt gebracht werden, doch die Ausstattung entspricht bei Weitem nicht dem Luxus in den Überlandbussen. Meist handelt es sich um ältere Modelle, die von ihren Fahrern in oft wagemutigem Tempo über mangelhafte Straßen gejagt werden – was nicht unbedingt zum Wohlbefinden der Passagiere beiträgt. Dennoch ist der Bus das günstigste (eine Fahrt kostet umgerechnet etwa 0,40 Euro) und sicherlich auch das interessantere Verkehrsmittel in mexikanischen Städten. Man bekommt immer etwas zu sehen, kommt ins Gespräch mit anderen Passagieren und auch der oft etwas ruppige Fahrstil ist ein Erlebnis für sich.
Das Aussteigen ist häufig ebenso aufregend wie die Fahrt selbst: Es gibt zwar einige feste Haltestellen, die jedoch in vielen Fällen, insbesondere in kleineren Orten wie Cholula, nicht beschildert sind. Der Bus hält außerdem auf Anfrage der Passagiere, die diese entweder direkt an den Fahrer richten oder per Knopfdruck kundtun. Da Lily sich noch nicht in Cholula auskennt, weiß sie natürlich auch nicht, wann sie aussteigen bzw. dem Fahrer Bescheid geben soll – wenn der nette Sitznachbar nicht gewesen wäre, wäre sie womöglich wer weiß wo gelandet.
Umgangen
Für das Reisen in klimatisierten Überlandbussen gilt, unbedingt warme Sachen (Schal, Jacke etc.) im Handgepäck zu haben, auch wenn die Außentemperaturen jeden Gedanken an ein weiteres Kleidungsstück absurd erscheinen lassen. Auch Wasser und etwas zu essen sollte man mitnehmen. Zwar gibt es immer wieder die Möglichkeit, von einem der Verkäufer, die im Bus ihre Waren feilbieten, Kleinigkeiten zu erstehen, aber besser ist es, sich nicht darauf zu verlassen und selbst vorzusorgen – zumal die belegten Brötchen der Händler im Bus oft keinen besonders vertrauenerweckenden Eindruck machen.
Beim Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln in mexikanischen Städten sollte man es generell entspannt angehen. Gerade in kleineren Städten gibt es oft nur wenige Haltestellenschilder, und auch Fahrpläne sucht man normalerweise vergeblich. Das bedeutet: Zeit mitbringen! Man stellt sich an die Straße, die der jeweilige Bus üblicherweise befährt, und wartet, bis einer kommt, dem man durch Winken den Wunsch mitzufahren deutlich macht. Als Neuling sollte man sich am besten in die Nähe des Fahrers setzen und ihn schon beim Einsteigen bitten, an der gewünschten Station Bescheid zu sagen und zu halten. Ansonsten helfen auch die übrigen Passagiere meistens gerne weiter.
Normalerweise sind die öffentlichen Verkehrsmittel sicher, auch wenn man natürlich gerade in überfüllten Bussen zur Rushhour, der liebsten Zeit der Taschendiebe, besonders auf sein Gepäck achten sollte (was übrigens in europäischen Städten nicht anders ist). Ein Unterschied besteht auch hier zwischen Groß- und Kleinstädten. Während die größte Gefahr der öffentlichen Verkehrsmittel in Cholula vermutlich in den teilweise schlechten Straßenverhältnissen liegt, ist in Groß- und Riesenstädten wie Mexiko-Stadt etwas mehr Vorsicht vor Taschendieben ratsam.
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¡HOLA GUAPA!
WENN FRAU UNTERWEGS IST
Schon um sieben Uhr morgens