Fettnäpfchenführer Bayern. Nadine Luck

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Fettnäpfchenführer Bayern - Nadine Luck Fettnäpfchenführer

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fragt: »Was darf’s sein?«

      »Ein Maß, bitte«, sagt Jochen.

      »A Preiß«, meint der Bayer grinsend, der Magdalena und Jochen gerade an den Tisch gebeten hat – und den Jochen sofort deutlich weniger freundlich findet.

      Bevor er etwas erwidern kann, sagt die Kellnerin zu dem Bayern: »Das macht nichts, ich hab ihn schon verstanden. Wir haben ja öfter welche hier.«

      »Ich dachte, hier bestellt man Maß«, wendet sich Jochen an Magdalena. »Ich hätte ja auch ein Kölsch getrunken, aber ich vermute mal, das gibt es hier nicht. Ihr macht euch ja immer über unsere Getränke in den kleinen Reagenzgläsern lustig …«

      »Passt schon«, flüstert seine Liebste ihm zu. »Ich erklär dir später, was der Mann gemeint hat.«

      Wenig später ist die Kellnerin mit schweren Maßkrügen für die ganze Runde zurück. Durstig nimmt Jochen sein Bier in die Hand und setzt an.

      Doch: »Nur ein Schwein trinkt allein«, sagt der Herr von gerade eben und lacht.

      »Jochen, lass uns anstoßen«, sagt Magdalena und zischt ihm zu: »Nimm es nicht persönlich, das ist nur so ein Spruch.«

      Jochen ist zwar genervt von »nur so ein Spruch«, aber er stößt an und trinkt. Aus den Augenwinkeln heraus sieht er, dass die Bayern den Krug nochmals auf dem Tisch absetzen, bevor sie trinken.

      »Ist ihnen der Krug zu schwer, um ihn sofort zum Mund zu führen?«, flüstert er in Magdalenas Ohr und nimmt gleich noch einen Schluck aus dem schweren Gefäß.

       Obacht, neidabbt!

      Das Bier ist in Bayern ein Heiligtum, über das die Bewohner gerne und ständig philosophieren. Wer braut das beste, welcher Wirt schenkt welches aus? Oft wird dem Bier aus der örtlichen Brauerei gehuldigt – und meistens zu Recht. Denn Bierbrauen, das können die Bayern. Sie schenken ihr flüssiges Gold auch gerne an Fremde aus. Wenn ein Gast allerdings nicht weiß, wie er die Maß korrekterweise bestellt, dann macht er sich zum Gespött. Und wer sie zwar richtig bestellt, aber falsch ausspricht, taugt ebenfalls zur Lachnummer. Touristen und Zugereiste sollten also besser lernen, wie das gewünschte Bier in lupenreinem Bairisch geordert wird – auch wenn die Bayern es ansonsten nicht ausstehen können, wenn Preußen ihren Dialekt nachahmen.

      Einfach ist das nicht. Manche halten ja schon 0,4 Liter für viel Bier – und im Norden der Republik ist es das auch, verglichen mit dem ansonsten ausgeschenkten 0,2-Liter-Kölsch. Die Bayern aber verspotten das »große« 0,4er als Preißn-Halbe. In Bayern entspricht ein kleines Bier 0,5 Litern. Wer dies trinken will, bestellt »eine Halbe« und meint damit 0,5 Liter helles Bier. Das »Helle«, wie es kurz genannt wird, ist eine höchst süffige, helle bis goldgelbe Biersorte mit einer moderaten Hopfennote. Erfunden wurde es als Antwort auf das böhmische Pilsener. In Franken wird der halbe Liter Bier auch gern als Seidla bezeichnet und ebenso bestellt. »Ein Seidla, bitte.« Der Liter Bier heißt in Bayern hingegen »Maß« – eine Bezeichnung, die es außerhalb der bairischen Sprache nicht gibt und die Menschen, die des Bairischen nicht mächtig sind, Probleme bereitet. Denn woher sollen sie wissen, ob es die oder das Maß heißt? Wer sich im Wirtshaus, im Biergarten und auf dem Oktoberfest nicht blamieren will, bestellt jedoch EINE Maß. Und spricht sie aus, als würde in der Getränkekarte »Mass« stehen, mit kurzem »a«, wie in »nass« oder – was im Kontext mindestens genauso gut passt – wie in »Fass«. Wie wir an dieser Stelle lesen können, war der Maß die Rechtschreibreform herzlich wurst. Wer mag, darf allerdings auch »Mass« schreiben. Der Duden erlaubt es, den Bayern aber gefällt diese Schreibweise eher nicht.

      Wenn die Halbe oder die Maß schließlich serviert sind, stoßen alle, die gemeinsam am Tisch sitzen, mindestens vor dem ersten Schluck mit einem herzlichen »Prost!« an. Hierfür fassen sie den Bierkrug am Henkel, denn würden sie den Krug direkt umfassen, könnten sie sich beim Anstoßen die Finger quetschen. Nach dem Anstoßen dürfen die Trinker die Krüge gerne nochmals absetzen. Warum das viele Bayern tun, weiß jedoch niemand so recht. Möglicherweise rührt dieser Brauch daher, dass früher aus Krügen aus Steingut mit Zinndeckeln getrunken wurde. Beim Absetzen stießen die Biertrinker den Deckel mit dem Daumen der Hand, die den Krug hielt, auf, um trinken zu können. Eine andere Erklärung ist, dass durch das Berühren des Tisches symbolisch mit dem Erdboden angestoßen und somit der Verstorbenen gedacht wird. Auch wird das Absetzen mit einem kurzen Innehalten begründet, um Gott für den Genuss dieses wunderbaren Bieres zu danken. Daneben gibt es vermutlich aber auch eine rein praktische Ursache: Beim Anstoßen umfasst man aus oben angeführtem Grund den Krug am Henkel. Das Bier wiegt rund zweieinhalb Kilo, wenn der Krug voll ist – also ziemlich viel. Es ist daher sinnig, abzusetzen und umzugreifen, um den Krug nicht mehr am Henkel, sondern direkt zu umfassen. So hält man ihn stabiler in der Hand. Einheimische greifen automatisiert um und haben diese Trinkweise perfektioniert. Ach ja, wer aus Weizenbiergläsern Weißbier trinkt, stößt mit Gleichgesinnten über die untere Kante des Glases an. Und ein Tipp noch für Jochen, der mit dem Spruch »Nur ein Schwein trinkt allein« konfrontiert wurde: Er könnte antworten: »Nur a Sau nimmt’s genau.«

       DER BIERMARKT SCHÄUMT IN BAYERN ÜBER

      Deutschlandweit hat der Bierkonsum seit einigen Jahren eine Durststrecke. In Bayern aber hat davon niemand etwas mitbekommen, da schäumt der Biermarkt von jeher über. Während im Bundesdurchschnitt statistisch jeder Mensch, vom Baby bis zum Greis, pro Jahr rund 105 Liter des Gerstensaftes trinkt, genehmigen sich die Bayern 130 bis 135 Liter. Damit können sie beinahe den Biertrinkeuropameistern, den Tschechen, das Wasser, äh, den Bierkrug reichen. Dort wurden im Jahr 2016 ganze 143 Liter pro Kopf konsumiert. Noch mehr Bier würde im Freistaat weggehen, wenn es – wie früher – selbstverständlich wäre, dass auch in den Firmenkantinen Bier ausgeschenkt würde. Kein Wunder jedenfalls, dass Bayern auch den höchsten Pro-Kopf-Brauereien-Anteil der Republik hat. Mit rund 600 bayerischen Brauereibetrieben gibt es im Freistaat ziemlich genau so viele wie im Rest des Landes zusammen. Zu den 600 Brauereien gehören freilich nicht nur die großen Münchner Bier-Global-Player, sondern auch viele kleine und mittelständische Betriebe.

      Seit 2001 ist die Herkunftsangabe »Bayerisches Bier« EU-weit geschützt und gilt nur für »flüssiges Brot«, wenn es aus bayerischen Sudkesseln stammt und nach dem Bayerischen Reinheitsgebot von 1516 gebraut wurde. Dieses fordert, dass Bier nur aus Hopfen, Malz, Hefe und Wasser bestehen darf. Beim Brauen gelten verschiedene, zum Teil jahrhundertealte Vorschriften. Trotz dieser Regelwut ist Bayerns Bier nicht gleich Bier. Rund 40 Biersorten und 4.000 verschiedene Biere gibt es im Freistaat. Am beliebtesten sind das Helle und das Weißbier – pur oder als Mischgetränk. Mit Zitronenlimonade wird das Helle zum »Radler« und das Weißbier zum »Russ«. Beide Mischgetränke gelten in Bayern als Biergartenklassiker.

       WEISSBIER-METROPOLE BAYERN

      Bayern ist unbestrittener Nabel der Weißbierwelt, obwohl diese spezielle Biersorte ursprünglich aus dem Orient zu stammen scheint, was Abbildungen auf uralten Tongefäßen nahelegen. Der heutige Weißbier-Weltmarktführer sitzt in Erding in Oberbayern und liefert das flüssige Gold in mehr als 70 Länder. Doch praktisch jede der 600 bayerischen Brauereien hat Weißbier, das außerhalb Bayerns als Weizenbier firmiert, im Sortiment. Aber was genau ist ein Weißbier überhaupt? Es ist ein obergäriges Bier mit einem eher geringen Hopfenanteil, wodurch es weniger bitter ist als andere Sorten. Um zum Weißbier zu werden, muss das Getränk zudem mindestens zur Hälfte aus Weizenmalz hergestellt werden. Seine Farbe ist mal naturtrüb, mal kristallklar, mal hell, mal dunkel. Die Trübung ergibt sich durch die beim Brauvorgang eingesetzte Hefe. Was alle Weißbiere auszeichnet: der hohe Kohlensäuregehalt.

      Beim Genuss eines

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