Fettnäpfchenführer Bayern. Nadine Luck

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Fettnäpfchenführer Bayern - Nadine Luck Fettnäpfchenführer

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dass es auch in der Schriftsprache vergleichbare Phänomene gibt. Der deutsche Salat etwa ist männlich, obwohl er sich aus dem italienischen, weiblichen Wort insalata entwickelt hat. Wir sehen, dass es im Bairischen zahllose Besonderheiten gibt, was die grammatikalischen Artikel betrifft, die für Zugezogene kaum in Gänze zu erfassen sind. Vernünftig ist wohl, schlichtweg zu akzeptieren, dass sich Sprache in Bayern anders entwickelt hat als im Ruhrpott und in Ostfriesland.

       NACHNAME, VORNAME

      Wenn Jochen in seiner Heimatstadt Wuppertal nach seinem Namen gefragt wird, sagt er »Jochen Weber«. In Bayern, bevorzugt in ländlichen Regionen, dürfte er dagegen zum »Weber Jochen« werden: Im Süden der Republik werden gerne Vor- und Nachname umgedreht. Außerdem wird gerne ein Artikel vor den Namen gestellt. »Die Annika hat heute keine Zeit, aber der Sepp kommt gleich.« »Sepp kommt gleich« – das würde in den Ohren eines Bayern verdächtig nordisch klingen. Eine bayerische Eigenheit ist die Reihenfolge »Nachname, Vorname« nicht. In vielen Ländern ist es üblich, sich auf diese Weise vorzustellen, etwa in China, Korea und Ungarn. Diese Reihenfolge kann durchaus sinnvoll sein. Wenn viele Emmas und Maximilians in einer Schulklasse oder einem Büro sitzen, lässt sich der konkrete Mensch mit seinem Nachnamen oft besser einordnen als mit seinem weitverbreiteten Vornamen.

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       SAG NIEMALSNIE NICHT!

       DAS JA-WORT UND DIE DOPPELTEVERNEINUNG

      Magdalena lässt ihr Croissant fallen. »Das hätte ich niemals nie gedacht«, sagt sie und beginnt zu stammeln. »Ich … äh … ich dachte, das macht kein Mensch im Leben nicht mit mir. Und von dir … also … hätte ich gedacht, dass du das nie und nimmer nicht machst …«

      »Was willst du mir sagen?«, antwortet Jochen verwirrt. »Dass du meinen Antrag erwartet hast oder dass nicht?«

      Dann muss er grinsen, obwohl er sich noch nicht sicher ist, was Magdalena ihm antworten wird. Doch immer, wenn sie aufgeregt ist, baut sie Satzkonstruktionen, die ihm Spanisch – na ja, eigentlich Bairisch – vorkommen. Das ist ungewohnt für ihn. In der Zeit, in der Magdalena in Wuppertal gewohnt hat, hat sie sich immer – unbewusst, wie sie sagt – ums Hochdeutsche bemüht. »Semmel« und »Servus« waren damals nicht aus ihrem Mund zu hören. Erst jetzt, in München, fällt sie wieder in alte Muster.

      »Also, ich würde im Leben niemals nicht Nein sagen«, sagt sie.

      Jochen überlegt. War das Magdalenas Ja-Wort? Oder hat sie gerade Nein gesagt? Er muss es wissen und fragt vorsichtig nach: »… aber du findest es doch auch gut mit uns beiden?«

      Statt einer Antwort steht sie auf, so ungestüm, dass ihr Stuhl nach hinten kippt. Sie geht zu Jochen und umarmt ihn wild.

      »Und ob ich das finde! Ja, ich will dich heiraten«, sagt sie.

      »Einfach ja – ohne niemals nie nicht? «, fragt Jochen.

      »Einfach ja.«

       BAYERISCH VERSUS BAIRISCH

      In diesem Buch ist mal »bayerisch« und mal »bairisch« zu lesen. Das bedeutet nicht, dass es mangelhaft korrigiert ist, nein: Es sollte (hoffentlich) an den entsprechenden Textstellen richtig dastehen. »Bairisch« ist die korrekte Schreibweise bei allem, was sich auf die Sprache und den Dialekt bezieht. Geht es um Politisches, Geografisches und Kulturelles, heißt es »bayerisch«. Doch Vorsicht: Im Freistaat sprechen die Menschen nicht nur bairisch, es sind auch fränkische und schwäbisch-alemannische Dialekte zu hören. Andererseits sprechen auch Österreicher, Südtiroler und manche Schweizer bairische Mundart.

      Übrigens: Das Adjektiv »bayerisch« existiert auch in der Variante »bayrisch«. Mit »e« wird es in der Regel in der Hochsprache und in Eigennamen geschrieben, etwa wenn es um den Bayerischen Rundfunk oder den Bayerischen Wald geht. Umgangssprachlich aber trifft man häufig auch »bayrisch« ohne »e« an, gerne auf Speisekarten, die bayrischen Schweinsbraten anpreisen. Der Duden erlaubt beide Versionen, wenn es nicht um Eigennamen geht. Ansonsten dürfen Dialektwörter übrigens geschrieben werden, wie der Verfasser lustig ist. Es gibt keine bayerische Rechtschreibung. Auch wenn es um die Landeshauptstadt geht, sind die Schreibweisen »Münchner« und »Münchener« erlaubt. Bis 1998 gab es kurioserweise ein Sicherheitsunternehmen namens Münchener Wach- und Schließgesellschaft, während die Kabarettgruppe Münchner Lach- und Schießgesellschaft heißt. Und der Münchner Merkur erscheint tatsächlich im Münchener Zeitungsverlag. Dem Platz Münchner Freiheit, der früher Münchener Freiheit hieß, wurde 1998 ebenso wie dem U-Bahnhof durch eine offizielle Umbenennung das »e« entzogen. 160 Bürger mussten ihre Adresse ändern, ohne dass sie umgezogen sind. Die gleichnamige Musikgruppe, die unter anderem mit dem Lied Ohne Dich (Schlaf’ Ich Heut’ Nacht Nicht Ein) bekannt wurde, hat das »e« im Namen übrigens behalten. Man möchte fast sagen: So ein Schmarr(e)n!

       Obacht, neidabbd!

      Doppelt verneint hält besser, denken sich die Bayern. Daher konstruieren sie Sätze im Stile von »Das hätt’ ich niemals nie nicht gedacht« oder »Der Martin hat koa Freindin ned« (Martin hat keine Freundin nicht) – quasi, um die Verneinung zu betonen, und nicht, wie logischerweise vermutet werden könnte, um zu bejahen: Denn Minus plus Minus ergibt im Bairischen kein Plus. Rhetoriktrainer würden von diesem Vorgehen abraten. Um Botschaften zu überbringen, empfehlen sie sowieso, Sätze positiv zu formulieren. »Martin ist Single« – das wäre deutlich. Die doppelte bairische Verneinung ist für Nicht-Bayern oft eine extreme Herausforderung, insbesondere wenn der Inhalt des Satzes so wichtig wie die Reaktion auf einen Heiratsantrag ist. Den Bayern ist das aber egal, sie verstärken damit ihre Aussage. »In meiner Familie hat keiner niemals nicht keine SPD ned gewählt«, so könnte ein typischer Satz lauten, der mathematisch vielleicht kompliziert ist, aber bei dem jeder weiß: Wir alle sind Stammwähler der CSU. Aber warum sollten die Bayern ihre Botschaften so formulieren, wenn es fünffach verneint auch klappt? Und was dem Bayern sein »kein … nicht« ist – etwa in »das interessiert keine Sau nicht« –, das ist dem Franzosen sein »ne … pas« oder den Sängern von Pink Floyd ihr »We don’t need no education«.

       PARLEZ-VOUS BAIRISCH?

      Viele Menschen schimpfen darüber, dass die deutsche Sprache durch und durch von englischen Wörtern durchzogen ist. Das ist sie auch – aber die Bayern treiben es im Speziellen noch doller: Sie haben obendrein viele Wörter aus dem Französischen übernommen – deutlich mehr als die meisten anderen deutschen Dialekte. Das Verb pressieren stammt etwa vom Französischen se presser (sich beeilen) ab. Wenn es pressiert, ist höchste Eile angesagt. Zum Bürgersteig sagen viele Bayern nach wie vor der Trottoir und zum Nachttopf Potschamperl, was dem französischen pot de chambre entspricht. Ebenfalls häufig zu hören ist wisawi, was gegenüber bedeutet und auf Französisch vis-à-vis heißt. Statt auf dem Sofa liegen viele Bayern auf dem Kanapee, genau wie die Franzosen es sich auf le canapé gemütlich machen. Der deutsche Adel hatte sich die französischen Begriffe im 17. Jahrhundert gemeinsam mit französischen Möbeln, französischer Mode und französischen Manieren zu eigen gemacht. Als auch Bauern und Kleinbürger begannen, ihre Holzstühle gegen schickeres Mobiliar zu tauschen, bekam auch ihre Alltagssprache ein schickes Vokabel-Upgrade. Merci dafür – oder, wie es in Bayern oft heißt, Measse.

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