Fettnäpfchenführer Bayern. Nadine Luck

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Fettnäpfchenführer Bayern - Nadine Luck Fettnäpfchenführer

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       DAS ZAMPERL ALS HEILIGE KUH

      Wie im Urlaub fühlt sich das frisch verlobte Paar beim Spaziergang im akkurat gepflegten Südteil des Englischen Gartens. Magdalena und Jochen bestaunen die Künste der Surfer am Eisbach, genießen die Rhythmen der Trommler auf der Wiese unterhalb des Monopteros – und als sie ebendort zwei Nackte beim Frisbeewerfen sehen, muss Jochen grinsen. »Es gibt sie also wirklich, die weltberühmten Nackerten Münchens! Schon lustig, dass diese Nackedeis hier in der Hauptstadt des erzkonservativen Bayerns offenbar zum Stadtbild gehören, während sie kaum durch den Hyde Park des vermeintlich cooleren Londons oder den Central Park des freakigen New Yorks laufen würden.«

      »Ach, eigentlich werden die Nackerten immer weniger«, sagt Magdalena in einem traurigen Tonfall, als würde sie den Verfall einer Münchner Sehenswürdigkeit wie etwa der Frauenkirche beklagen. »Ich sehe jedenfalls nur noch selten welche.« Dann fügt sie mit einem schelmischen Grinsen hinzu: »… aber vielleicht schau ich auch nicht so genau hin wie du.« Als den beiden im nächsten Moment eine Haschisch-Duftwolke in die Nase steigt, lacht Jochen lauthals los. »Ach, ihr Bayern tut immer so brav und sauber und so, als würdet ihr alles verbieten. Und kaum spaziere ich durch euren Vorzeige-Park, fühle ich mich, als wäre ich in einem Saunaclub in Amsterdam.«

      Doch bald wird die Stimmung wieder bilderbuch-bayerisch. Die beiden gehen am Chinesischen Turm vorbei und beobachten Hunderte oder Tausende von Menschen dabei, wie sie den Herrgott bei Bier, Brezn und Blasmusik einen guten Mann sein lassen. Noch idyllischer wird es einige Schritte weiter am Ufer des Kleinhesseloher Sees. Gerade landet ein Schwarm Gänse auf dem Wasser. Ein herrliches Naturschauspiel – mitten in der Großstadt. An der anderen Seite des Sees liegt das Seehaus mit seinem Biergarten direkt am Ufer. Jochen seufzt zufrieden. »Ich könnte mich tatsächlich an das schöne München gewöhnen«, sagt er und zieht Magdalena an sich. »Und an meine schöne Münchnerin sowieso.« Dann küsst er seine zukünftige Braut. »Wollen wir uns auch dort hinsetzen?«, fragt er.

      »Ich würde gerne noch ein Stück gehen«, erwidert Magdalena. »Hier ist die Maß fast so teuer wie auf der Wiesn. Lass uns zum Aumeister-Biergarten am nördlichen Ende des Englischen Gartens gehen. Dort ist der wildere Teil des Parks, den möchte ich dir gerne zeigen. Wunderschön! Außerdem verirren sich zum Aumeister nicht so viele Touristen, es ist unaufgeregter und authentischer dort. Wirst sehen!«

      »Mit dir geh ich überall hin, auch in die Münchner Wildnis«, sagt Jochen – und hält inne. Plötzlich spürt er einen Schmerz in der rechten Wade. Er dreht sich um. Zuerst sieht er nichts, bis er nach unten blickt. Dort springt ein kleiner Hund herum, der ihn offenbar ins Bein gekniffen hat und ihn nun frech anbellt.

      »Du kleiner, mieser Kläffer, ja gibt’s denn das?«, schimpft Jochen und tritt in Richtung des Hundes, der nun zu jaulen beginnt. »Wer hat dich denn losgelassen? Angekettet gehörst du wie diese anderen herumrennenden Hunde auch! Ich glaub, ich spinne!«

      »Jetzt hören Sie aber mal auf!«, ruft eine junge Frau, die heraneilt und offenbar zum Hund gehört. »Waldi wollte doch nur spielen.«

      »Wenn Ihr Kläffer auf fremde Menschen losgeht, weil er sie mit seinem Happi verwechselt, gehört er weggesperrt!«, meint Jochen erbost.

      »Vorsicht, junger Mann! Leben und leben lassen«, knurrt ihn daraufhin eine ältere Dame an, die wie die junge eine Hundeleine in der Hand hält. Der zugehörige Köter scheint ebenfalls frei herumzulaufen. »Beleidigen Sie diesen bezaubernden Zamperl nicht!« Zu der anderen Frau sagt sie: »Von der Liberalitas Bavariae hat der Mann offenbar noch nichts gehört!«

      Auf dem restlichen Weg zum Aumeister hat Jochen das Gefühl, dass ihn sämtliche Hundehalter – ist hier irgendwo ein Nest? – finster anstarren. Merken sie ihm an, dass er kein Freund wilder Tiere ist?

       WELTBERÜHMTE DACKEL – ZUMINDEST IN MÜNCHEN

      1 Waldi heißt der berühmte Dackel von Herrn Hirnbeiß. Hirnbeiß ist das von Franziska Bilek gezeichnete Abbild eines Alt-Münchner Grantlers, der seit 1961 und bis heute täglich in der Abendzeitung seinen Senf zum Tagesgeschehen gibt. Waldi ist meist dabei.

      2 Ebenfalls Waldi heißt das erste, buntgestreifte offizielle Olympia-Maskottchen für die Sommerspiele 1972 in München.

      3 Bis heute hat das bayerische Königshaus Dackel. Berühmt ist etwa »Bürschel«, der treue Freund des natur- und volksnahen Wittelsbacher Kronprinzen Luitpold.

      4 Im Münchner Tatort begleitete Dackel Oswald ab 1972 Kommissar Veigl, der von Gustl Bayrhammer gespielt wurde. Als Oswald 1975 starb, veranstaltete der Sender ein Dackel-Casting, um einen würdigen Nachfolger zu finden.

      5 Ein Dackel namens Waldmann findet sogar in der ernsten Literatur seinen Platz. In dem vielgerühmten München-Roman Erfolg von Lion Feuchtwanger aus dem Jahr 1930 sitzt einer der Protagonisten in einem Lokal der Münchner Innenstadt – und hat das Zamperl zu Füßen.

       Obacht, neidabbd!

      Wenn sie schnell Freunde finden wollen, sollten Neu-Münchner besser in ein Hundehäufchen als in einen Fettnapf treten und dabei ein Auge zudrücken. Denn wenn es um Waldi, Lumpi und Co. geht, verstehen die Münchner keinen Spaß. Der Hund ist in der bayerischen Landeshauptstadt eine heilige Kuh. Vor allem die Zamperl, wie kleine Hunde und vor allem Dackel in München genannt werden, gehören zum Stadtbild wie Bier, Weißwurst und Chinaturm. Sie werden heiß geliebt – warum auch immer. Für viele sind Dackel ein Symbol der Stadt. Es wundert fast, dass sie nicht neben den bayerischen Löwen das Bayerische Staatswappen zieren dürfen. Immerhin züchteten schon die Wittelsbacher Dackel. Allerdings strolchen, wie die Boulevardzeitungen Münchens regelmäßig mit lautem Geschrei beklagen, immer weniger Dackel durch die Stadt der Hundeliebhaber. Konkurrenten wie Labradore, elegante Jagdhunde, Münsterländer, Möpse oder Handtaschenhunde wie Chihuahuas sorgen dafür, dass die »Wurst auf Beinen« einigermaßen ausgebellt hat.

      Doch egal, um welchen Wauwau es geht, frei herumlaufen darf keiner von ihnen im Englischen Garten – damit hat Jochen vollkommen recht. So viel zur Theorie, in der Praxis interpretieren Münchens Tierfreunde die Parkordnung trotz drohender Geldstrafen recht großzügig. Denn wer, denken sie, wird schon mit Kanonenkugeln auf Zamperl schießen? Und auch andere Freunde interpretieren die Parkordnung großzügig: die Freunde des Eisbachsurfens, die nicht surfen dürfen, die Freunde weicher Drogen, die nicht kiffen und schon gar nicht dealen dürfen, und die Freunde des Fahrradsports, die die Fußwege durch den Park nicht nutzen dürfen.

      Wer jedenfalls ins Herz der Münchner Tierliebhaber geschlossen werden möchte, sollte sich als Neuling in der Stadt vielleicht sogar ein Zamperl anschaffen. Mit einem Hund an der Leine – oder auch mit einem Hund ohne Leine – kommt man ja so schnell ins Gespräch mit anderen Hundehaltern … Jochen allerdings muss sich wohl andere Mittel und Wege suchen, um in der Weltstadt mit Herz (für Tiere) so richtig anzukommen.

       SKIGESCHICHTE IM ENGLISCHEN GARTEN

      Im Sommer ist die Wiese vor dem Monopteros gerne von Nackerten besiedelt, im Winter hingegen tummeln sich hier vor allem Familien im Schneeanzug. Denn der Hügel, auf dem 1836 nach einem Entwurf Leo von Klenzes ein Tempel im griechischen Stil erbaut wurde, eignet sich hervorragend zum Rodeln. In der Geschichte des bayerischen Wintersports hat er sogar eine Schlüsselrolle inne. Er ist der älteste belegte bayerische Skiberg. Wintersport-Pionier August Finsterlin (1846–1927) ließ sich 1888 aus Skandinavien 3,20 Meter lange Ski schicken, um dort hinunterzurutschen. Der Polizei passte das gar nicht, woraufhin Finsterlin an den

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