Fettnäpfchenführer Bayern. Nadine Luck

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Fettnäpfchenführer Bayern - Nadine Luck Fettnäpfchenführer

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       GEOGRAFISCHUNLOGISCH

       DAS ALLES IST BAYERN

      »Du hast nicht vergessen, dass wir morgen nach Niederbayern fahren, gell?«, fragt Magdalena auf dem Heimweg in der U-Bahn, in der ihnen glücklicherweise keine Hunde mehr begegnen. »Ich freu mich wirklich darauf, dir meine Familie vorzustellen. Und dir meine Heimat zu zeigen. Für meine Familie war es ein Schock, dass ich nach München gezogen bin. Sie können es nicht nachvollziehen, dass ich freiwillig in einer Millionenstadt leben mag.«

      »Und ich freu mich, endlich mal etwas von der sagenumwobenen bayerischen Landschaft zu sehen: eure Berge und Seen … Und darauf, echten Dialekt zu hören und Weißwürste zum Frühstück zu bekommen.«

      »Oh, da muss ich dich enttäuschen, jedenfalls teilweise. Niederbayern ist nicht Oberbayern, dessen herausgeputzte Dörfer deiner Vorstellung von Bayern entsprechen dürften mit den Alpen im Hintergrund und den prächtig geschmückten Bauernhäusern, auf deren Balkonen üppig wuchernde Geranien blühen. Doch jeder bayerische Regierungsbezirk ist anders und es sieht überall anders aus«, klärt Magdalena ihren Liebsten auf. »In Niederbayern gibt es maximal 1.500 Meter hohe Erhebungen wie den Großen Arber im Bayerischen Wald, und auch der ist einigermaßen weit vom Rottal entfernt, in das ich dich entführe. Seen? Na ja, ein paar haben wir, aber verglichen mit dem Starnberger See oder dem Chiemsee sind es nur Pfützen. Aber du bekommst bodenständiges und weitgehend untouristisches Bayern mit waschechtem Niederbayern-Dialekt serviert – und Weißwürste, klar, die gibt es bestimmt!«

      »Keine Berge? Ehrlich nicht?« Jochen ist verwundert.

      »Ehrlich nicht. Aber stattdessen gibt es viele Funklöcher, vielleicht fast die letzten in der Republik. Das Mobilfunknetz ist in Niederbayern mitunter so löchrig wie Schweizer Käse. Und eine malerische Hügellandschaft kann ich dir auch bieten, die bei schlechtem Wetter düster und rau wirken kann. Ganz besonders, wenn weit und breit keine Menschenseele zu sehen ist im stellenweise sehr dünn besiedelten Land.«

      »Entschuldige, das war ziemlich ignorant von mir. Für mich war Bayern bisher gleich Bayern gleich Berge, Lederhosen und Seen. Und Föhn.«

      »Du bist nicht der Einzige mit dieser Klischeevorstellung im Kopf. Aber alles über einen Kamm scheren darfst du bei uns Bayern nicht, darauf reagieren wir allergisch. Und wenn du deine These, Bayern sei gleich Bayern, einem Franken erzählst, dürftest du noch deutlich größere Probleme bekommen als mit mir jetzt«, sagt Magdalena.

      »Uff!«, sagt Jochen. »Ich bin ja schon ruhig und genieße schweigend euer schönes Bayernland, egal ob mit Hügeln oder Bergen. Aber eine Frage habe ich noch. Da wir hier in München in der nördlichsten Stadt Italiens sind, gehe ich davon aus, dass wir uns, wenn wir nach Niederbayern fahren, auf der Landkarte noch weiter gen Süden bewegen. Dann müsste es ja nur noch ein Sprung bis Bella Italia sein … Lohnt es sich, von deinen Eltern aus hinzufahren?«

      Magdalena verdreht die Augen. »Ach, Schatz … Ein Blick auf die Landkarte würde nicht schaden. Ich weiß, dass einige gebürtige Münchner nicht wissen, was wo jenseits ihrer Stadtgrenzen liegt – und ob da überhaupt etwas ist. Bei dir hätte ich solches Unwissen aber ehrlich gesagt nicht vermutet. Niederbayern liegt natürlich weitgehend nördlich von Oberbayern, genau formuliert schmiegt es sich nordöstlich daran. Wir bewegen uns also definitiv von Italien weg und auf der Landkarte nach oben, eher in Richtung Oberpfalz hin, falls es dich dort hinzieht.«

       DIE LIEBEN AHNEN

      Ursprünglich haben sich die Bayern aus drei Stämmen entwickelt: aus den Altbayern, zu denen neben den Ober- auch die Niederbayern sowie die Oberpfälzer gehören, aus den Franken und den Schwaben. Sie unterscheiden sich allesamt durch ihren Dialekt, spezielles Brauchtum und ihre Mentalität. Zu den drei Stämmen sind nach 1945 über zwei Millionen Heimatvertriebene gestoßen: die Sudetendeutschen. Über sie hat der Freistaat unter Ministerpräsident Alfons Goppel die Schirmherrschaft übernommen. Die Staatsregierung betrachtet »die sudentendeutsche Volksgruppe als einen Stamm unter den Volksstämmen Bayerns«, wie es in einer Urkunde vom 5. November 1962 heißt. Als im Großen und Ganzen gelungen kann man die Integration der etwa aus Böhmen und Mähren Vertriebenen bezeichnen. Das Wirtschaftswunder in den 50er-Jahren sorgte dafür, dass die Neubürger in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden konnten. Sie packten tüchtig mit an. Generell ging dieser vierte Stamm langsam in Bayern auf. Die Vertriebenen blieben nicht unter sich, sondern gehörten dazu. Sie heirateten Einheimische, sodass naturgemäß Stammes- und Kulturgrenzen verschwanden. Das hat natürlich auch eine traurige Folge. Über die Jahrzehnte hinweg gingen viele kulturelle Eigenheiten der Sudetendeutschen verloren, etwa Mundarten, Sitten und Bräuche.

       Obacht, neidabbt!

      Vielleicht tröstet es Jochen, dass er mit seiner geografischen Unwissenheit in bester Gesellschaft ist. Schwierigkeiten, die bayerischen Regierungsbezirke richtig zu verorten, haben auch manche Politiker, die es schon berufsbedingt besser wissen sollten. Christian Ude etwa, der frühere Münchner Oberbürgermeister, war beim Landtagswahlkampf im Jahr 2013 Spitzenkandidat der bayerischen SPD – und das, obwohl Bayerns Landbevölkerung teilweise arg mit ihm fremdelte. Andersherum war es wohl auch so, denn Ude schien bisher nur geahnt zu haben, dass die Welt hinter Feldmoching noch etwas zu bieten hat. Nichts Genaues aber wusste er nicht, darum steckte er die Stadt Aschaffenburg fälschlicherweise nach Ober- statt nach Unterfranken. Kein Wunder, dass alle ihn, der bayerischer Ministerpräsident werden wollte, deshalb ausgelacht haben. Ude wusste vielleicht, dass Aschaffenburg in Franken liegt und dass es von München aus irgendwo oben ist – weshalb er es wohl in Oberfranken vermutete.

      Der damals titelverteidigende Ministerpräsident Horst Seehofer hatte indes nicht wirklich aus Udes Bildungslücke gelernt und Aschaffenburg später in den Westen Bayerns verlegt, also nach Schwaben. Und die Donau ließ er flussabwärts von Deggendorf nach Ingolstadt fließen. Dabei ist es genau andersrum: Die Donau bewegt sich von Ingolstadt nach Deggendorf. Ihr Ursprung liegt im Schwarzwald und sie mündet im Schwarzen Meer.

      Wer glaubt, in anderen Parteien wäre das besser, der irrt. Im Auftrag des bayerischen Wissenschaftsministeriums, dem bis 2013 FDP-Mann Wolfgang Heubisch vorstand, wurde eine Webseite eingerichtet, die für ein Studium in Bayern warb. Alle sieben Regierungsbezirke waren darauf abgebildet, inklusive Niederfranken. Niederfranken? Wer das noch nie gehört hat, liegt richtig. Auf der offiziellen Seite der bayerischen Regierung fiel das zunächst nicht auf. Es sei ein Übersetzungsfehler gewesen, erklärte eine Ministeriumssprecherin später. Lower Franconia sei aus der ursprünglich englischsprachigen Version eben nicht mit Unterfranken, sondern mit Niederfranken übersetzt worden. »Die Mutter unseres Ministers Heubisch kommt immerhin aus der Region. Er hätte das sicher gewusst«, so die Sprecherin weiter. Ja, ja.

      Der ehemalige Münchner Oberbürgermeister, der ehemalige bayerische Ministerpräsident und auch Jochen haben gelernt: Bayern nur auf München und Oberbayern begrenzen zu wollen wird dem vielfältigen Freistaat nicht gerecht. Flächenmäßig ist Bayern 227-mal so groß wie München. Zugegeben: Auf den ersten Blick mag es unlogisch erscheinen, dass Niederbayern auf der Landkarte weitgehend oberhalb von Oberbayern liegt und Unter-, Mittel- und Oberfranken sogar völlig wirr arrangiert zu sein scheinen. Dafür gibt es aber eine nachvollziehbare Erklärung. Es geht tatsächlich um die relative Lage an der Donau und ihren Nebenflüssen. Landschaften werden häufig nach Flussverläufen benannt, sie bestimmen das Oben und das Unten. Es ist ein Naturgesetz, dass Wasser nach unten fließt. Was Oberbayern betrifft, kommen die Alpen erhebenderweise dazu. Rund um die herrliche Berglandschaft werden Gegenden, die näher an den Bergen liegen, als Oben bezeichnet.

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