Fettnäpfchenführer Bayern. Nadine Luck
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Vorsicht: Weißbier einzuschenken, ist eine Herausforderung! Wer einfach loslegt und es wie beispielsweise Wasser ins Glas fließen lässt, scheitert am überschäumenden Temperament des Bieres. Zu starkes Aufschäumen vermeidet, wer das längliche Weißbierglas vor dem Einschenken mit klarem kaltem Wasser ausspült und es hinterher nicht abtrocknet. Ein leichter Wasserfilm sollte im Glas bleiben. Jetzt gilt es, das Glas leicht schräg zu halten – mindestens im 30-Grad-Winkel. Denn je flacher es beim Einschenken steht, desto weniger Schaum bildet sich. Dreiviertel des Glases dürfen so gefüllt werden. Um auch die Hefe vom Flaschenboden zu lösen, wird die Flasche geschwenkt. Fertig? Jetzt wird der Rest des Bieres mit der gelösten Hefe steil von oben ins Glas geschenkt. Auf diese Weise sollte sich auf dem Weißbier eine prächtige Schaumkrone bilden. Prost!
Die schlechte Nachricht lautet: Ein halber Liter Weißbier hat rund 250 Kalorien. Die gute Nachricht: Wissenschaftler der TU München bescheinigen dem Gerstensaft positive Auswirkungen auf die Gesundheit von Sportlern. Läufer, die sich nach dem Training eine Halbe gönnen, sind um ein Drittel weniger anfällig für Infekte als die Vergleichsgruppe. Wenn sie doch eine Erkältung bekommen, verläuft sie milder oder kürzer. Der Haken an der Geschichte: Der Effekt tritt nur bei der alkoholfreien Variante ein. Doch es gibt ein Happy End: Wer statt zu normalem Weißbier zu alkoholfreiem greift, spart rund 40 Prozent Kalorien.
3
ALLES IMBUTTER?
GRAMMATIKALISCHESCHWANKUNGEN
Am Morgen nach dem Hofbräuhaus-Erlebnis können Magdalena und Jochen ausschlafen. Endlich Wochenende! Endlich gemeinsam frühstücken! Darauf freuen sie sich seit Tagen. Außerdem hat Jochen eine Überraschung für seine Liebste. Doch dafür braucht er Ruhe und Zeit mit ihr allein.
Sie sitzen in der kleinen Küche in Magdalenas Wohnung im Münchner Stadtteil Thalkirchen und türmen alles voreinander auf, was sie fürs Frühstück brauchen: Semmeln, wie die Brötchen in Bayern heißen, Croissants, Butter, Schinken und Käse, Marmelade und Ei – und natürlich frisch gebrühten Cappuccino! Allerdings fehlt Magdalena noch etwas.
»Ist es okay, wenn ich den Radio einschalte?«, fragt sie. »Oder stört er dich? Ich bin es gewohnt, morgens immer etwas Musik und die Nachrichten zu hören. Dann ist es nicht so leise in der Wohnung. Wobei, wenn du wirklich irgendwann hierherziehen solltest, brauche ich das vielleicht gar nicht mehr …«
»Nein, nein«, sagt Jochen. »Ich drehe es morgens auch immer an.« Es irritiert ihn jedoch etwas, dass Magdalena »der Radio« gesagt hat. Aber egal, jetzt hat er endlich einmal Gelegenheit, Bayern 3 zu hören, den Sender, bei dem TV-Entertainer Thomas Gottschalk angefangen hat. Als Magdalena etwas später allerdings fragt: »Kannst du mir bitte den Butter reichen?«, da kann Jochen sich das Lachen nicht mehr verkneifen.
»Schatz, warum machst du die Butter männlich?« Jochen findet es wirklich witzig. Sonst legt Magdalena so viel Wert auf weibliche Formen und spricht immer von »Politikerinnen und Politikern« und »Ärztinnen und Ärzten«. Kurz bevor sie ein Paar geworden sind, hatte sie in einem Gespräch erklärt, warum sie das wichtig findet: »Wenn ich nur die männliche Wortform verwende, denke ich auch nur über Männer nach. Auch wenn ich über dich sehr gerne nachdenke«, hatte sie gesagt. Jochen weiß noch genau, wann das war. Er hatte sie an dem Tag von ihrer Arbeit abgeholt, vergangenes Jahr, als sie ihr einjähriges Pflichtpraktikum als angehende Apothekerin bei Bayer in seiner Heimatstadt absolviert hatte. Ein paar Tage vorher hatten sie sich über seinen Freund und ihren Kollegen Alexander beim Feierabendkölsch kennengelernt. Jochen war sogleich angenehm verwirrt gewesen, als sie zugegeben hatte, an ihn zu denken. »Ehrlich, diese attraktive Münchnerin macht sich Gedanken über mich?«, dachte er. Sie wiederum vertiefte das nicht weiter, sondern fügte hinzu: »Wir sollten jedenfalls die weiblichen Formen und damit uns Frauen nicht unter den Tisch fallen lassen.« Umso mehr wundert er sich jetzt darüber, dass seine Liebste, wenn sie an Butter denkt, unnötigerweise die männliche Form ins Spiel bringt. »Sagst du ›der Butter‹, weil du mit mir Butter bei die Fische machen magst?«, scherzt er.
»Was soll das denn jetzt?«, entgegnet sie etwas beleidigt.
»Nicht böse sein«, bittet Jochen. »Denn gerade heute will ich mich besonders gut mit dir vertragen.« Er zieht eine kleine Dose aus seiner Hosentasche, öffnet sie, räuspert sich und fragt: »Willst du meine Frau werden, Magdalena?« Dann deutet er auf die kleine Schatulle. »Der, die, das Ring hier drinnen ist für dich, mein Schatz.«
Obacht, neidabbd!
Von »dem Butter« zu reden, ist kein Magdalen’scher Spezialausdruck. Viele Bayern sagen es. Aber warum tun sie das? Aus bayerischer Sicht war das gerade die falsche Frage an dieser Stelle. Korrekterweise müsste die Frage lauten: Warum heißt es in der Hochsprache »die Butter«? Und noch mehr: Warum heißt es nicht »das Teller« und »der Radio«? Die bairische Version des grammatikalischen Geschlechts dieser Begriffe ist nämlich sprachgeschichtlich betrachtet die logischere oder zumindest die genauso offensichtliche – und somit kein bayerischer Sonderweg. Was die Bayern zu ahnen scheinen, ist Folgendes: Das unscheinbare Wörtchen Butter hat sich aus dem altgriechischen Wort für Kuhquark – boútyron – und schließlich aus dem Lateinischen butyrum entwickelt. Den Endungen zufolge war die-der Butter damals noch ein Neutrum. In den romanischen Sprachen, die aus dem Lateinischen entstanden sind, wurde das sachliche Substantiv männlich. Butter wurde im Französischen und Italienischen zu le beurre und il burro und im verwandten Bairischen eben zu »der Butter«.
Dass sich anderswo »die« Butter herauskristallisiert hat, liegt daran, dass das lateinische butyrum in der Mehrzahlform als butira auf den Tisch gekommen ist und aufgrund der Endung als weiblich missverstanden wurde.
Auch zum bairisch-maskulinen Artikel des Begriffs Radio servieren uns Sprachforscher eine logische Geschichte. Weil es früher der Radio-Apparat hieß, sagen die Bayern häufig »der Radio« und beziehen sich dabei auf den ursprünglich angehängten männlichen Begriff Apparat. Aus dem Radio-Gerät dürfte sich hingegen in der Schriftsprache »das Radio« entwickelt haben.
Ähnlich verhält es sich beim Begriff Teller, der vom altfranzösischen tailleoir abstammt. Hiermit war das Brett gemeint, auf dem Obst, Gemüse und Fleisch klein geschnitten wurden. Damit hierzulande auch dem letzten Küchenjungen klar war, welchem Zweck diese Platte diente, hängte man im Deutschen früher das Wort Brett an. Speisen gab es folglich auf dem tailleoir-brett. Von diesem tailleoir-brett stammt das sachliche Geschlecht ab, das die Bayern behalten haben – auch nachdem das Wort im Deutschen zum Teller verkürzt wurde. Die Bayern teilen also das Teller aus, um sich darauf den Butter aufs Brot zu schmieren.
Was noch auf dem Tisch steht? In Altbayern findet man manchmal neben »dem Butter« auch »das Marmelad« oder als Nachspeis’ »den Schokolad«. »Das Limonad« würde man auch sagen, wenn die Fanta in Bayern nicht ohnehin ganz anders bezeichnet würde – als »das Kracherl«. Die Verkürzung zu Schoko- und Marmelad rührt daher, dass das unbetonte »e« bei den Bayern oft spurlos verschwindet: Sie verkürzen »-ade«-Endungen gerne mal auf »-ad«.