Sozialpädagogische Familienhilfe. Hans-Ulrich Krause
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»Sozialpädagogische Familienhilfe soll durch intensive Betreuung und Begleitung Familien in ihren Erziehungsaufgaben, bei der Bewältigung von Alltagsproblemen, der Lösung von Konflikten und Krisen sowie im Kontakt mit Ämtern und Institutionen unterstützen und Hilfe zur Selbsthilfe geben. Sie ist in der Regel auf längere Dauer angelegt und erfordert die Mitarbeit der Familie« (§ 31 SGB VIII, Stand: 2020).
Mit dieser gesetzlichen Grundlage besteht seit dem Inkrafttreten des SGB VIII in den Jahren 1990 und 1991 ein subjektiver Rechtsanspruch der Personensorgeberechtigten – das sind zumeist die leiblichen Eltern – gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe (kurz: dem Jugendamt) auf diese Leistung. Ein Anspruch auf Sozialpädagogische Familienhilfe besteht, wenn ein entsprechender erzieherischer Bedarf sowie die Geeignetheit und Notwendigkeit dieser Leistung begründet werden kann (vgl. § 27 Abs. 1 SGB VIII). Die Realisierung und Ausgestaltung der Hilfe basiert auf der Beteiligung der Familien, insbesondere bei der Erstellung und Fortschreibung eines Hilfeplans unter Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts (vgl. §§ 36, 5 SGB VIII).
Die Bezeichnung Sozialpädagogische Familienhilfe wird häufig in der Praxis und in der Fachliteratur mit SPFH abgekürzt.
Systematisierung der Sozialpädagogischen Familienhilfe
Die Sozialpädagogische Familienhilfe ist eine lebensweltunterstützende Hilfeform (vgl. Rätz/Schröer/Wolff 2014, S. 129) mit einem aufsuchenden Arbeitsansatz. Sie findet überwiegend im Alltag und in der Lebenswelt der Familien statt. Ein wesentliches Anliegen besteht darin, dass der Lebensmittelpunkt des Kindes bzw. der Kinder in der eigenen Familie erhalten bleibt.
»Zielgruppe der Leistung sind vor allem Familien, die sich aufgrund von äußeren und inneren belastenden Umständen bzw. Faktoren in einer schwierigen Lebenssituation befinden. Mit der SPFH ist das Ziel verbunden, die Familie im Verlauf der Hilfe (wieder) zur selbstständigen Problemlösung und Alltagsbewältigung zu befähigen« (Fendrich/Pothmann/Tabel 2018, S. 70).
Es geht darum, das bestehende Familiensystem möglichst zu stärken.
Die Sozialpädagogische Familienhilfe gehört zu den ambulanten Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe.1 Neben der Sozialpädagogischen Familienhilfe gehören die soziale Gruppenarbeit, der Erziehungsbeistand/Betreuungshelfer, die Tagesgruppe sowie die intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung zu den ambulanten Erziehungshilfen. Die Übergänge zwischen diesen Hilfeformen sind fließend, weshalb sie auch häufig ›aus einer Hand‹ angeboten werden. Zentral ist bei der Sozialpädagogischen Familienhilfe jedoch im Unterschied zu den anderen ambulanten Hilfen, dass die intensive Arbeit mit den Eltern im Fokus steht – dies mit dem Ziel, dass die Eltern als Akteur*innen innerhalb ihrer Familien die Bedingungen des Aufwachsens der Kinder verbessern können. Hierbei gilt es, sowohl Kinder als auch Eltern angemessen zu unterstützen. Bei den anderen ambulanten Hilfen gehört die Elternarbeit zwar häufig auch zum Konzept, die inhaltliche Schwerpunktsetzung ist jedoch mehr auf die direkte Unterstützung der Kinder und Jugendlichen gerichtet. Ähnlichkeiten bestehen hingegen zur Familienberatung, bei der jedoch im Gegensatz zur Sozialpädagogischen Familienhilfe die Familien in die entsprechenden Beratungsstellen kommen (Komm-Struktur). Der Inhalt der Hilfe umfasst dann einen Beratungsprozess. Die Sozialpädagogische Familienhilfe begleitet und unterstützt hingegen die Familien unmittelbar im Alltag (Geh-Struktur) (vgl. Helming/Schattner/Blüml 1999/2004, S. 38 ff.).
Die Sozialpädagogische Familienhilfe zeichnet sich durch folgende Merkmale aus, die je nach dem konkreten Bedarf der einzelnen Familie unterschiedlich gewichtet werden:
• Es handelt sich um eine aufsuchende Hilfe in der Wohnung sowie in der sozialen Umwelt der Familien.
• Sie findet im Alltag der Familien statt.
• Sie umfasst die gesamte Familie (als System) und alle ihre Mitglieder (vgl. Wolf 2015, S. 139). Eltern und Kinder sind also gleichermaßen im Fokus. Zumeist handelt es sich um Familien mit jüngeren Kindern, nämlich unter zehn Jahren (vgl. Fendrich/Pothmann/Tabel 2018, S. 71).
• Sie setzt auf die Erziehungskompetenz der Eltern, deren Stärkung sowie auf Lern-, Entwicklungs- und Veränderungsprozesse zur Lebensbewältigung.
• Sie blickt auf die Lebenssituation der Kinder, deren Entwicklungspotentiale sowie auf die Realisierung derer Bedürfnisse und auch derer Rechte innerhalb und außerhalb der Familien.
• Sie vermittelt zwischen den Interessen der Kinder und der Eltern und hilft den Eltern dabei, das Wohl ihrer Kinder zu gewährleisten sowie Kindeswohlgefährdungen abzuwenden.
• Sie berät und unterstützt bei Erziehungsschwierigkeiten zwischen Eltern und Kindern sowie bei Entwicklungsproblemen der Kinder.
• Sie hilft dabei, akute Krisensituationen zu bewältigen.
• Sie nimmt die Beziehungen in der Familie, deren Dynamiken und die dahinter liegenden Sinnstrukturen in den Blick und regt diesbezüglich Veränderungen an.
• Sie unterstützt Familien darin, die eigene Geschichte sowie die jeweilige Rolle als Eltern, Großeltern, Kinder etc. zu verstehen und ggf. neu zu definieren.
• Sie hilft bei der Sicherung der finanziellen Situation, der materiellen Lebensgrundlagen, der Wohnsituation, der Haushaltsführung, der Strukturierung des Alltages sowie der Überwindung von Krankheiten.
• Sie erschließt Orte im Sozialraum der Familien, die unterstützend sein können.
• Sie vermittelt zwischen Institutionen, u. a. Kindertagesstätten (Kita) und Schulen, aber auch Behörden wie bspw. dem Jobcenter oder dem Sozialamt und den Familien.
• Sie fördert die sozialen Interaktionen der Familienmitglieder zur Verbesserung der Kontakte mit der Außenwelt.
Häufig ist der Anlass einer Sozialpädagogischen Familienhilfe, dass Kinder Schwierigkeiten haben oder sich sozial auffällig äußern. Hierzu gehören bspw. Schulprobleme, Lern- bzw. Entwicklungsschwierigkeiten, aggressive Ausbrüche, psychische Phänomene und deviantes Verhalten. Anlässe können auch ein vernachlässigendes Verhalten der Eltern gegenüber ihren Kindern durch Unterlassungen oder Gefährdungen ihres Wohls sein. Entscheidend für die Auswahl einer Sozialpädagogischen Familienhilfe in diesen Fällen ist, dass die »Schwierigkeiten der Kinder im Kontext der Familie gesehen werden und die Stärkung der Eltern sich positiv auf die Situation der Kinder auswirkt« (Helming/Schattner/Blüml 1999/2004, S. 38). Und schließlich nicht zu vergessen: Auch Eltern, die einen Bedarf an Unterstützung bei Fragen der Erziehung oder der Alltagsbewältigung geltend machen, deren Kinder jedoch nicht auffällig in Erscheinung treten, haben einen Anspruch auf Sozialpädagogische Familienhilfe (vgl. § 27 Abs. 1 SGB VIII).
Entwicklungen des Arbeitsfeldes
Mit der Einführung des SGB VIII vollzog sich ein grundlegender Paradigmenwechsel in der Kinder- und Jugendhilfe. Dieser bestand in der Gewährleistung subjektiver Rechtsansprüche beim Vorliegen der entsprechenden Bedarfslagen. Oder anders gesagt: Familien haben dann ein Recht auf Hilfe, wenn sie sich in einer belastenden oder schwierigen Lebenssituation befinden! Die Kinder- und Jugendhilfe verabschiedete sich damit von einer repressiven, eingriffsorientieren, ordnungspolitischen und obrigkeitsstaatlichen Rechtsgrundlage, die mit dem Jugendwohlfahrtsgesetz bis Ende 1990 in der BRD bestand. Hilfen für Familien dürfen