Sozialpädagogische Familienhilfe. Hans-Ulrich Krause
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Statistischer Überblick
Laut dem Monitor Hilfen zur Erziehung4 wurden im Jahr 2016 rund 864,6 Mio. Euro für die Leistungen der Sozialpädagogischen Familienhilfe ausgegeben. Dies waren 64 Euro für ein Kind bzw. Jugendlichen (pro Kopf Ausgabe der unter 18-Jährigen)5.
Es wurden 116.054 Sozialpädagogische Familienhilfen gemäß § 31 SGB VIII ausgewiesen (Fallzahlen6). Die durchschnittliche Dauer der beendeten Hilfen umfasste 16 Monate. 64 % der Hilfen wurde gemäß dem Hilfeplan beendet (ohne Zuständigkeitswechsel).
Das Durchschnittsalter der jungen Menschen bei Hilfebeginn lag bei 8,2 Jahren. Hauptsächlich Familien mit Kindern unter zehn Jahren nahmen diese Leistung in Anspruch. Mit zunehmendem Alter des Kindes nahm die Inanspruchnahme ab. Jungen und junge Männer sind in der Sozialpädagogischen Familienhilfe häufiger vertreten als Mädchen und junge Frauen. Bei der Altersgruppe der 6- bis unter 10-Jährigen und 10- bis unter 14-Jährigen werden die größten Unterschiede zwischen den männlichen und weiblichen Nutzer*innen zugunsten der Jungen und jungen Männer deutlich. Die Inanspruchnahme der Mädchen und jungen Frauen ist bei den Jugendlichen und jungen Volljährigen etwas höher.
Der Anteil von Alleinerziehendenfamilien lag bei Hilfebeginn bei 50,6 %. Von Transferleistungen lebten 63,4 % der Familien. In 20,6 % Familien wurde zu Hause nicht Deutsch gesprochen.
Im Jahr 2016 waren 6.015 Personen in der Sozialpädagogischen Familienhilfe tätig, 29,8 % davon in Vollzeit. Die Professionalisierungsquote, d. h. der Anteil an Akademiker*innen mit einem (sozial-)pädagogischen (Fach-)Hochschulabschluss, entsprach 71,67.
Dieses Zahlenmaterial, das sich in den Folgejahren in der Tendenz bestätigt, verweist auf interessante Entwicklungen. Zunächst soll der letzte Absatz hervorgehoben werden: Etwas weniger als drei Viertel der Beschäftigten in der Sozialpädagogischen Familienhilfe verfügen über einen akademischen Abschluss im Bereich der Sozialen Arbeit. Damit wird deutlich, dass dieses Arbeitsfeld von Fachkräften der Sozialen Arbeit professionell gestaltet und verantwortet wird. Dies ist u. a. mit gesellschaftlichen Erwartungen an die Profession Soziale Arbeit in deren Qualität und Wirkung verbunden (
Im nachfolgenden Abschnitt soll ein anderer erwähnter Aspekt genauer betrachtet werden: Wie kann der etwa hälftige Anteil von Alleinerziehendenfamilien sowie die hohe Anzahl von Familien, die von Transferleistungen leben, unter Beachtung der gesellschaftlichen Bedingungen diskutiert werden?
Lebenssituationen und Problemlagen von Familien – zwischen gesellschaftlichen Entwicklungen und subjektiven Bewältigungsmöglichkeiten
Der Anspruch auf eine Hilfe zur Erziehung in Form einer Sozialpädagogischen Familienhilfe (§ 27 i. V. m. § 31 SGB VIII) erfordert u. a. die Begründung eines so genannten erzieherischen Bedarfs. Dieser orientiert sich an Defiziten und einer Problembeschreibung dessen, was in der Familie vor dem Beginn der Hilfe nicht gut funktioniert. Zunehmend wird diese Problembeschreibung in der Praxis an der Nichtgewährleistung oder Gefährdung des Wohls der Kinder in den Familien vorgenommen. Aus der Logik der Sozialgesetzgebung in der BRD ist die Erfassung von Defiziten als Begründung des Leistungsanspruchs erforderlich. Ein subjektiver Rechtsanspruch auf eine Sozialleistung ergibt sich hierzulande in jedem Sozialgesetzbuch (SGB) aus einem Mangel bzw. einem begründeten Bedarf. Für die Soziale Arbeit und auch den gesellschaftlichen Diskurs ergeben sich jedoch beim Vorliegen individueller und sozialer Schwierigkeiten von Familien, die die sozioökonomische Lebenslage, die Alltagsbewältigung, die Erziehungsaufgaben, die Gewährleistung des Kindeswohls sowie (chronische) Erkrankungen bzw. Suchterkrankungen betreffen können, auch Gefahren. Diese bestehen in einer unreflektierten Zuschreibung des individuellen Versagens von Familien ohne Berücksichtigung des sozialen Kontextes sowie der gesellschaftlich zu verantwortenden Risiken8 und darauf basierend einer Zusammenstellung von Aktivitäten, durch welche die Notlagen möglichst zügig überwunden werden sollen. Zahlreiche Untersuchungen weisen darauf hin, dass es keine ausschließlich kausalen Bewegungen sind, die Menschen in Not geraten lassen und aus dieser wieder heraushelfen. Wenn-Dann-Zuschreibungen greifen dabei zu kurz – sowohl für die Erklärung von Problemlagen als auch für die Initiierung von Hilfen. Wenn bspw. ein Elternteil alleinerziehend und noch dazu arbeitslos wird, birgt diese Lebenssituation ein hohes Risiko für Kinder und Eltern. Das ist unbestritten. Das Bewältigungshandeln der Familie ist nun allerdings von verschiedenen Faktoren abhängig bspw. von den konkreten Handlungen und Aktivitäten der Mutter bzw. des Vaters sowie der Kinder, von den Bedingungen der sozialen Umwelt sowie der Beschaffenheit des Stadtteils, der Unterstützung durch Freund*innen, Verwandte, Bekannte, der Ausstattung und Qualität der Bildungs- und Betreuungseinrichtungen, der Jobmöglichkeiten vor Ort, der Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Familie und Arbeit bei potenziellen Arbeitgebern etc. Entscheidend sind die wechselseitigen sozialen Interaktionen zwischen den umgebenden gesellschaftlich erzeugten Rahmenbedingungen und dem Bewältigungshandeln der jeweiligen Akteur*innen (vgl. Böhnisch 2010/2012). Ob Familien aus kritischen Lebenssituationen – ob mit oder ohne sozialarbeiterische Unterstützung – unbeschadet oder manchmal sogar gestärkt hervorgehen oder in krisenhaften Situationen auch für längere Zeit verbleiben, kann nur im Einzelfall nachvollzogen werden. Beide Verläufe sind möglich. Die Gefahr besteht allerdings darin, einen Verbleib von Familien in ungünstigen Lebenslagen als ausschließlich individuelles Scheitern zu verstehen und dieses negativ zu bewerten. Dies führt zu Stigmatisierungen der betroffenen Familien