Kunst, Bildung und Bewältigung. Lisa Niederreiter
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2.4.2 Symbol, Repräsentanz und Mentalisierung
Der vorangegangene Abschnitt zu den Binnen-Vorgängen der Mentalisierung dient einerseits der theoretischen Grundlagenbildung zu tiefenpsychologischem Wissen im Kontext von Subjektbildung in Abhängigkeit von Bindungserfahrung und geistiger Entwicklung, wie sie für Pädagogik, psychosoziale Praxis und Therapie gleichermaßen bedeutsam sind. Zum anderen klingt hier mehrfach die später noch auszuarbeitende Funktion des Symbols auch im Kontext der ästhetischen Wahrnehmung und des Ausdruckshandelns an. Eine zentrale, tiefenpsychologisch inspirierte Theorie hierzu ist Donald Winnicotts Forschung zum sog. Übergangsobjekt als erster kreativer Akt in der menschlichen Entwicklung (vgl. Winnicott in Limberg, 1998, 49), das in Kapitel 3 (
2.4.3 Ausgewählte Aspekte psychoanalytischer Pädagogik für therapeutisches wie pädagogisches Handeln
Wie in den Erläuterungen zur Entstehung mentalisierender Kompetenzen in Abhängigkeit von gelingenden Bindungserfahrungen angeklungen, geht es in pädagogischen wie psychosozialen Settings häufig um ein Nachholen solcher (mangelnden) Erfahrungen in aktuellen (Arbeits-)Beziehungen bzw. um deren Korrektur. Ein entsprechend definierter geschützter Rahmen, wie ihn die Kunsttherapie vorsieht, ist im Kontext aufdeckender und korrigierender bzw. mit der Übertragung/Gegenübertragung operierender Verfahren, die ein Nacherleben und Aufarbeiten einer früheren konflikthaften und seelisch beeinträchtigenden (Bindungs-)Erfahrung ermöglichen, sinnvoll und notwendig. Doch geschehen Übertragungsprozesse bzw. die oben angeschnittenen »Inszenierungen« von zu wenig mentalisierbaren Affekten und Wünschen auch im pädagogischen Alltag, wobei als Vereinfachung der*die therapeutisch tätige Professionelle eher an der Übertragung, der*die Pädagog*in mit der Übertragung arbeitet (vgl. Naumann, 2010, 118). Das heißt, ein*e Adressat*in unserer Arbeit reaktiviert beispielsweise frühere Beziehungserfahrungen mit primären Bezugspersonen und überträgt diese auf uns: der*die Therapeut*in lässt sich intensiver auf diese Rollenzuschreibung ein, um dem Klientel eine alternative und bessere Bindungserfahrung erlebbar zu machen und der*die Pädgog*in nutzt die Analyse des Übertragungsgeschehens zum Verstehen der Adressat*innen in ihrem Verhalten und ihren Anliegen. Korrigierende Beziehungserfahrungen zur Verfügung zu stellen und mentalisierende Fähigkeiten auszubauen, ist auch in heil- und sozialpädagogischen Kontexten beispielsweise in der stationären Unterbringung von Kindern und Jugendlichen, in der Familienhilfe unabdingbar, so dass entsprechende Kompetenzen im Bildungs- und Erziehungsfeld ebenso fruchtbar sind.
Neben dem Mentalisierungskonzept können Elemente psychoanalytischer Pädagogik zur Qualifizierung im Überschneidungsbereich pädagogischer/therapeutischer Aufgaben bzw. für die Begleitung von Adressat*innen mit entsprechenden Bedarfen beitragen. Diese sollen in ihren wichtigsten Bausteinen skizziert werden. Naumann betont die emanzipatorische Tradition der psychoanalytischen Pädagogik aus ihrer Gründerzeit Anfang des 20. Jahrhunderts: »Positiv formuliert wird deutlich, dass die frühe Psychoanalytische Pädagogik die Autonomie und Beziehungsfähigkeit des Kindes mit der Selbstreflexion des Erziehers und seiner sozialistisch orientierten Kritik an der Gesellschaft zu verbinden trachtete« (Naumann, 2010, 114), was hier betont wird, da landläufig Psychoanalyse klischeehaft verkürzt mit individual- und triebpsychologischen »Deutungen« in Verbindung gebracht wird. Großen Anteil hatte die psychoanalytische Pädagogik nach dem 2. Weltkrieg an der Kritik der autoritären Erziehung und in der Entstehung der Kinderläden (vgl. ebd.). Sie hat sich in den letzten Jahren deutlich weiterentwickelt, die Erkenntnisse der Bindungstheorie (Bowlby) und der neueren Säuglingsforschung eingebunden sowie die intersubjektive Wende der Psychoanalyse mitvollzogen. Zudem agiert sie »sinnverstehend«, das bedeutet von jedem – gerade auch scheinbar unangemessenen, destruktiven oder irritierenden – Verhalten, Wahrnehmen und Bewerten eines*einer Agierenden wird dessen Sinnhaftigkeit angenommen. Das heißt, es wird davon ausgegangen, dass der*die Betroffene teils unbewusste, in der eigenen Biographie, den eigenen Bindungserfahrungen und den erlernten Bewältigungsstrategien (