Menschen, die Geschichte schrieben. Группа авторов

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Menschen, die Geschichte schrieben - Группа авторов marixwissen

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ertönen und im Rühmen seiner Taten auferstehen lässt.“26 Mehr war nicht zu vernehmen.

      Der Luxemburger aber auf dem Kaiserthron, Karl IV., suchte zu heilen, was seine staufischen Vorgänger unterlassen hatten. Er, der König von Böhmen werden sollte und einst auf den Namen Wenzel getauft worden war, wechselte den Namen, wählte sich bei seiner Firmung in Paris den heiligen Karl zum Patron und regierte als Karl IV. das römische Reich. Karls Kirche in Aachen, das Marienmünster, auch die Wahlkirche der Könige in Frankfurt bedachte er in der Verehrung seines Heiligen mit reichen Gaben. So erweist sich das 14. Jahrhundert als eine dreifache „Karls-Epoche“: im Westen, im Osten und im Himmelreich.

      DER HEROS DER DICHTER UND LITERATEN

      Die deutschen wie auch die französischen Dichter haben Karl zu keiner Zeit vergessen. Eine reiche Fülle überlieferter Lieder und „Chansons de geste“ kündet davon. Wenigstens kurz sei darauf noch eingegangen. Karl erschien als der ideale König, als das Vorbild christlicher Ritterschaft. Hervorgehoben sei allein das Rolandslied, das in zahlreiche Sprachen Eingang fand, während der sonstige, geradezu überbordende Schatz der französischen „Gestes de Charlemagne“ oder „Gestes du roi“ übergangen werden muss. Keine von ihnen feierte den Heiligen.

      In Deutschland beginnt – von der Kaiserchronik abgesehen, in der Karl bereits von Heiligkeit umflort erscheint – die nicht eben üppige Reihe der Karlsdichtungen mit dem Rolandslied des Regensburger Pfaffen Konrad, einer Weiterdichtung der französischen Chanson de Roland, die ihrerseits auf mündliche Traditionen zurückführt, wie sie etwa in der sogenannten Nota Emilia- nensis aus dem spanischen Kloster S. Millan de la Cogolla aufscheint. Der Stoff der deutschsprachigen Karlsepik kam somit ebenfalls aus dem Westen; er hatte sich schon dort mit der Kreuzzugsdichtung vereint. Das Epos wurde auf Bitten der Herzogin Mathilde gedichtet, der in Westfrankreich erzogenen englischen Königstochter und Gemahlin Heinrichs des Löwen. Sie brachte das Lied aus ihrer Heimat ins Sachsenland und nach Bayern mit, wo es dann über den Umweg einer lateinischen Übersetzung mühsam ins Deutsche übertragen wurde. Weite Verbreitung fand es nicht. Daneben sind allein der in der Nachfolge des Rolandsliedes stehende Karl des Dichters Stricker und der kompilatorische anonyme Karlmeinet zu erwähnen. Der Frankenkönig war von diesen wenigen Ausnahmen abgesehen kein herausragender Held der mittelhochdeutschen Dichtung. Doch strahlte die französische Dichtung bis nach Skandinavien aus: Karlamagnüs saga ok kappa hans.

      Schon die Chanson de Roland hatte an Karls Spanienfeldzug und Niederlage im Jahr 778 gegen Muslime und Basken erinnert, an die zwölf Paladine mit Roland, der im realen Leben ein bretonischer Markgraf gewesen sein dürfte, und dem getreuen Erzbischof Turpin an der Spitze. Sie erinnerte weiter an den Verräter Genelun, hinter dem sich der historische „Verrat“ des Erzbischofs Wenilo von Sens an Karl II. verbergen dürfte – durchweg also historische Gestalten und Episoden, die in der realen Geschichte des Frankenreiches während des 8. und 9. Jahrhunderts eine Rolle gespielt haben und nun, im Epos, neue, nicht minder nachhaltige Wirkung erzielen sollten. Schicht um Schicht hat sich hier um einen Erzählkern gelagert, der zuletzt noch den Kreuzfahrer und Heiligen in sich aufzunehmen vermochte – für den, der es zu benutzen versteht, geradezu ein Archiv des vielgestaltigen Karlsgedenkens. Das Lied besang mit lautem Waffengeklirr den heldenhaften Märtyrertod Rolands und seiner Gefährten, die furchtbare Rache des Kaisers und seinen endgültigen Triumph. Es mochte jeden christlichen Ritter, auch wenn er keinem geistlichen Ritterorden beitrat, für den heiligen Krieg und den Kreuzzug entflammen. Man vermutet denn auch, dass das deutsche Lied während des Kreuzzuges Heinrichs des Löwen (1172) dem Herzog und seinen Rittern zur Erbauung diente. Doch heilig war des deutschen Roland Herr noch nicht.

      Zahlreiche französische Epen des hohen und späten Mittelalters widmeten sich den feudalen Bindungen zwischen dem königlichen Lehnsherrn und seinen Vasallen und Paladinen. Auch Familienfehden spiegelten sich in manch einer der „Chansons“. Ein eigener Zyklus an „Verräterepen“ entstand. Karl spielte hier freilich vielfach eine eher klägliche Rolle. Er war nun der Versager; Fürsten und Rebellen triumphierten über ihn. Das Rebellenepos präsentierte einen eigenen Typus der französischen Karlsepik, der in Deutschland vollständig fehlte: den negativen Helden, den lächerlichen König, den nutzlosen Herrscher. Es artikulierte dort, zumal in Aquitanien, dem Land südlich der Loire, und überhaupt im Languedoc, die Opposition gegen das zentrale französische Königtum und die reale oder erhoffte Emanzipation von demselben. Davon ist hier nicht mehr zu handeln. Deutschsprachige Dichter griffen diese Thematik ohnehin nicht auf. Erst in der frühen Neuzeit drang der eine oder andere Stoff in die „Volksbücher“-Literatur ein, ohne sonderlich Karls glänzendes Bild zu verdunkeln.

      Ein dritter Zyklus der hoch- und spätmittelalterlichen französischen Epik wandte sich, gleich dem reich überlieferten, aber unvollendeten Willehalm Wolframs von Eschenbach, dem Markgrafen Guillaume d’Orange zu. Dessen historisches Vorbild war der gleichfalls als Heiliger verehrte Markgraf Wilhelm von Toulouse. Er leitete zur Zeit Karls des Großen unter Ludwig dem Frommen in Aquitanien tatsächlich die Kämpfe gegen die Muslime, bevor er Klostergründer und Mönch wurde. Karl freilich spielte in diesen Dichtungen nur eine randseitige Rolle. Immerhin wusste Wolfram: „Der keiser Karl hat vil tugent“ (I, 6, 9).

      HEROISIERUNG, MYTHISIERUNG UND LEGENDÄRE VERKLÄRUNG ALS WIRKLICHKEIT – EINE ZUSAMMENFASSUNG

      Die Beispiele ließen sich noch lange fortsetzen. Doch auch die vorgestellten sollten deutlich gemacht haben, wie sich die drei Ebenen nationaler Mythisierung, kirchlicher Heiligung und heroischer Dichtung durchdrangen und durchmischten und wechselseitig aufeinander wirkten, und wie sie sich zur Gestaltung neuer Wirklichkeiten mit den Nachwirkungen vergangener Wirklichkeit vereinten. Hier vollzog sich ein komplexes Geschehen, bei dem keiner der Beteiligten ahnen konnte, wohin der von ihm beigesteuerte Impuls das Ganze tragen würde, und in dem sich ein jeder fortgesetzt neu orientieren musste. Ins Epos freilich zog der hl. Karl nur selten ein. Der Mythos verlieh diesem Karl viele Gesichter, ließ ihn hier mit dieser, dort mit anderer Gestalt in Erscheinung treten. So lebten fortgesetzt nicht bloß ein einziger, sondern zahlreiche Karl der Große nebeneinander: der Herrscher, der Sieger, der nutzlose König, der Sünder, der Büßer, Pilger und Heilige und andere mehr.

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