Reisen unter Osmanen und Griechen. David Urquhart

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Reisen unter Osmanen und Griechen - David Urquhart Edition Erdmann

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fernen Kreis geschwenkt, als wollte er den Feind überflügeln, und war deswegen nicht ins Gefecht gekommen. Das geübte Auge Uludschi Alis bemerkte plötzlich den großen Vorteil, den diese Lücke in der christlichen Linie ihm darbot; er stürzte sich auf fünfzehn so von ihren Genossen getrennte Schiffe, nahm eine maltesische und verbrannte eine venezianische Galeere.

      Die überlegene Taktik des algerischen Befehlshabers hielt den Doria noch länger in Atem, bis jener durch die schon durchbrochene Linie der Christen mutig drang, auf die Curzolari lossteuerte und mit zwanzig oder dreißig Schiffen seines Geschwaders den Rückzug bewerkstelligte. Dieser kleine Überrest, nebst einer ebensogroßen Reserve war alles, was nach fünfstündiger Schlacht von der großen türkischen Armada übrig war. Furchtbar war es wirklich, sagt Contarini, die See anzusehen, die von Blut gefärbt und mit Leichen bedeckt war, und traurig, die zahllosen Verwundeten zu schauen, die von den Wellen fortgeschleudert wurden und sich an zerbrochene Schiffstrümmer klammerten! Da konnte man Türken und Christen durcheinander erblicken, die, während sie sanken oder schwammen, um Hilfe flehten, oder vielleicht auf demselben Brett um den Besitz rangen. Überall hörte man Schreien, Stöhnen oder Weherufen, und als der Abend niedersank und Finsternis die Flut bedeckte, wurde das Schauspiel nur noch um so grauenhafter.

      Die Türken verloren in dieser Seeschlacht die kaum glaubliche Zahl von 40 000 Mann an Getöteten, Gefangenen oder Befreiten und über zweihundert Kriegsschiffe. Dennoch war binnen sechzehn Monden nach dieser mörderischen Niederlage das siegreiche Bündnis aufgelöst und ein Traktat unterzeichnet, der Venedig zum Tribut an die Pforte verpflichtete, „so daß es schien,“ sagt Voltaire, „als hätten nicht die Christen, sondern die Türken die Schlacht bei Lepanto gewonnen.“ Die Ursache ist aber einfach genug: In sechs Monaten hatten die Türken, eine Anstrengung machend, wie nur die Römer im Ersten Punischen Krieg, eine Flotte ausgerüstet gleich der verlorenen, und überlegen derjenigen, welche die Verbündeten besaßen, die der Schlacht ausweichend nicht die See halten konnten. Nichtsdestoweniger rettete der Sieg von Lepanto Venedig und hinderte die Türken daran, in Italien oder Spanien einzufallen. Sollte der Besitzer von Konstantinopel einmal wieder das Mittelmeer bedrohen, so ist zu fürchten, daß Venedig, Barcelona und Ancona keine Flotten wieder ausrüsten, um die Unabhängigkeit ihres gemeinschaftlichen Besitztums zu schützen. Die ehemalige Königin des adriatischen Meeres hat keinen Doria mehr, Spanien keinen Don Juan d’Austria, für deren Schläfe die Lorbeeren von Lepanto grünen könnten.

      1Ein Stremma ist beinahe ein Dritteil eines Morgen Landes. (Ein Morgen Land (= acre) enthält 4,40 Quadrat-Yards: ein Yard 5 Fuß; Anm. d. Übers.)

      2Griechisch: νῦν μὲν τεταπεινωμέναι, τò δὲ παλαιòν πϱóσχημα τῆς έλλάδος ἦν ταῦτα τὰ ϰτίσματα (Jetzt zwar liegen sie danieder, doch einst waren diese Bauwerke das Vorbild von Hellas = Strabo I. 9)

      3Es ist kaum nötig zu bemerken, daß die Entfernungen nach Stunden gerechnet werden; eine Stunde im Osten, so gut wie in Deutschland, kann man eine französische Lieue (entspricht etwa 4 km) rechnen.

      4François Pouqueville (1770-1838), französischer Reisender und Diplomat (Red.).

      5Griechisch: εὔϰαϱπος ϰάμπος.

      6Griechisch: ἐλευθεϱία.

      7Griechischer Begriff für eine militärische Einheit (Red.).

      8Griechisch:

εμπέλλοι.

      9Diese regulären Irregulären stehen auf der Stufe des Übergangs von den früheren Horden zu disziplinierten Truppen; sie sind nämlich dem regelmäßigen Aufrücken einander untergeordneter Grade unterworfen, aber keineswegs diszipliniert.

      10Beides griechische Generäle, die sich bei der verzweifelten, letztlich aber doch gescheiterten Verteidigung Messolonghis gegen die Türken in den Jahren 1822 und 1825-1826 große Verdienste erwarben (Red.).

      11Von Venedig gegründete Hafenstadt in Epiros (Red.).

      12Ali Pascha von Jannena (1741-1822), dem es gelang, in Nordgriechenland von 1810 bis 1821 ein von der Hohen Pforte unabhängiges Gebiet einzurichten (Red.).

      13John Hobhouse (1786-1869), der 1812 einen Reisebericht mit dem Titel „Journey into Albania and other Turkish Provinces“, erschienen in London, herausbrachte (Red.).

      14Eine geschützte äußere Festungsmauer bzw. eine Erdaufschüttung, die verhindern soll, dass man Feinde von der Mauer wegen des toten Winkels nicht wahrnimmt (Red.).

      15Hier irrt Urquhart, denn Cervantes verlor im Verlauf der Schlacht die linke Hand durch drei Pistolenschüsse. Ansonsten bliebe der Ausdruck auch unverständlich (Red.).

      16Giovanni Andrea Doria, gest. 1606, war der Befehlshaber Flotte der sog. Heiligen Liga von 1571, der sogar während der Schlacht ein Beispiel für die bei solchen Gelegenheiten immer wieder anzutreffende Hinterlist der Venezianer bot (Red.).

      17Giovanni Pietro Contarini, Historia de bello nuper Venetis a Selimo II. Turcarum Imperatore illato. Basel 1573. Zum Teil gleichzeitig erschienen bereits Übersetzungen des Textes in die gebräuchlichen europäischen Sprachen (Red.).

      18Alter Ausdruck, dessen Gegensatz das zur Erheiterung dienende Feuerwerk ist (Red.).

      FÜNFTES KAPITEL

      ANATOLIKÓ - TRIGARDON - MOOR VON LEZINI - SCHWIMMEN NACH EINEM KLOSTER - SENKUNG DER KÜSTE VON AKARNANIEN UND EPIRUS

      In Anatolikó schliefen wir im Haus des Erzbischofs, wo wir wieder den ganzen Abend und den folgenden Morgen mit der Grenzlinie gepeinigt wurden, dem einzigen Gegenstand, über den zu sprechen das Volk Lust hat. Einigermaßen bekam die Angelegenheit immer eine neue Gestalt, und die Darstellung und Ansicht des kriegerischen Prälaten Porphyrios gewährte uns Unterhaltung. Er war früher Erzbischof von Arta gewesen, aber während der Revolution hatte er sich gegürtet, trug Pistolen im Gürtel und hatte bei mancher Gelegenheit einen Reiterzug angeführt, das Kreuz in der einen Hand, das Schwert in der anderen. Wir besahen in der Kirche die Stelle, wo glücklicherweise eine Granate einen Brunnen öffnete, während der Pascha von Skodra die Stadt belagerte und nahe daran war, sie zu erobern, weil es ihr an Wasser fehlte.

      Gegen regelmäßige militärische Operationen muß Anatolikó viel leichter zu verteidigen sein als Messolonghi, das in der Tat durchaus nicht leicht zu verteidigen ist, obgleich es, wie der Erfolg bewiesen hat, für eine griechische Verteidigung und einen türkischen Angriff viel besser paßt. Die Griechen fürchten sich nämlich wenig vor Breschen und Sturmlaufen, aber sie haben Angst vor dem gewaltigen und unaufhörlichen Granatenregen, den die große Ausdehnung und der weiche Boden von Messolonghi weniger zerstörend machte als er es in dem beengten Raum und auf dem Felsenboden von Anatolikó gewesen sein würde.

      Von Anatolikó nach Niochóri ist eine Stunde; von da nach Katóchi, wo man über den Aspropotamos kommt, wieder eine Stunde. Wir wandten uns nach links, gingen den Fluß hinab und kamen in einer halben Stunde zu den Ruinen von Trigardon, die in einem weiten Kreis von zyklopischen und hellenischen Mauern drei Hügel einschließen, die in früheren Zeiten eine der Inseln von der Gruppe der Echinaden gewesen sein müssen. Fast die Hälfte des Umkreises stößt an das große Moor von Lezini. An der Nordseite im Moor scheinen Überbleibsel eines Hafens zu liegen. Ein tiefer Kanal führt durch das Moor von der See bis

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