Reisen unter Osmanen und Griechen. David Urquhart

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Reisen unter Osmanen und Griechen - David Urquhart Edition Erdmann

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der man hätte trotzen sollen! Ein Windhauch streifte und schäumte den glatten Spiegel und unwillkürlich suchte mein Auge den Flaggenstock, um die jetzt triumphierende Standarte Griechenlands zu betrachten, die in den Lüften wallte an der stolzen Stätte, wo so lange Arabiens Sinnbild herrschte! Dort sieht jetzt der Grieche eine andere Flagge, seine Flagge, die Flagge des befreiten und selbständigen Griechenlands. Aber an der neuen Standarte deuten die abstechenden Farben der neun abwechselnden Streifen2 auf eine andere Harmonie als die der Musen. Man vergleiche diese blasse und gestreifte Standarte mit den prahlenden Farben des Osmanen, die so stark, reich und einfach sind: der Tagesstern des Glückes und der zunehmende Mond der Macht, beide strahlend auf purpurner Wolke. Die dichterischste aller Fahnen! Das herzerhebendste aller Nationalzeichen! Und wieviel des geisteregenden, nervenstählenden Enthusiasmus hängt vielleicht ab von der Poesie eines Sinnbildes? Kann ein Volk, kann selbst eine Partei ohne die Redekunst der Farben bestehen? Wie gross muss also nicht die Wirkung sein, wenn man die Personifizierung der Volkstümlichkeit mit Schönheit bekleidet, wenn man ihren kriegerischen Geist belebt, indem man ihrem Ruhm die erhabensten Werke der Schöpfung zugesellt? Das alles findet sich vereinigt in der Fahne der Osmanen, und in keiner wie in ihr. Das ist obendrein die historisch gewordene Standarte, die mit der Schnelligkeit einer Gewitterwolke über Asien, Europa und Afrika hinflog, von Delhis Palästen bis an den Fuss des Atlas; von den Einöden Abessiniens bis an die-Moorgründe des Don; die Standarte, die ihre Macht bewiesen in den Ebenen von Tours und bei Roncesvalles, vor den Wällen Wiens und am Indus und Oxus. Dreißig Jahre nach ihrem Entstehen hatte sie die beiden größten Reiche damaliger Zeit gedemütigt und in achtzig Jahren rühmte sie sich der Herrschaft in mehr Ländern als Rom in acht Jahrhunderten unterworfen hatte. Diese Flagge ist jetzt von den Kastellen verschwunden, wo ich sie noch vor kurzem erblickte, errötend vor Ärger und Scham; und wie die alten Skythen, bevor sie starben, die Geschichte ihres Lebens erzählten, so untersuchte ich jetzt die Züge und die Geschichte dieser Personifizierung muselmanischer Größe, die vor meinen Augen gesunken war, zugleich mich über die Mittel verwundernd, wodurch sie gestützt wurde.

      Als ich zuerst an Griechenlands Küsten landete, mehr Anteil nehmend an der Beschaffenheit seiner Felsen als an dem dort verhandelten blutigen Streit, wurde ich bald mit Hass und Abscheu vor dem Namen der Türken erfüllt und, mit dem Enthusiasmus des Jugendgefühls, wurde ich Parteigänger. Der Osmane aber, der durch die Gewalttätigkeit im Siege diese Erbitterung erregt hatte, verscheuchte sie wieder, als er besiegt und gefangen erschien, ein Lebensbild stoischer Festigkeit und würdiger Entsagung. Das Mitgefühl, das man dem Missgeschicke zollt, übertrug ich nun auf den Besiegten; aber dieses Mitgefühl mischte sich mit Bewunderung eines Heldenmutes und Achtung vor einem Charakter, von dessen Kraft und Ausdauer ich nie einen Begriff gehabt hatte, vor dem Kampf, dem ich jene Eigenschaften jetzt ausgesetzt sah. So wie ich also früher die rote Flagge nur als das Symbol des Blutvergießens und der Verwüstung betrachtet hatte, so erinnerte ich mich jetzt mit Teilnahme und mit Furcht der Jahrbücher ihres Ruhmes, der Zeiten und Grenzen ihrer Siegesbahn.

      Ich will keineswegs behaupten, dass die gegenwärtige muselmanische Flagge, der Silberstern und der Halbmond im roten Felde, dieselbe Flagge ist, die in Bagdad wehte oder nach Spanien getragen wurde; nicht einmal die zuerst in Konstantinopel aufgepflanzte, die dann ihren Siegeslauf nach der Ukraine, nach Wien und den Alpen fortsetzte. Die Farbe der Moslemen ist nicht rot, sondern grün, obgleich zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Ländern auch andere Farben angenommen wurden. Mohammeds Fahne war gelb; die Sarazenen kämpften zuerst unter einem schwarzen Adler; diesem folgten die Parteifarben: weiß und schwarz, die Farben der Familien, die sich einander das Kalifat streitig machten. Das heilige Grün3 war die erste Farbe, die die Osmanen in Europa entfalteten, aber an ihr hängen so mannigfache nationale und religiöse Gefühle, dass, so gut sie auch dienen mochte, um bei einem Angriffe oder einem Sturme Enthusiasmus zu erregen, man doch bedachte, der Verlust eines so hoch verehrten Zeichens würde den Mut eines Heeres niederschlagen. Im Jahre 1595 eroberte Sigismund, Fürst von Siebenbürgen4, die erste türkische Fahne und schickte sie an Papst Clemens VII. Da wurde die Farbe von grün in rot verändert; der Stern und der Halbmond waren byzantinische Zeichen, welche, gleich vielen anderen, die Türken von den Griechen erborgten. Dass die Türken auf diese Weise ihre Nationalfarben änderten, deutet auf große Empfänglichkeit für Nationalehre. Die Römer verschwiegen den eigentlichen Namen ihrer Stadt, damit kein fremdes Heer die Penaten aus den Mauern fortbeschwören solle. Venedig hat mit so gutem Erfolge die entführten Gebeine des heiligen Markus verhehlt, dass keine Spur von ihrem Dasein aufgefunden ist. Beide Nationen fürchteten, das Band ihres politischen Daseins möchte sich auflösen, wenn die Symbole der Verehrung und Nationalität in fremde Hände gerieten.

      Ich sagte, ich hätte nach der griechischen Flagge gesehen, die statt des osmanischen Banners auf den Wehren flattern sollte, welche den Golf von Lepanto beschützen - aber es war keine da. Ich blickte nach einem Flaggenstock und ich sah deren drei dicht beieinander, gleich den drei Kreuzen auf einer katholischen Schädelstätte. Der eine trug ein weißes Tuch ohne Flecken, aber auch ohne Zeichen und Andeutung. Der zweite trug bunte Winkel von Rot, Weiss und Blau, mehr Geometrie in den Falten zeigend als eben Poesie, so begeisternd auch die zehn Jahrhunderte der Mannhaftigkeit dieser Flagge sind, oder die weitgedehnten Zonen, die von ihren Zügen Kunde geben. Der dritte zeigte Kreuzbalken von Blau im weissen Felde, gleich einem aufgerichteten Stundenglas und auf Eisberge und Schnee deutend. England, Frankreich und Rußland, Mächte, unter deren vereinter Herrschaft etwa 290 Millionen Menschen stehen, hatten sich verbündet, die türkische Flagge fortzuschaffen; sie besetzten als Freunde türkisches Gebiet, sie verbrannten deren Schiffe als Verbündete, sie versperrten deren Häfen als Neutrale; sie protokollierten Griechenland als Wohlwollende - sonderbare Rätsel für ein Zeitalter, das keinen Ödipus hat.

      1Kleiner Hafen am Golf von Korinth an der Grenze der Phokis zu Akarnanien.

      2Griechenlands Flagge sind neun waagrechte Streifen blau, und weiß, mit einem weißen Kreuze auf blauem Feld in der Ecke, zum Andenken des silbernen Kreuzes, das Konstantin während der Schlacht gegen Maxentius am Himmel erblickte, woher das Labarum der Griechen stammt.

      3Tökóli entfaltete (1680) seine grüne Fahne des unabhängigen Ungarn vor dem türkischen Heer, um den Enthusiasmus der Muslime zu seinen Gunsten zu erregen. Die jetzige ungarische Fahne ist grün, weiß und rot. (Das zweite, christliche Wappen Ungarns, seit König Stephan dem Heiligen, tausend Jahre nach Christi Geburt, ist im roten Felde ein silbernes Patriarchenkreuz aus goldener Krone auf grünem Hügel; Anm. d. Übers.) Noch ganz neuerdings haben die Tscherkessen Grün zur Nationalflagge gewählt, nicht nur um sich durch ein Nationalzeichen von ihren Feinden zu unterscheiden, als vielmehr um ihren Glaubensbrüdern im Süden anzudeuten, das Behalten alles dessen, was ihnen teuer sei, hänge ab von der Erhaltung der auf dem Kaukasus entfalteten Fahne.

      4Sigismund Báthory (1572-1613), Reichsfürst und Fürst von Siebenbürgen (Red.).

      VIERTES KAPITEL

      DAS WESTLICHE GRIECHENLAND - GRIECHISCHE MEINUNGEN VOM HERZOG VON WELLINGTON - MESSOLONGHI - DAS FÜLLHORN - SCHLACHT VON LEPANTO

      Wir wurden in Lepanto vom Kommandanten, Obrist Pieri, empfangen, einem Korsioten, der Artillerie-Chef war und uns, wie nebenbei sich selbst, mit der Erzählung seiner verschiedenen Heldentaten unterhielt. Hier hatten wir die erste Unterredung mit einigen Sulioten über das Protokoll. Sie drückten ihren Schmerz und ihre Besorgnis kräftig aus, sagten aber, die Nation werde von jeder öffentlichen Äußerung ihrer Gefühle durch die Furcht abgehalten, als widersetzlich gegen den Willen der Höfe zu erscheinen und von diesen für unruhig und wankelmütig gehalten zu werden. Ohne das, sagten sie, würde Kapodistrias Regierung nicht einen Tag geduldet werden.

      In Lepanto sind von tausend Familien noch fünfhundert griechische nachgeblieben; 6 000 Stremmata1 gehören den Griechen, 25 000 früher den Türken, die jetzt Nationaleigentum geworden sind. Die griechischen Ländereien sind aber so viel schlechter als die ehemals türkischen,

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