Reisen unter Osmanen und Griechen. David Urquhart
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Unbedeutend beschädigt bei der Durchfahrt segelte die Brigg vorwärts und gelangte in eine tiefe Bucht bei Galaxidi an der nördlichen Küste des Golfes - Vóstizza gegenüber. Die Windungen des Golfs zeigten den Augen der Griechen ein türkisches Geschwader, das dicht zusammen gedrängt ebenso sorglos als unordentlich festlag; die Segel trockneten, die Mannschaft war am Land, und, wie sich erwies, nicht einmal Munition an Bord. Aber bald schwanden die Träume eines unblutigen Sieges; am Abend desselben Tages gelang es noch so eben dem Erlöser davon zu kommen, und so segelte er nach Korinth. Seine Flagge war die Veranlassung, dass Korinthos’ Felsen vom Geschütz und vom Jubelruf erdröhnten.
Die Wirkung, die das Erscheinen dieses Schiffes im Meerbusen hervorbrachte, war einem Wunder gleich; der Talisman türkischer Oberherrschaft war gebrochen und die Fahrt nach Westgriechenland eröffnet. Nun umschwärmten die Palikaren den General Church und drängten ihn, sie vorwärts zu führen. Das Lager brach auf von Korinth, und der Erlöser, dem sich jetzt auch das Dampfschiff zugesellt hatte, segelte westlich.
Es war beschlossen, beide Schiffe, das Dampfschiff und die Brigg, sollten das Geschwader bei Salona angreifen, vor dessen Bucht sie am Morgen des 28sten anlangten. Die Türken waren mit Verteidigungsmassnahmen emsig beschäftigt, sie landeten Kanonen, errichteten Küstenbatterien und zogen 1 500 bis 2 000 Mann von den umliegenden Posten zusammen.
Während der Nacht schallten die Töne der Zurüstung am Bord des Dampfschiffes über die stille Flut des Meerbusens, und von Zeit zu Zeit belebten die Wachen beider Schiffe ihre Arbeiten durch gegenseitigen Zuruf. Der Morgen sollte einen tatenschwangeren Tag für Griechenland bringen; von seinem Ausgang hing die Herrschaft über den Meerbusen ab - und alle mit seinem Besitz verknüpften Vorteile. Vor allen Dingen aber musste er die hochländischen Häuptlinge bestimmen, die jetzt zwischen Türken und Griechen schwankten. Doch noch wichtigere und noch unerwartetere Folgen ruhten in der Zukunft.
Der beabsichtigte Angriff war schwer, wenn nicht verzweifelt. Das Andenken an das letzte Misslingen diente eben nicht dazu, die Befürchtungen zu vermindern, welche das Missverhältnis der Zahl und die nachteilige Stellung einflößen mochten, und da die Türken nun einmal vorbereitet waren, so war es klar, dass nur zwischen Untergang oder Sieg die Wahl blieb.
Lieblich brach der Morgen an über dem schönen, klassischen Schauplatz. Glänzend ging die Sonne auf, am Himmel dunkelte keine Wolke, auf dem Wasser spielte kein Luftzug. Endlich schoss aus dem Schornstein des Dampfschiffes eine Masse dichten Rauchs in die Höhe, gleich dem Ausbruch eines Vulkans. Den Türken war dies Dampfschiff das erste, welches sie jemals erblickten, ein Gegenstand der Verwunderung und des Grauens. Sie hielten es kaum für ein Werk von Menschenhänden, so seltsam erschienen ihnen Gestalt und Bewegung und die Wesen darauf, die direkt aus den höllischen Regionen zu kommen schienen, und so grässlich die Wirkung der Wurfgeschütze, die glühend von unten herauf, aus des Teufels Küche zu kommen schienen.14
Obwohl ich selbst bei dem nun folgenden Auftritt an dessen Gefahren und am Erfolg Anteil nahm, will ich ihn doch lieber erzählen, wie er mir von einem der bei dem General Church angestellten Offizier beschrieben wurde. Das griechische Heer marschierte längs der Südküste, die Bewegungen der Schiffe beobachtend. Es macht Halt in Vóstizza, der Bucht von Salona gerade gegenüber, und ging daran sich, dem Angriffe mit der Aufregung zuzusehen, die ein ruhendes Heer fühlen muss, wenn es die Entscheidung seines Geschickes von dem glücklichen oder unglücklichen Ausgang eines Zweikampfes erwartet.
Die beiden Schiffe mussten in eine enge, landumschlossene Bucht hinein, in die man nur mit Hilfe eines günstigen Windes gelangen konnte, der dann aber die Umkehr verhinderte; dort mussten sie Schiffe angreifen, die viermal so viel Kanonen hatten, dicht am Ufer lagerten und ihre Flanken gleich festen Batterien darboten, mit Batterien am Ufer und ein paar tausend Soldaten am Land, und das alles in einem Krieg, wo von beiden Seiten nicht auf Pardon gerechnet wurde.
Es war ein merkwürdiger Anblick, wie ein frischer Wind die schwarze Rauchwolke eines Dampfschiffes von Achaia gegen die Höhen von Delphi und den Parnaß trieb. Es war seltsam anzuhören, wie das Geräusch der Dampfräder weithin tönte über die korinthische Flut. So wie die griechischen Schiffe die Spitze umsegelten, erblickten sie plötzlich die türkische Flotte, die in der Tiefe der Bucht aufgestellt war, und wie zur Parade mit breiten, blutroten Flaggen prangte, und weithin flatternden Wimpeln. Auch an der Küste wehten drohende Flaggen, überall wo frische Erdbatterien aufgeworfen worden waren; eine tüchtige Anzahl grüner Zelte, und das Blitzen der Waffen belebte die Hügel in der Runde und gewährte einen weniger anlockenden als malerischen Anblick. „Erst dann,“ sagte mein Berichterstatter, „als wir sie um die Spitze fahren sahen, fühlten wir wirklich, mit dem Angriff sei es ernst gemeint; jetzt erst fühlten wir die ganze Gefahr des Unternehmens und die Folgen eines Fehlschlages.
Mit welcher Angst blickten wir nach den weißen Segeln und dem schwarzen Rauch, als sie hinter der niedrigen Landspitze verschwanden! Unter welcher sorgenvollen Ungewissheit verlief die halbe Stunde zwischen diesem Augenblick und dem ersten fernen Kanonenschuss, der über das Wasser dröhnte und der grauen Dampfwolke, die langsam aufstieg aus der Bucht längs der Seite des Parnaß. Nach einem viertelstündigen ununterbrochenen Kanonenfeuer schwellte plötzlich eine schwarze Rauchmasse gen Himmel! War es Freund oder Feind, der gen Himmel oder zur Hölle gefahren? Unsere Ungewissheit dauerte nicht lange; eine zweite Masse folgte, schwärzer, höher als die erste. „Sie sind verloren, sie sind verloren!“ quoll es aus den zusammengepressten Lippen der bestürzten Griechen, als eine dritte Explosion bewies, dass Schiffe der Feinde brannten. Da erschollen die wilden Töne dieses übermenschlichen Kriegsrufes; Phantasie und Lungen erschöpften sich in Übertreibungen und Jubelgeschrei.
Ungeachtet dieses Erfolges, der für den Tag entscheidend schien, hörte man doch noch bis Sonnenuntergang ein unregelmässiges Kanonenfeuer mit geringen Unterbrechungen. Der Wind hatte sich gelegt und ein Vorhang von Rauch verhüllte den Schauplatz, auf den alle Aufmerksamkeit gewendet war. Aber als die Sonne sank, als die Nacht ihren dunklen Mantel ausbreitete, da glänzte hell die Flamme von elf brennenden Schiffen durch das Leichentuch der Wolken und spiegelte sich in den Wellen, „die Lepanto’s Seeschlacht sahen“. Das war ein denkwürdiger Tag für Griechenland, ja für Europa. Ibrahim Pascha15 hatte sein Wort verpfändet, den Hafen von Navarino nicht zu verlassen, nun aber steuerte er nach der Bucht von Lepanto, um die Schmach zu rächen. Admiral Codrington16 zwang ihn zur Rückkehr. Die für den Winter zerstreuten Geschwader der Verbündeten wurden nach Navarino zurückgerufen und was nun folgte, brauche ich nicht zu wiederholen.
1Eine der wichtigen Schlachten im griechischen Unabhängigkeitskampf (26.-28. Juli 1822), in deren Verlauf das osmanische Heer besiegt wurde (Red.).
2Bewohner des heutigen Nordgriechenland und Albanien, die als Wanderhirten (darauf spielt Urquhart hier an), aber auch als Händler lebten (Red.).
3Ioannis Kapodistrias aus Korfu wurde im April 1828 zum ersten Präsidenten Griechenlands gewählt. Er scheiterte jedoch mit seiner Politik, die den veramten Bauern helfen sollte. Außerdem