Reisen unter Osmanen und Griechen. David Urquhart
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Dieses kleine, aber zauberische Tal gewährt eine Ansicht wie man sie in Morea selten antrifft. Es ist von unregelmäßigen, aber nicht bedeutenden Hügeln eines weichen Sandsteines umgeben, die in Gestalt und Wesen abwechselnd, mitunter nackt, mitunter bewaldet sind. Durch das Tal fließen zwei Bäche mit tiefen Betten, an denen Reihen schattiger und schöner morgenländischer Platanen wachsen. Wenn man eine Zeit lang die Ansicht von Bäumen entbehrt hat, freut man sich ordentlich über die Schönheit des Laubwerkes und der Gestalt, an der Kühle ihres Schattens und fühlt die Lieblichkeit oder lernt ihren Wert kennen. Nicht weniger Erholung gewährte mir die Aussicht auf die jetzt uns umgebenden Hügel, denn meine Augen waren ermüdet von der Eintönigkeit der Kalkgebirgsketten in Morea, denen es eben so sehr an malerischem, als an geologischem Interesse mangelt, und die um so ermüdender werden, als die Gebirgspfade abscheulich sind und es ihnen an Quellen und Schatten fehlt.
Es freute mich auch, daß ich mich wieder in West-Griechenland befand, einem Land, das mit ausgedehnten Trümmern des entferntesten Altertums angefüllt ist, die, obgleich jetzt darniederliegend und selbst zu den Zeiten des Glanzes von Griechenland schon danieder lagen, schon damals als Muster griechischer Kriegsbaukunst dienten.2 Das Land wurde von Leuten bewohnt, welche die Verfeinerung und Wissenschaft Griechenlands mitbrachten und die Tätigkeit ihres Stammes, und auf einem reicheren Boden eine Zuflucht suchten und fanden vor den Verfolgungen, und Ruhe vor den endlosen und blutbefleckten Zwistigkeiten, die den Peloponnes verheerten.
Diese Gegend ist ganz besonders der Schauplatz mythologischer und dichterischer Gebilde gewesen. Ihre militärische Bedeutsamkeit, die der Erhaltung des neuen Staates so wichtig ist, wurde durch die Ereignisse verherrlicht in den Kriegen Philipps, der Römer, der Goten, der Gallier und der letzten Revolution. War es der glücklichste und einzig friedliche Teil Griechenlands während der Tage seines alten Glanzes, so ist seit jener Zeit bis zur gegenwärtigen das Gegenteil das Schicksal des Landes gewesen, seit der Entvölkerung unter Augustus, die den Zweck hatte, Nikopolis zu bevölkern, bis zur Entvölkerung durch das letzte Protokoll, die gar keinen Zweck hatte.
Anderthalb Stunden3 vom Fluß Kavuro Limne erblickten wir den Evenus durch einen Gürtel von majestätischen Platanen und schlanken Weiden, die eine Art von Vorkulisse zu einem kleinen Waldtheater abgaben. Der Fluß glitt im reißenden aber klaren Strom durch sein breites und steiniges Bett und glänzte durch den Vorhang von tiefgrünem Laubwerke. An der anderen Seite erhob sich ein steiles und durchbrochenes, mit Gesträuchen bewachsenes Ufer. Es gehörte kein großer Aufwand von Phantasie dazu, in diese thespische Szene die fabelhaften Gruppen Meleagers mit dem Eber, Dejanirens und des Kentaurs zu versetzen.
Wir ließen den Fluß rechts und wandten uns rund um den Fuß des Berges Chalkis. Vergebens aber suchten wir nach Spuren, denen wir den Namen Makynia und Chalkis hätten geben können und an der anderen Seite des Flusses nach Tophialson und Kalydon. In der Regel besteht die Schwierigkeit darin, für die große Menge von Überresten Namen zu finden; wir aber waren in Verlegenheit mit einem Überfluß von Namen, ohne daß wir auch nur einen Säulenknauf oder Säulenschaft gefunden hätten, um die Namen anzubringen. Nachdem wir aber über den Fluß gegangen und rechts vom Weg eine kleine Anhöhe erstiegen, die unmittelbar auf Hypochorion hinblickte, befanden wir uns unerwarteterweise mitten unter sehr ausgedehnten hellenischen Ruinen, die wir mit dem Strabo in der Hand uns sehr wohlgefällig einbilden durften, für das alte Pleurona halten zu können. Es ist sehr zu bedauern, daß Strabo diese Gegenden nicht selbst besucht hat, und daß der einzige auf uns gekommene, zusammenhängende Bericht über Westgriechenland in der allgemeinen Beschreibung so dürftig ist und, sobald er ins einzelne geht, oft so verwirrt. Miletius ist hier schlechter als nichts, aber doch auf alle Fälle noch besser als Pouqueville4.
Polybios ist wirklich der einzige Führer in Akarnanien und Ätolien, und aus dem Thukydides muß man das einzige glimmende Lichtchen borgen, das sich über die streitigen Lagen verbreitet, die mit dem Amphilochischen Argos zusammenhängen.
Doch kehren wir nach Pleurona zurück. „Der Evenus“, sagt Strabo, „wendet, nachdem er bei Kalydon und Chalkis vorbeigekommen, seinen Lauf westwärts, nach der Ebene von Alt-Pleurona, und dann wendet er sich südlich zum Ausmünden.“ Gerade nun bei der beschriebenen Flußbiegung erhebt sich der mit diesen Trümmern besetzte Hügel, die in Hinsicht der Ausdehnung und des Stils zu den vorzüglichsten gehören. Einige der Steine waren neun Fuß lang; die Mauer ist gewöhnlich neun Fuß dick, an einer Stelle aber, die wie es schien, an die beiden Akropolis grenzte, war sie nur fünf Fuß mit Verstärkungen von fünfeinhalb Fuß im Geviert, welche die Binnenseite verdickten und auf welche wahrscheinlich Planken gelegt wurden, um die Bank (banquette, Brustwehr) zu bilden. Die Mauern umschlossen zwei Anhöhen, auf deren jeder eine Akropolis gestanden zu haben schien; die nordwärts gelegene war zum Teil zyklopisch. Das von der Mauer eingeschlossene Hochplateau mag etwa dreitausend Schritte im Umkreise halten, der niedrigere Teil ist wenigstens ebenso groß. Einige Ziegel und Mauersteine, härter als Feldsteine, waren die einzigen Überbleibsel, die ich sehen konnte. Eine griechische Faktion hat sich ein Denkmal gesetzt durch den völligen Umsturz solcher Mauern und solcher Stadt.
Während wir das „fruchtbare Gefilde“5 von Pleurona durchzogen, holten wir einige Leute mit Mauleseln ein, die mit allen ihren irdischen Habseligkeiten beladen waren. Sie erzählten uns, sie wären aus der Gegend von Jannena entflohen, mit der Absicht, sich in Griechenland niederzulassen, aber bei dem Kastell von Rumili angehalten, wo man ihnen zwölf Prozent vom Wert ihrer Maulesel und ihres Gepäcks abgefordert hätte. Nicht im Stande, das verlangte Geld zu zahlen und erbittert darüber, daß man sie der aufgeregten Rache wieder entgegenjage, kehrten sie dahin zurück, woher sie gekommen waren. „Tausende,“ sagten sie, „rüsten sich, aus Albanien zu flüchten; aber wir wollen ihnen schon sagen, was es mit der ‚Freiheit’6 auf sich hat.“
Ich weiß nicht, ob man diese Maßregel mehr als unpolitisch, oder als unmenschlich tadeln soll. Nach unserer Ankunft in Messolonghi erzählten wir diese Geschichte dem Distriktsgouverneur, welcher erklärte, die Forderung sei ganz ohne Wissen der Regierung gemacht, und er werde augenblicklich dem Ding ein Ende machen. Es ist aber überflüssig hinzuzusetzen, daß den Erpressungen, über die man sich beklagte, kein Ende gemacht wurde.
Drei Stunden nach Sonnenuntergang trafen wir vor dem Tor von Messolonghi ein. Wir klopften an und schickten um Erlaubnis zum Einlaß, das wurde aber abgeschlagen; wir forderten Lebensmittel und konnten keine erhalten - bemerkenswerte Anfänge zur Zivilisation! Und solche Einrichtungen hält man wirklich für glückliche Nachahmungen Europas. Unsere Diener und unsere Zelte waren vorausgegangen, während wir die Trümmer von Pleurona untersuchten, die wir erst nach völlig eingetretenem Dunkelwerden verließen. Die Diener hatten Befehl,